Shiitake-Pilze sind in der Küche vielseitig einsetzbar: als Zutat für eine Asia Bowl, als Grundlage einer Suppe oder als Topping für ein Risotto. Ein Team der Ohio State University hat im Labor nun eine ganz andere Art der Anwendung erforscht: Wie sich aus Shiitake-Pilzen ein Computer bauen lässt.
Dafür macht es sich eine Eigenschaft der Pilze zunutze: Ihr verzweigtes Wurzelgeflecht, das Myzel, funktioniert ähnlich wie Synapsen im menschlichen Gehirn. Es leitet nicht nur Informationen in Form elektrischer Impulse, sondern verarbeitet sie auch. Wie das Team nachwies, kann das Pilzgeflecht ähnlich dem menschlichen Gehirn sogar "lernen": Informationen, die durch das Geflecht strömen, verändern dessen Struktur.
Das menschliche Gehirn lernt unter anderem, indem es jene Bahnen verstärkt, die viel beansprucht werden. Als Folge bilden sich Strukturen, die neu ankommende Informationen auf Basis vorheriger Erfahrungen verarbeiten. Ganz ähnlich ändert sich im Myzel der Widerstand von Bahnen, wenn sie häufig genutzt wurden. Das Pilzgeflecht speichert frühere Erfahrungen. Diese bilden eine Art "Programmierung" in dem Sinne, dass sie eine Struktur prägen, auf der die zukünftig einfließenden Informationen verarbeitet werden.
Auf der Suche nach neuartigen Ansätzen für die Computertechnologie sind Pilze deshalb so interessant, gerade weil sie ganz anders funktionieren als herkömmliche Computer. Bei diesen sind Speicherung und Verarbeitung von Informationen räumlich getrennt. Um Informationen zwischen beidem hin- und herzuschicken, ist zusätzliche Energie nötig. Das Pilzgeflecht hingegen könnte Speicherung und Verarbeitung von Informationen in einer Einheit kombinieren. Ähnlich wie das menschliche Gehirn könnte es somit unschlagbar sparsam mit Energie umgehen.
Auch andere Forschende haben schon mit Pilzen experimentiert. Doch ein Problem war bislang, dass die Organismen unentwegt mit Wasser und Nährstoffen versorgt werden mussten. Das Team aus Ohio konnte nun in einer Studie, die in der Fachzeitschrift "PLos one" erschien, eine Lösung demonstrieren: Das Pilzgeflecht behält auch dann sein "Gedächtnis" und seine Fähigkeit zur Verarbeitung bei, wenn es zeitweilig in einen Stand-by-Modus versetzt wird. Dazu trockneten die Forschenden die Pilze, dehydrierten sie mehrere Tage gleichmäßig in der Sonne. Und rehydrierten sie dann vor den Experimenten mit einem feinen Wassernebel, wodurch sie ihre ursprüngliche Leitfähigkeit wiedererlangten. Pilze, die zuvor "trainiert" worden waren, behielten nach diesem Prozess ihre Programmierung bei.
Ziel der Forschung ist es nicht, herkömmliche Computer zu ersetzen, denn deren Schnelligkeit und Vielseitigkeit ist kaum zu toppen. Doch die Forschenden sehen in der Nische einige Anwendungsmöglichkeiten für die Pilzcomputer. Beispielsweise sind Pilze – anders als Siliziumchips – strahlenresistent, sie könnten daher im Weltraum nützlich sein, wo herkömmliche Siliziumchips unter der starken Weltraumstrahlung leiden.
Andere Forschende beurteilen das Potenzial der biologischen Chips zurückhaltender. Ihrer Einschätzung nach wird es noch lange dauern, bis funktionsfähige Pilzcomputer Realität sind. Kurzfristig sehen sie mögliche Anwendungen der Chips in Bereichen, in denen Geschwindigkeit und Präzision weniger entscheidend sind – etwa bei der langfristigen Umweltbeobachtung. Langsame Prozesse wie das Wachstum von Bäumen oder die Bewegung von Gestein an Steilhängen ließen sich mithilfe solcher Pilzsensoren besonders gut erfassen.