Energiewende Warum sich für die meisten ein 800-Watt-Balkonkraftwerk nicht lohnt

Balkonkraftwerk an einer Hauswand
Die Bundesregierung erleichtert den Weg zum eigenen Balkonkraftwerk
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Die Bundesregierung will ab Januar den Bau von Balkonkraftwerken erleichtern. Dazu soll unter anderem deren zulässige Leistung von 600 auf 800 Watt erhöht werden. Doch für die meisten Haushalte dürfte der Nutzen gering sein

Der Markt für kleine Solaranlagen boomt und die Bundesregierung will ihn weiter ankurbeln: Das Kabinett hat einen Gesetzentwurf beschlossen, der zahlreiche bürokratische Hürden abbauen soll. Sollte der Bundestag das Gesetz im Herbst in der vorliegenden Form verabschieden, könnte der Weg zum eigenen Kraftwerk ab Januar deutlich einfacher werden. 

Statt aufwendiger Installation durch Fachpersonal sollen die Geräte mit Schuko-Stecker angeboten werden, die man nur noch in die Steckdose stecken muss. Auch die Pflicht, die Anlage beim Netzbetreiber anzumelden, soll entfallen; für die weiterhin notwendige Registrierung im Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur sollen weniger Angaben ausreichen. Vor allem sollen Vermieter*innen die Anlagen zukünftig nicht mehr explizit erlauben müssen: Nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes können sie sie untersagen. Auch sollen Bewohner*innen eines Mietshauses ihren überschüssigen Strom leichter an die Nachbarschaft abtreten können.

800 Watt statt 600 Watt als neue Obergrenze

Für Aufsehen sorgt, dass die Geräte eine höhere Maximalleistung haben dürfen: 800 statt 600 Watt sind ab Januar erlaubt. Die Obergrenze bestimmt, wer als Unternehmer selbstproduzierten Strom verkaufen darf, dabei aber an zahlreiche Vorgaben gebunden ist, – und wer als Privatperson bloß im kleinen Stil Strom für den Eigenbedarf produziert. Überschüssiger Strom aus Balkonkraftwerken darf nicht verkauft werden: Er fließt ins allgemeine Stromnetz, ohne dass der Besitzer oder die Besitzerin der Anlage eine Vergütung erhält.

Konkret sind künftig Wechselrichter mit 800 Watt erlaubt. Solarmodule mit mehr als 600 Watt sind auch bisher erlaubt. Ihre Spitzenleistung liefern sie ohnehin nur an extrem sonnigen Tagen. An diesen müssen die Geräte abgeregelt werden: Der Wechselrichter lässt nur die erlaubten 600 Watt durch.

Wenn von "800-Watt-Anlagen" die Rede ist, muss also unterschieden werden, ob die Module 800 Watt haben oder ob der Wechselrichter 800 Watt durchlässt. Grundsätzlich produzieren Anlagen mit einem 800-Watt-Wechselrichter nicht automatisch ein Drittel mehr Energie als eine Anlage mit einem 600-Watt-Wechselrichter. Der Mehrertrag hängt neben dem Standort und der Sonneneinstrahlung vor allem von der Anzahl und der Leistung der Module ab. 

Grundlast auffangen, Stromkosten senken

Da der Strom aus einem Balkonkraftwerk nicht verkauft werden darf, senkt es die Stromkosten nur, wenn es einen Teil des aktuellen Strombedarfs decken kann. Es kann vor allem die Grundlast decken, also den Strombedarf von Geräten, die ständig laufen, wie zum Beispiel der Kühlschrank. Die Grundlast liegt je nach Haushalt zwischen 50 und 400 Watt.

Schaltet man dagegen eine Waschmaschine ein, so verbraucht diese beim Aufheizen anfangs bis zu 3000 Watt. Diese Bedarfsspitzen kann ein kleines Balkonkraftwerk nicht auffangen. Und selbst wenn eine Anlage dafür groß genug wäre, würde sich ihre Anschaffung nicht auszahlen: Sie wäre deutlich teurer, aber der zusätzlich produzierte Strom bliebe die meiste Zeit ungenutzt und würde ohne Gewinn ins Netz fließen.

Entscheidend für Balkonkraftwerke ist nicht, wie viel sie an den besten Tagen produzieren, sondern an durchschnittlichen Tagen. Dieser typische Wert muss der Grundlast entsprechen. Es kann sich daher auszahlen, mehr als 600-Watt-Solarpaneele zu installieren, um an normalen Tagen eine höhere Leistung zu generieren, die in etwa der Grundlast entspricht. Die teuren 800-Watt-Wechselrichter amortisieren sich hingegen nicht so schnell, denn die Leistungsspitzen, die sie ermöglichen, übersteigen in den meisten Haushalten die Grundlast. Die in nur wenigen Momenten gelieferten 800 Watt  tragen kaum bei, die Stromkosten zu senken.

Für wen es sich lohnt – und für wen nicht

Wer jedoch tagsüber einen hohen Energieverbrauch hat, für den kann sich auch ein 800-Watt-Wechselrichter lohnen. Allerdings sollte man sich dann vorher überlegen, welche Geräte wirklich den ganzen Tag laufen müssen oder auf Stand-by stehen. Strom sparen ist meist der einfachere Weg, um Geld zu sparen.

Überschüssiger Strom kann auch in einer Batterie gespeichert werden, um ihn zum Beispiel abends zu nutzen, wenn der Stromverbrauch typischerweise höher ist. Aber auch diese sind in der Anschaffung teuer. Ob sich das lohnt, muss gut durchgerechnet werden.

Grundsätzlich sollte jede Person vor der Anschaffung einmal durchrechnen, ob sich die Anschaffung lohnt und welche Anlage optimal ist. Dies hängt wesentlich von der Position der Anlage ab sowie dem Wetter in der Region. Die Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin stellt einen Online-Rechner bereit, mit dem sich der ungefähre Ertrag einer Steckersolaranlage errechnen lässt. Neben den eingesparten Emissionen kalkuliert der Rechner auch die ungefähre Amortisationszeit, also ab wann die Anschaffungskosten der Anlage durch den geringeren Strombezug vom Versorger ausgeglichen sind.

Die Anschaffung eines Balkonkraftwerks bis in den Januar zu verschieben, lohnt sich also meist eher aus den anderen oben genannten Gründen. Außerdem könnten bis dahin die Preise für 600-Watt-Wechselrichter sinken, wenn die Hersteller auf 800 Watt als Standard umstellen.

Wer aber jetzt schon eine 800-Watt-Anlage haben möchte, muss nicht bis Januar warten. Spezielle Wechselrichter können dafür sorgen, dass bis Januar maximal 600 Watt aus dem Gerät fließen. Ein Update des Betreibers erhöht dann im Januar die erlaubte Leistung auf 800 Watt.