Zugegeben, ein bisschen Gelb ist bei der Blauen Banene im Spiel. Immerhin ergibt sich ihre Form aus der Lage des pulsierenden wirtschaftlichen Großraums in Europa: das geographische Band von der irischen See bis hinunter zum Mittelmeer als dynamische Megaregion. Zudem steckt der europäische Gedanke hinter dem Begriff "Blaue Banane" und die Sterne auf der europäischen Flagge sind unbestreitbar gelb.
Entstanden ist das Synonym im Jahr 1989 durch die Forschungsarbeit einer Gruppe um den französischen Geographen Roger Brunet. Im Mittelpunkt des Grundgedankens ist dieEntstehung von Ballungsräumen aufgrund einer eigenen Dynamik durch aktive und passive Entwicklung anstatt durch Planung.
Ballungsräume schaffen Megalopolis
Megalopolis ist das Stichwort – ein geographisch begrenztes Gebiet, das durch viele verschiedene enthaltene Ballungsräume zu einem einzigen großen und zentralen Verdichtungsraum mit hoher Dynamik wird. Das reicht von der Wirtschaft, über die Kultur und Wissenschaft bis hin Medien, Verkehr, Kapital, Infrastruktur und Bevölkerung. Mit Blick auf die Blaue Banane betrifft das rund 110 Millionen Menschen, die in diesem Großraum leben.
Tatsächlich ist die Farbe Blau für diese Megaregion erst nach dem Erscheinen der Studie im Jahr 1989 im Rahmen der Medienberichterstattung geprägt worden und hat sich dann etabliert. Globale Welthauptstädte wie London sind deshalb auch nach dem Brexit weiterhin Bestandteil dieser geowirtschaftlichen Betrachtung, ohne dass die Fahne von Europa eine entscheidende Rolle spielt oder ein Ausschlusskriterium wäre.
Rund 20 globale Hauptstädte und sogenannte "World Cities" befinden sich in der Blauen Banane. Ihre optische Form verläuft von Großbritannien kommend über Belgien und die Niederlande, schließt die Metropolregion Rhein-Ruhr und die Städteregion Aachen mit ein sowie die Schweiz, Italien bis runter zum Mittelmeer und durch den Verlauf auch viele der zentralen europäischen Einrichtungen.
Blaue Banane als Teil der globalisierten Welt
Insgesamt hat die Blaue Banane eine Länge von rund 1300 Kilometer von Nord nach Süd und eine Breite von rund 900 Kilometern von West nach Ost. Vergleichbare andere Megalopolis-Regionen sind in den USA der Großraum zwischen Boston und Washington, von Chicago nach Pittsburgh oder der Pazifikgürtel mit Großstädten in Japan, der sich von Tokyo im Norden bis Fukuoka im Süden über 1200 Kilometer erstreckt.
Roger Brunet analysiert historisch gewachsene Achsen
Roger Brunet hat die Entwicklung dieser Ballungsräume mit dem Rhein als zentraler Achse verbunden. Hintergrund ist die historische Funktion des Flusses als dauerhafter Verkehrs- und Handelsweg in Europa. Geschichtliche Zusammenhänge sind es auch, die der Geograph in seine Überlegungen mit einbezogen hat. So hat der Franzose sein Heimatland Frankreich bewusst nicht in sein wirtschaftsgeographisches Modell mit einbezogen.
Seiner Ansicht nach hat das Land den Anschluss an den beschriebenen Großraum durch zwei wesentliche Dinge verloren:
- Verfolgung von Minderheiten
- Hugenottenkriege als Beispiel
- Zentralisierung des Landes in Paris
- Dadurch Verlust von Vielfalt und Dynamik
Megaregion durch Infrastruktur
Brunet sieht die Blaue Banane in ihrer geographischen Begrenzung vor allem wegen der hochverdichteten und überdurchschnittlich entwickelten Infrastruktur als bedeutend im Vergleich zu ähnlichen Regionen in der globalisierten Welt an. Dazu zählt er nicht nur die Verkehrsanbindungen, sondern vor allem auch die Informations-Infrastruktur als nötiges Mittel für den Austausch und die Marktstärke als Megaregion.
