Die Augen sind die Fenster zu unserer Seele, heißt es. Und tatsächlich offenbaren die Sehorgane einen Blick in unser Inneres: Die Pupillen weiten oder verengen sich nicht bloß, wenn wir in die Nacht hinaus- oder in die Sonne hineinblicken. Sondern auch, wenn wir emotional ergriffen sind.
So vergrößern sich die Pupillen zuverlässig dann, wenn wir uns freuen. Oder auch, wenn wir nervös sind, wenn wir uns ekeln oder fürchten. Der innere Aufruhr wird also unwillkürlich von außen sichtbar. Gesteuert wird die Weite der Pupille von tief liegenden Arealen im Hirnstamm. Und dient somit als eine Art Marker für deren Aktivitätsniveau.
Nun haben Forschende um Caroline Lustenberger vom Neural Control of Movement Lab der ETH Zürich erstmals untersucht, ob sich die Pupille auch dann verändert, wenn Menschen schlummernd ins Reich der Träume abgleiten. Ein Unterfangen, das nicht ganz trivial ist. Denn wie kann man einem Schlafenden in die Augen blicken, durch geschlossene Lider lässt sich schwerlich hindurchschauen?
Ein Spezialpflaster erlaubt den Blick auf die Pupille, selbst im Schlaf
Daher entwickelte Manuel Carro Domínguez, Erstautor der Studie in Nature Communications, eine trickreiche Technik: ein durchsichtiges Pflaster, das über das Auge geklebt wird, das Lid offenhält und so wie ein Fenster die Sicht auf die Pupille freigibt. „Unsere größte Sorge war, dass die Proband*innen nicht mit offenem Auge schlafen können“, sagt Domínguez. Doch die Versuchsteilnehmenden fanden in sehr dunklen Räumen zur Ruhe, vergaßen daher meist nach einiger Zeit, dass eines ihrer Lider geöffnet war und konnten trotz der gewöhnungsbedürftigen Prozedur eindösen. Zumal das Spezial-Pflaster verhinderte, dass das Auge austrocknete.

Um die Pupillen der Probanden zu untersuchen, nutzen die Forschenden Infrarotkameras, die auch im Dunkeln ihren Dienst taten. Jeweils eine Nacht lang beobachtete das Team, wie sich die Pupille der Schlafenden verhielten. Überrascht stellten die Wissenschaftler fest: Die Größe der kreisrunden Öffnung schwankte beständig. Mal weitete sie sich, dann wurde sie wieder kleiner, mal änderte sie ihre Größe innerhalb von Minuten, dann wieder binnen weniger Sekunden.
Obendrein detektierten die Forschenden mittels EEG die Hirnaktivität der Schlummernden sowie per EKG die Herzschläge. Spätere Analysen offenbarten, dass die Pupillen während des REM-Schlafs auffallend verengt waren, in den Phasen des Tiefschlafs dagegen unterschiedlich groß.
Auch die rascheren, leichteren Schwankungen der Pupillenweite konnten die Forschenden in Zusammenhang mit bestimmten Hirnwellen bringen. So stellten sie eine Verbindung zwischen untergeordneten Strukturen von Schlafphasen, gekennzeichnet durch spezifische EEG-Muster, und der jeweiligen Pupillenweite fest.
Die Pupillenweite konnten die Forschenden mit bestimmten Hirnaktivitäten in Verbindung bringen
Insgesamt lässt die Dynamik der Pupillenbewegung auf eine deutliche Aktivität in tieferen Hirnarealen schließen. Caroline Lustenberger sagt: „Diese Beobachtungen widersprechen der bisherigen Annahme, dass das Erregungsniveau im Schlaf grundsätzlich niedrig ist.“ Vielmehr zeigen die Pupillenschwankungen: Das Gehirn befindet sich auch im Schlaf in einem fortlaufenden Wechsel zwischen höherer und niedrigerer Aktivierung.
Als zentralen Regulator für die Erregung in unserem Kopf hat die Wissenschaft eine kleine Region im Hirnstamm ausgemacht: den Locus coeruleus. In Tierversuchen konnten Forschende nachweisen, dass das Areal eine entscheidende Rolle bei der Steuerung der Schlafstadien sowie beim Prozess des Aufwachens spielt. Bislang ist nicht ganz klar, ob der Locus coeruleus auch direkt verantwortlich für die Änderungen der Pupillenweite ist. In einer weiteren Studie wollen sich die Forschenden der ETH das Hirnareal genauer anschauen.
Zwar steht die Analyse der schlafenden Pupille noch am Anfang, doch die Hoffnung ist, dass das kleine Fenster in unser Inneres in Zukunft bei der Behandlung von Schlafstörungen und anderen Erkrankungen förderlich sein könnte. So wollen die Forschenden in der Schweiz untersuchen, ob sich anhand der Pupille bestimmte Defekte des Aktivierungssystems ableiten lassen. Hierzu gehören unter anderem auch Leiden wie Insomnie, posttraumatische Belastungsstörungen und womöglich auch Alzheimer. „Das sind nur Vermutungen“, sagt Caroline Lustenberger. Doch denen wollen die Wissenschaftler künftig nachgehen.
Wer weiß? Vielleicht wird das Aufkleben von transparenten Augenpflastern irgendwann einmal zum Standardrepertoire von Schlaflaboren gehören. Und der Fachblick in die Pupille eine gängige Methode sein, um Menschen zu helfen, die Probleme beim Schlummern haben.