Wie sehen Schilf-Glasflügelzikaden aus?
Ausgewachsene weibliche Schilf-Glasflügelzikaden (Pentastiridius leporinus) erreichen eine Länge von knapp einem Zentimeter (fünf bis neun Millimeter), die Männchen sind noch etwas kleiner. Ihr Körper ist dunkelbraun bis schwarz gefärbt, die Vorderflügel transparent (daher der Name) mit dunklen Adern. Weltweit gibt es mehr als 45.000 Zikadenarten, in Deutschland kommen nur etwas mehr als 600 von ihnen vor, darunter einige eingewanderte Spezies.
Was macht sie gefährlich?
Schilf-Glasflügelzikaden – und ihre frühen Entwicklungsstadien, die Nymphen – ernähren sich von Pflanzensäften. Das wäre weiter kein Problem für die Landwirtschaft – doch die Insekten sind mit Bakterien infiziert, die sich in den Wirtspflanzen vermehren. Der Einzeller Candidatus Phytoplasma solani wird durch Stiche der Schilf-Glasflügelzikade auf Pflanzen übertragen und verursacht eine Krankheit, die in Fachkreisen Stolbur genannt wird. Infizierte Bestände welken, Wurzeln und Knollen werden gummiartig. Der Ernteertrag sinkt, Geschmack und Qualität leiden, unter anderem durch einen geringeren Zuckergehalt. Bei starkem Befall können Zuckerrüben, Kartoffeln und Gemüse nicht verarbeitet und gelagert werden.

Eine weitere von den Zikaden übertragene Infektionskrankheit, SBR (französisch "Syndrome Basses Richesses", Syndrom der niedrigen Zuckergehalte), sorgt für hohe Ertrags- und Qualitätsverluste. Allein bei Zuckerrüben stieg die betroffene Fläche von 40.000 Hektar im Jahr 2023 auf mindestens 75.000 Hektar im vergangenen Jahr. Nach Angaben des Bauernverbandes entspricht das etwa einem Viertel der deutschen Anbaufläche. Neben Zuckerrüben sind auch Kartoffeln, Zwiebeln, Sellerie, Rote Beete, Kohl, Möhren sowie teils Rhabarber und Paprika betroffen. Stefan Streng, Vorsitzender der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker, nennt die Schilf-Glasflügelzikade "die größte pflanzenbauliche Herausforderung der nächsten Jahre".
Für den Menschen sind die Bakterien nach heutigem Wissensstand nicht gefährlich. Faule oder gummiartige Kartoffeln oder Gemüse kommen allerdings auch gar nicht erst in den Handel.
Was hat der Klimawandel mit der Ausbreitung der Zikade zu tun?
Schilf-Glasflügelzikaden stammen ursprünglich aus dem Mittelmeerraum. Doch seit den 1990er-Jahren breiten sich die Insekten, begünstigt durch die globale Erwärmung, in Richtung Mitteleuropa aus. Zu ersten Ernteschäden kam es in den mittelfranzösischen Regionen Bourgogne und Franche-Comté. In Deutschland konnte SBR zuerst im Jahr 2009 im Landkreis Heilbronn (Baden-Württemberg) nachgewiesen werden. Seit 2018 traten Ernteschäden auch in zahlreichen weiteren Bundesländern auf, darunter Rheinland-Pfalz, Bayern und Hessen, Niedersachsen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Besonders betroffen ist in diesem Jahr der Südwesten des Landes.
Warum steht die Art unter Naturschutz?
Die Schilf-Glasflügelzikade ist zwar als Schädling gefürchtet – steht aber unter besonderem Naturschutz. Seit 2016 führt sie die bundesweite Rote Liste der Zikaden als "gefährdet". Nach Angaben des Hessischen Landesamts für Naturschutz, Umwelt und Geologie wird diese Liste etwa alle zehn Jahre aktualisiert. Der Schutzstatus rührt daher, dass die Zikade in Deutschland ursprünglich nur in naturnahen Sumpf- und Schilfgebieten vorkam – wo sie laut dem Rote-Liste-Eintrag von 2016 nicht nur selten ist, sondern seltener wird.
Da das Insekt ungeachtet seines Schutzstatus als landwirtschaftlicher Schädling gilt, hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) den Einsatz von speziellen Pflanzenschutzmitteln über eine Notfallzulassung gestattet – zeitlich begrenzt und unter strengen Vorgaben.
Dass die Schilf-Glasflügelzikade auf landwirtschaftlich genutzte Flächen – und Ackerfrüchte als Nahrungsquellen – ausweicht, könnte damit zusammenhängen, dass ihr ursprüngliches Habitat schrumpft: Große, zusammenhängende Sumpf- und Schilfgebiete gibt es in der Agrarlandschaft immer weniger.