Ob wir eine Person sympathisch finden oder nicht, ob sie uns vertrauenswürdig erscheint und ob wir sie als mehr oder weniger klug einschätzen, darüber entscheiden nur wenige Sekunden. Studien zufolge benötigt das menschliche Gehirn gerade mal eine Zehntelsekunde, um ein Urteil über einen unbekannten Menschen zu fällen.
Dafür greifen wir auf schnell wahrnehmbare Informationen wie etwa die Gesichtszüge oder Kleidung einer Person zurück und lassen uns ganz automatisch von Erfahrungswerten und Vorurteilen leiten. In kürzester Zeit haben die meisten Menschen ihr Gegenüber in eine der Schubladen, die sie im Laufe ihres Lebens angelegt haben, einsortiert. Der erste Eindruck ist zwar nicht immer richtig, doch er beeinflusst maßgeblich unser Verhalten und das anderer.
Nach einem kurzen Kennenlernen verändert sich der erste Eindruck in der Regel nicht mehr bedeutend – dabei macht es auch keinen großen Unterschied, ob man eine Person nur wenige Sekunden sieht oder ein halbstündiges Gespräch mit ihr führt. Wie die beiden amerikanischen Forschenden Janine Willis und Alexander Todorov von der Princeton University 2006 zeigten, ändert sich lediglich die Sicherheit, mit der das erste Urteil gefällt wird, wenn der Beobachtende mehr Zeit für die erste Einschätzung bekommt.
Wer sich der verschiedenen Faktoren bewusst ist, welche den ersten Eindruck maßgeblich prägen, kann sich dieses Wissen zunutze machen. Es hilft, sich auf bestimmte Situationen in passender Weise vorzubereiten und einzustimmen. Denn nur, wenn Verhalten und Auftreten stimmig sind, wird man positiv von seinem Gegenüber bewertet. Sechs Aspekte, die dabei eine Rolle spielen:
Der Kleidungsstil
Das Sprichwort "Kleider machen Leute" kommt nicht von ungefähr. Denn egal, ob wir es wollen oder nicht – jede und jeder lässt sich von oberflächlichen Eindrücken wie der Mode beeinflussen, im Berufs- wie im Privatleben. Nach einer vielzitierten und bereits im Jahr 1967 veröffentlichten Studie des amerikanischen Psychologen Albert Mehrabian ist für den ersten Eindruck der Inhalt des Gesagten zu gerade mal sieben Prozent maßgeblich. Die restlichen 93 Prozent entfallen auf die Kleidung, Stimmfarbe und Sprache, die Körpersprache und den Geruch.
Bei der Kleidung sind Qualität, Stilrichtung, Passform und Farbe die entscheidenden Faktoren. Das Outfit ist jedoch nicht nur für das eigene Erscheinungsbild maßgebend, sondern dient anderen auch als Unterscheidungskriterium bei der Einordnung. Mit der Wahl der Kleidung bietet sich so die Möglichkeit, das Selbstbild in gewissem Maße bewusst zu managen. Ist die gewählte Kleidung beispielsweise dem Anlass und der eigenen Rolle angemessen? Welche Signalwirkung hat sie?
Entspricht die Kleidung nicht den Erwartungen anderer, hat das womöglich sogar negative Konsequenzen. Erscheint man beispielsweise mit dreckigen Schuhen zum Vorstellungsgespräch und hat dafür eine sehr gute Entschuldigung, so ist diese Begründung für den allerersten Eindruck zunächst völlig irrelevant. Dreckige Kleidung vermittelt in einer solchen Situation eine geringe Wertschätzung des Gegenübers, mit negativen Folgen für den Verlauf des Gesprächs.
Ausschlaggebend für die Kleidung sind daher stets die Erwartungen der anderen an das eigene Erscheinungsbild. Man sollte sich daher bei der Wahl des Outfits vorher fragen: Welche Art von Anlass ist es und welche Personen sind anwesend? In welcher Rolle ist man dabei selbst und wie möchte man wirken? Dabei spielen übrigens auch Farben eine Rolle: Gedeckte und dunkle Töne werden meist mit Souveränität, Verlässlichkeit und Sensibilität assoziiert, kräftige und helle Farben dagegen mit Extrovertiertheit, Kreativität und Lebhaftigkeit.
Körperhaltung und Händedruck
Die beste und teuerste Kleidung nützt nichts, wenn die Körpersprache dazu nicht stimmt. Insbesondere die Körperhaltung, der Gang und die Gestik, aber auch das Distanzverhalten haben einen enormen Einfluss darauf, wie andere uns wahrnehmen. Unsere Körpersprache sendet ständig Signale, ob wir wollen oder nicht. Das berühmte Zitat des österreichischen Kommunikationswissenschaftlers Paul Watzlawick bringt es auf den Punkt: "Man kann nicht nicht kommunizieren."
Hochgezogene Schultern, zittrige Hände und verschränkte Arme oder Beine vermitteln einen unsicheren, distanzierten Eindruck. Trommelnde Finger und Händereiben signalisieren Ungeduld. Eine entspannte Körperhaltung und ein selbstbewusstes Auftreten mit einem offenen Lächeln wirken hingegen sympathisch und selbstsicher.
Auch ein kräftiger Händedruck, besonders bei Frauen, kann einen positiven Eindruck enorm verstärken. Er wird mit Selbstsicherheit und persönlicher Stärke in Verbindung gebracht. Nicht umsonst empfehlen Business-Kniggen und Karriere-Berater stets, den festen Händedruck zu üben.
