Bayern I mog di: Zehn Gründe für den Tegernsee

Bayern: Wer weiß wo, findet auch am Tegernsee ruhige und bezahlbare Plätze
Wer weiß wo, findet auch am Tegernsee ruhige und bezahlbare Plätze
© Manuel Sulzer/Corbis
Unsere Autorin kennt zehn gute Gründe, den von Protz und Promis umlagerten Tegernsee südlich von München trotzdem zu lieben

"Lago Di Bonzo", schimpfen die Bayern, wenn sie böse sind auf den Autokonvoi, der sich an sonnigen Tagen aus München heranwälzt. Prominente und Reiche suchen sich halt gern die schönsten Ecken der Welt aus. Und der Tegernsee kann da mithalten, wie auch mit den Seen auf der Alpen-Südseite. Man tut also gut daran, den Fußballern und Oligarchen, den Wittelsbachern und CSU-Oberen die Dörfer, Biergärten, Blumenwiesen, Ufer und Wanderwege nicht komplett zu überlassen.

So halten es auch die Einheimischen zwischen Gmund, Tegernsee, Rottach-Egern und Bad Wiessee. Sie regulieren die Promidichte, indem sie ihre Kühe auf den wertvollsten Wiesen Bayerns einfach weiter grasen lassen, ihre Trachtenfeste und Stammtische feiern, auch wenn manche Lederhose aus Fernost dazwischen sitzt, und einen grünen Landrat wählten, weil er den Autoverkehr auf der Ringstraße eindampfen will. Genau diese Gemengelage führt dazu, dass ich unter dem Gewölbe des "Bräustüberls" am Holztisch ein gekühltes Tegernseer trinke, krossen Braten und Brezn esse, und die Tochter von Michail Gorbatschow am Nachbartisch dasselbe tut. Womit wir bei meinen Liebeserklärungen wären.

Bräustüberl

Bräustüberl Tegernsee im Sommer
Das beliebte "Bräustüberl" ist unter den Gewölben im Tegernseer Schloss daheim
© IMAGO / Ulrich Wagner

Seit das süffige Bier selbst in Hamburg und Berlin Kult ist, kommen die Wittelsbacher mit dem Brauen kaum hinterher. Trotzdem bleibt das "Bräustüberl" im ehemaligen Benediktinerkloster, wie es immer war: eine Kaschemme, in der sich Dialekt und Biergläserklirren zum typischen Wirtshaus- Sound vermischen, die bayerische Karte auf eine Seite passt (Schweinshaxn, Leberknödlsuppe, Pressack) und das perfekt eingeschenkte Bier dafür sorgt, dass ich mich leicht bräsig vor mich hin freue (Tegernsee, Schlossplatz 1).

Point

Wie eine Burg ragt der Wiesenhügel vor dem Ort Tegernsee ins Wasser. Einsam ist es nicht. Aber Beach-Volleyballplätze, Sand- und Kiesstrände, der Kiosk, dazu der Blick auf die Bergspitzen von Wallberg und Fockenstein sind einfach ideal, um sein Handtuch zu werfen und in den See zu springen. Von der Pointspitze kann man sich vom "Überführer" nach Rottach-Egern rudern lassen (südlicher Ortsrand). Wer’s exklusiver mag, mietet eine Liege im Beachclub am Bistro "Fährhütte 14" in Egern.

Villa Adolphine

Ein parkähnliches Grundstück mit alten Buchen, Holzbalkone, grüne Fensterläden, Zimmer voller Antiquitäten, eine Veranda zum Frühstücken, Buchlesen, Weintrinken: In der Villa von 1885 feierte eine gewisse Adolphine angeblich rauschende Feste. Heute geht es deutlich ruhiger zu. Für die Gäste des 15-Zimmer-Hotels "Villa Adolphine" in Rottach-Egern werden Yoga-Stunden und Wohlfühlkonzerte organisiert, ein Buddha wacht über den Seelenfrieden. Ein schöner Kontrast zum Fünf-Sterne-Hotel "Überfahrt" ein paar Straßen weiter, dessen arabische Kundschaft neugierig über den Lattenzaun lugt. Günstiger ist das "Gästehaus Margarete"  in Bad Wiessee.

