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Solarraffinerie Klimaneutral: Forschende erzeugen Treibstoff aus Luft und Sonnenlicht

Der Parabolspiegel auf dem Dach des ETH-​Gebäudes bündelt das Licht und leitet es in die beiden Reaktoren in der Mitte der Anlage weiter
Der Parabolspiegel auf dem Dach des ETH-​Gebäudes bündelt das Licht und leitet es in die beiden Reaktoren in der Mitte der Anlage weiter
© ETH/Alessandro Della Bella
Treibstoff aus Sonnenlicht und Luft: Was klingt wie ein Traum, haben Forschende in der Schweiz in die Realität umgesetzt. Zwar erzeugt ihre kleine Anlage derzeit nur wenig Treibstoff. Aber die Methode sei reif für eine industrielle Anwendung

Mit einer Solarraffinerie haben Forschende aus Zürich und Potsdam Kraftstoff nur aus Luft und Sonnenlicht erzeugt. Das CO2-neutrale Verfahren könne in industriellem Maßstab betrieben werden, betont das Team um Aldo Steinfeld, Professor für Erneuerbare Energieträger an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH).

Derzeit seien Luft- und Schiffsverkehr für etwa acht Prozent der menschlichen CO2-Emissionen verantwortlich, mit steigender Tendenz, schreibt das Team im Fachjournal "Nature". Kohlenstoff-neutraler Verkehr sei zwar durch Elektromotoren möglich, die dafür nötigen Batterien seien aber schon wegen ihres Gewichts für Langstreckenflüge ungeeignet.

Um eine Alternative aufzuzeigen, bauten die Forschenden auf dem Dach eines ETH-Labors in Zürich eine kleine Solarraffinerie. Die damit produzierten synthetischen Stoffe können anderen Kraftstoffen als sogenannte Drop-in-Treibstoffe beigemischt werden. Sie setzen bei der Verbrennung nur so viel Kohlendioxid (CO2) frei, wie zuvor aus der Luft entnommen wurde.

Im Video: So funktioniert die Mini-Raffinerie-Anlage

Der Prozess besteht aus drei Schritten. Zunächst werden CO2 und Wasser aus der Umgebungsluft gefiltert. Sie gelangen dann in einen Solarreaktor im Fokus eines Parabolspiegels. Dieser erzeugt im Inneren des keramischen Reaktors eine Hitze von 1500 Grad Celsius. Mithilfe der Hitze werden Wasser und CO2 umgewandelt in eine Mischung aus Wasserstoff (H2) und Kohlenmonoxid (CO). Dieses Syngas (Synthesegas) kann dann zu Benzin, Kerosin, Methanol oder anderen Kohlenwasserstoffen verarbeitet werden.

"Wir konnten die technische Machbarkeit der gesamten thermochemischen Prozesskette zur Umwandlung von Sonnenlicht und Umgebungsluft in Drop-in-Treibstoffe erfolgreich nachweisen", sagt Steinfeld. "Das Gesamtsystem arbeitet unter realen Sonneneinstrahlungsbedingungen stabil und dient uns als einzigartige Plattform für weitere Forschung und Entwicklung."

Rund ein Deziliter Treibstoff kann zurzeit am Tag produziert werden

Die Technik sei reif für den Transfer in die Industrie. Bei einer Produktion im industriellen Maßstab würde ein Liter Treibstoff den Kalkulationen der Forschenden zufolge 1,20 bis 2 Euro kosten. Als Produktionsstandorte empfehlen sie Wüstenregionen mit hoher Sonneneinstrahlung.

Die Forschungsanlage produziert Syngas, welches mittels mittels konventioneller Methanol-​ oder Fischer-​Tropsch-Synthese in flüssige Treibstoffe weiterverarbeitet werden kann
Die Forschungsanlage produziert Syngas, welches mittels mittels konventioneller Methanol-​ oder Fischer-​Tropsch-Synthese in flüssige Treibstoffe weiterverarbeitet werden kann
© ETH Zürich / Alessandro Della Bella

Mit ihrer Versuchsanlage erzeugten die Forscher in sieben Stunden 32 Milliliter Methanol. Zum Vergleich: Die Luftfahrt hat im Jahr 2019 etwa 441 Milliarden Liter Kerosin verbraucht. Um diesen kompletten Bedarf zu decken, wäre den Kalkulationen der Forschenden zufolge in Zukunft eine Fläche von 45.000 Quadratkilometern nötig, was etwa 0,5 Prozent der Sahara entspreche.

Allerdings bräuchten Solarkraftstoffe wegen der hohen anfänglichen Investitionskosten politische Unterstützung. "Die bestehenden Förderinstrumente der Europäischen Union – Emissionshandel und Offsetting – reichen nicht aus, um die Marktnachfrage nach Solartreibstoffen zu fördern", sagt Ko-Autor Johan Lilliestam, Professor für Energiepolitik an der Uni Potsdam. Demnach sollten Fluggesellschaften dazu verpflichtet werden, einen Anteil ihres Treibstoffs aus solaren Quellen zu decken - etwa 0,1 Prozent. Das würde das Fliegen kaum teurer machen, aber den Aufbau von Produktionsanlagen ermöglichen, betonen die Forschenden.

Walter Willems, dpa

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