Die gute Nachricht ist: Jede und jeder kann lernen, die eigene Körpersprache bewusst und authentisch einzusetzen, um so die Wirkung auf andere zu optimieren. Klare Gesten, aufmerksamer Augenkontakt, ein offenes Lächeln und eine zugewandte Körperhaltung sind vier einfache Tipps, die jeder umsetzen kann.
Die Stimme und Sprache
Unsere Stimme ist beinahe so unverwechselbar wie ein Fingerabdruck – aber liefert auch einen authentischen Eindruck unseres mentalen Zustands. Sie verrät, ob wir nervös oder wütend, traurig oder fröhlich sind. Laut der bereits erwähnten Studie des Psychologen Albert Mehrabian hängt es zu 38 Prozent von ihr ab, wie unsere Worte beim ersten Eindruck wirken.
Tonfall, Betonung und Artikulation haben entscheidenden Einfluss darauf, wie der Inhalt des Gesagten bei unserem Gegenüber aufgenommen wird. Bedeutet: Ein ausgesprochener Gedanke kann noch so klug sein – er kommt nicht bei der anderen Person an, wenn zu schnell oder zu leise, zu verhaspelt oder zittrig gesprochen wird.
Menschen mit einer klaren und ruhigen Stimme finden wir ganz automatisch sympathischer als Menschen mit schrillen Stimmen, die schnell oder abgehackt sprechen. Eine gute Hilfe bei wichtigen Gesprächen oder vor Redebeiträgen ist das Finden der Indifferenzlage, dem Grundton der eigenen Stimme.
Die Indifferenzlage lässt sich finden, indem man ein entspanntes "Mmmh" summt und dabei mit der Stimme leicht nach unten geht, sodass sich der Klang noch im angenehmen Bereich befindet – so, als würde man an etwas Köstliches zu Essen denken. Besonders Frauen, die zu einem hellen Stimmton neigen, können so den Stimmklang etwas dunkler und seriöser wirken lassen.
Der Geruch
Relevant für den ersten Eindruck sind auch Gerüche, die der Körper permanent abgibt. Düfte beeinflussen die Wahrnehmung mehr, als man es zunächst vermuten würde. Wenn zwischen zwei Menschen "die Chemie stimmt", kann man das durchaus wörtlich verstehen und auf den Geruch der beiden beziehen. Der Austausch der Informationen über Geruchsstoffe geschieht in der Regel völlig unbewusst, der Geruchssinn ist im biologisch ältesten Teil des Gehirns angesiedelt.
Gerüche, die der Körper über den Schweiß abgibt, Pheromone und Soziohormone, senden Botschaften aus, die das Gehirn des Gegenübers zu Informationen weiterverarbeitet. Durch das Pheromon Androstenol beispielsweise werden Menschen als intelligenter und vertrauenswürdiger wahrgenommen.
Übermäßiger Schweißgeruch oder zu schwere und süßliche Parfüms trüben den ersten Eindruck hingegen signifikant. Wer nicht auf ein Parfüm verzichten möchte, sollte zu einem Duft mit Zitrus- und Holznoten greifen, die von vielen Menschen als angenehm empfunden werden. Denn wie jemand auf einen bestimmten Geruch reagiert oder mit was eine spezielle Duftnote in Verbindung gebracht wird, lässt sich nicht steuern.
Während der Coronapandemie und in Zeiten der Video-Konferenzen ist der über den Geruchssinn gesteuerte Teil des Kennenlernens verloren gegangen. Ein Bildschirm ist steril, Gerüche über das Internet nicht wahrnehmbar. Einen ersten Eindruck über einen Video-Call mit einer noch unbekannten Person zu gewinnen, ist umso schwieriger.
Viele Reize und Informationen, die während eines persönlichen Kennenlernens ausgesendet werden, fehlen. Stattdessen flutet eine Vielzahl anderer Informationen das virtuelle Gespräch. Es piept und rauscht, das Videobild stockt oder die Technik des Headsets funktioniert nicht. Für das Gehirn macht es das umso schwieriger, die Eindrücke zu ordnen und eine sensorische Einheit herzustellen. Laut einer Studie von Jeremy Biesanz und Lauren Human von der University of British Columbia bewerten wir Menschen online oft sogar negativer als wenn wir ihnen zum ersten Mal von Angesicht zu Angesicht begegnen.
Der Blick und die Gesichtszüge
Neben einem aktiven Blickkontakt, der Offenheit und Interesse signalisiert, entscheidet auch die Gesichtsform darüber, welchen ersten Eindruck eine Person vermittelt. Ein britisches Forschungsteam um den Psychologen Tom Hartley von der Universität York kam 2014 im Rahmen einer Studie zu dem Schluss, dass Merkmale wie beispielsweise die Breite der Augenbrauen, die Form der Mundpartie und die Position der Wangenknochen einen messbaren Einfluss darauf haben, wie ein Mensch wahrgenommen wird.
Nach Angaben der Forschenden konzentrieren sich die meisten Menschen beim ersten Eindruck auf die Augen- und Mundpartie ihres Gegenübers. Personen mit großen Augen, geschwungenen Augenbrauen und einer breiten Unterlippe wurden als jugendlich und attraktiv empfunden. Breite Augenbrauen eher als dominant gewertet und weit geöffnete Münder als besonders zugänglich.