Die Entwicklungsmöglichkeiten der Blauen Banane als Megalopolis sieht Roger Brunet umso besser, je dynamischer der Austausch ist. So sieht er nicht nur Vorteile in der Logistik, sondern vor allem auch in der wirtschaftlichen Vielfalt durch Diversifikation statt wirtschaftlich anfälliger Monostrukturen. Die Folge: Interaktion und Innovation, aber auch eine höhere Wirtschaftlichkeit durch eine bessere Vernetzung der Akteure.
Dazu kommen die freie Standortwahl von Betrieben basierend auf der notwendigen Infrastruktur sowie dadurch bedingte kürzere Transportwege, geringere Kosten und reduzierte Fahrtzeiten für Arbeitnehmer. Durch die Vielfalt der konzentrierten Wirtschaft kommt es zu einem direkteren und besseren Austausch. Auch Ferninfrastrukturen wie Flughäfen oder große Seehäfen als Umschlagsplätze spielen in der Definition für die Blaue Banane als Megalopolis eine wesentliche Rolle.
Megaregion Blaue Banane attraktiv für Ansiedlung
In der Folge siedeln sich in dem räumlich definierten Wirtschaftsraum nicht nur überregionale und weltweit agierende Unternehmen an. Auch zentrale öffentliche Einrichtungen orientieren sich bei der Ansiedlung an Ballungsräumen, der Vernetzung und der Infrastruktur. In der Blauen Banane zählen dazu unter anderem:
- der internationale Gerichtshof in Den Haag
- der Europarat in Straßburg
- der Hauptsitz der Europäischen Union in Brüssel
- die Zentrale der NATO in Brüssel
- die globale Zentrale der Bank für internationalen Zahlungsausgleich in Brüssel
Im Zusammenspiel von wirtschaftlicher Stärke, Finanzmärkten, Attraktivität von Wohnen, Leben und Arbeit sind die verschiedenen Ballungsräume in der Blauen Banane attraktive Ort für den Zuzug sowohl von hochqualifizierten Arbeitskräften als auch beispielsweise Jobsuchenden im Dienstleistungssektor. Bevorzugte Lebensräume sind sogenannte Global and World Cities (GaWC) wie:
- London
- Mailand
- Frankfurt am Main
- München
- Düsseldorf
- Amsterdam
- Rotterdam
- Brüssel
- Zürich
- Luxemburg
- Manchester
- Birmingham
- Antwerpen
- Turin
Entwicklung: Blaue Banane wird zum Stern
Dass die Blaue Banane sich mit ihren Ballungsräumen in dieser Art entwickelt hat, sieht Roger Brunet vor allem auch in den Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs begründet. Verkehrswege und Waren- sowie Wirtschaftsströme hätten sich verändert und das Wachstum Europas entlang der historischen Nord-Süd-Achse erst möglich gemacht. Ost-West-Verbindungen und damit die Wirtschaftsräume hingegen seien weniger gefördert und ausgebaut worden oder sogar ganz verschwunden.
Gut 35 Jahre später stellt sich das ursprüngliche geowirtschaftliche Modell von Roger Brunet in einer anderen Form dar. Europa hat sich verändert und entwickelt, hat sich neuen Mitgliedern geöffnet und ist gewachsen. Zwar ist die ursprüngliche Form der Blauen Banane weiterhin als Kerngebiet und der Megaregion vorhanden.
Tatsächlich haben sich aber aufgrund auf Grund von neuen Märkten, Warenströmen und Bevölkerungswanderung zusätzliche Seitenachsen gebildet – beispielsweise über Paris bis nach Südspanien. Das ist die Basis für ein neues Modell und Bild, das inzwischen konkrete Gestalt annimmt: die Rede ist vom Blauen Stern – womit wir zumindest von der Form her wieder bei der Europäischen Fahne wären.