Die Reptilien-Unterordnung Serpentes mit ihren 2800 Arten stellt alles in den Schatten, was wir an gefährlichen Tieren kennen. Bis zu 5,5 Millionen Bisse weltweit schätzt die Wissenschaft pro Jahr, mehr als 420 000 Vergiftungen und an die 100 000 Todesfälle sind die Folge, vor allem in tropischen und subtropischen Ländern. Bis auf Polar- und Permafrostgebiete und einige Inselnhaben Schlangen fast jeden Lebensraum erobert. Sie leben unter- und überirdisch, im Süß- und im Salzwasser, auf Bäumen oder in Sümpfen, in Wüsten und Hochgebirgen. Schlangen sind universal.
Von den zehn giftigsten Arten der Welt sind sieben in Australien zu Hause. Ob Taipan, Tigerschlange, Todesotter oder King Brown, mehr als 180 Schlangen-Spezies schlängeln sich über den Kontinent, zwei Drittel von ihnen toxisch, an die 5000 Mal pro Jahr beißen sie Menschen. Dass es nicht mehr sind, liegt an der dünnen Besiedlung des Landes, dass nur wenige sterben, an der guten intensiv-medizinischen Versorgung.
Tödliches und heilendes Schlangengift
Acanthophis antarcticus produziert einen besonders wirkungsvollen Cocktail. Hunderte jener Eiweiß-Komponenten, die australische Giftnattern so gefährlich machen. Proteasen, Nucleasen, Oxidasen. Nach dem Biss wirkt Phospholipase A2, ein Enzym, das Schock induziert. Bewusstseinstrübung ist die Folge. Dann die schreckliche Kraft der Neurotoxine, die das Nervensystem lahm legen, am Ende die Lunge; der Myotoxine, die Muskelfasern aufspalten, Gewebe zerstören; der Hämotoxine, die Blutkapillare auflösen und innere Blutungen hervorrufen. Einzige Rettung: ein Antiserum. Es verhindert zum Beispiel, dass die Abbauprodukte der Muskelzersetzung unwiederbringlich die Nierenkanäle verstopfen. Sie sind furchtbar und fruchtbar zugleich, diese Biomoleküle. Wissenschaftler stellen damit nicht nur Antiseren her. Aus den tödlichen Säften gewinnen sie auch Medikamente, Morphinersatz für Krebspatienten, Bluthochdruck senkende Mittel oder Anti-Gerinnungsfaktoren für Schlaganfallopfer.
Hochfeine Sinne
Schlangen verfügen über Sinne, von denen die menschliche Wahrnehmungswelt keinen Begriff hat. Das Infrarot-Sehsystem der Würgeschlangen zählt dazu. Hochsensible Rezeptoren in Vertiefungen am Kopf, die wie Fotoapparate ohne Linsen funktionieren und Wärmebilder empfangen. Den Boden der kleinen Gruben bedeckt eine Sinneshaut, durchzogen von Nervenenden. Sie können Temperaturunterschiede von 0,026 Grad Celsius registrieren - warmblütige Beute ebenso wie kühle Örtchen oder Aufwärmplätze. Als Vorbilder zur Entwicklung ungekühlter Nachtsichtgeräte, von Feuermeldern und Einparkhilfen begeistern diese Sinnesorgane viele Ingenieure.
Lesen Sie die ganze Reportage von GEO-Reporterin Hania Luczak im GEO-Magazin Nr. 4/2009.