Bootsverleih Rixner

Beim Bootsverleih Rixner am Tegernsee kann man Ruderboote oder Tretboote mieten. Oder man geht mit Christoph Rixner aufs Wasser. Der fährt seinen "Hecht" täglich aus, ein 60 Jahre altes hölzernes Motorboot mit Platz für 15 Passagiere. Das schönste daran: Der Kapitän garniert die Tour mit Tegernsee-Anekdoten in allerschönstem Bayerisch.

Waldfeste

Das Prinzip ist immer gleich: Bierbänke, -tische und -zelte, Tanzboden, Bierschänken, Schießbuden und Zuckerwattestände werden im Wald oder auf der Wiese aufgebaut. Die Tegernseer holen ihre Dirndln und Lederhosn aus dem Schrank, drehen sich zwei Tage lang zu Polka und Zwiefachem, juchzen und feiern. Nach 48 Stunden ist der Spaß vorbei. Termine unter www.tegernsee.com

Papierfabrik Gmund

Papiermaschine von 1883
Die Papiermaschine von 1883 in der Büttenpapierfabrik Gmund ist immer noch im Einsatz
© IMAGO / HRSchulz

Seit fast 200 Jahren stellt die Büttenpapierfabrik Gmund ganz im Norden des Tegernsees am Ufer der Mangfall allerfeinste Papeterie hier. Die Familie ist stolz auf die rund 100.000 Papier-Varianten, handgeschöpft, gestanzt, mit Silber, Hanf, Stroh, Gold und Prägungen verfeinert, mit Wasserzeichen oder auch ohne. Die Papierkunst der Gmunder ist weltberühmt, zu ihren Kunden gehören diverse Königshäuser und Regierungschefs, auch die VIP-Einladenden in Cannes nutzen Gmunder-Papier. Und hartnäckig hielt sich das Gerücht, dass auch die goldenen Oscar-Umschläge aus Bayern kommen. Wer Papeterie-Handwerk liebt, schaut im Fabrikladen vorbei oder macht eine Werksführung (an jedem 2. und 4. Freitag im Monat, Anmeldung über Tourist Information Gmund).

Saunaschiff

Ein schwimmender Schwitzkasten, gesaunt wird im Heck, geruht in der Kapitänskabine. Bis 2008 fuhr "Irmingard" noch auf dem Chiemsee. Jetzt liegt sie vor dem "Monte Mare"- Strandbad in Tegernsee. Fünf Saunen sowie Ruhehaus, Dampfbad, Wellness, Solebad, Restaurant, Liegewiese und Kiesstrand. Mein Lieblingsplatz ist allerdings das Saunaschiff "Irmingard".

Das Tegernsee

Durch die offenen Fenster duften die Sommerwiesen, weiße Lampions über den Tischen konkurrieren mit dem Mond, unten leuchtet der See. Design ohne Schnörkel, dazu köstliches Essen im "Restaurant Senger", zum Beispiel Wolfsbarsch mit Kimchi oder Brennessel-Risotto. Nach der Überdosis Alpenkitsch im Tal ein puristischer Augenschmaus. Zum Hotel gehören mehrere Häuser, auch das Sengerschloss, in dem die Wittelsbacher einst Könige und Zaren empfingen.

Olaf-Gulbransson-Museum

Der Norweger Gulbransson, der mit seinen Simplicissimus-Karikaturen berühmt wurde, lebte von 1929 bis 1958 in einem Bauernhof über dem See, malte und zeichnete, feierte, zechte und stiefelte halbnackt in einem Schaffellumhang durch seinen Garten. Sein Museum baute der Architekt des Kanzlerbungalows, nur dass der schlichte Flachbau zwischen Kirchtürmen, Wirtshäusern und Kuhweiden viel mehr aneckt.

Beim Zotzn

Auch wenn die Oligarchen-Dichte in Rottach-Egern etwas abgenommen hat, ringt der Ort nach wie vor darum, sein Brauchtum zu erhalten. Wie gut, dass der gebürtige Rottacher Sepp Bogner verrückt genug war, einen fast 500 Jahre alten Tiroler Hof vor dem Abriss zu retten und ihn Stück für Stück am Tegernsee wieder aufzubauen. Jetzt beherbergt der "Voitlhof 1532" die Traditionswirtschaft "Beim Zotzn" (bekannt für Knödel und Schweinsbraten), die Werkstatt des Hutmachers Martin Wiesner und ein Café. Hin und wieder spielt auch Volksmusik auf.