Nein, es nicht nur ein Klischee: Die Menschen in Singapur arbeiten wirklich hart. Business, Fleiß, Erfolg bestimmen für viele das Leben in der südostasiatischen Bankenmetropole. Die Arbeitstage sind oft lang, die Wochenenden kurz. Wer als Tourist in Singapur ist, bekommt schnell den Eindruck, Freizeit bedeutet hier sich zur "Afterwork" auf ein paar Cocktails in einer der vielen Bars auf den Dächern der Stadt zu treffen. Ich habe mich gefragt: Was machen typische Singapurer eigentlich, wenn sie mal einen Nachmittag frei haben? Genau das hat mir Bow Puapunkasamsuk gezeigt. Die 26-Jährige arbeitet für eine Versicherung und opfert ein paar freie Stunden, um mich in drei Stationen durch ihre Heimatstadt zu führen.
"Sin Lee Foods": Fusionsküche im Hipster-Viertel
Wer glaubt Franzosen seien verliebt ins Essen, der war noch nicht in Singapur. Wann immer Zeit dafür ist, wird in der Löwenstadt geschlemmt, selbst spät in der Nacht. Auch Gespräche drehen sich oft und gerne um Zutaten, Zubereitung und Qualität. Das unser erste Station also ein Restaurant ist, ist also nicht gerade ungewöhnlich.

Während ältere Einwohner auf die traditionellen Hawker Center, überdachte Ansammlungen von Garküchen, schwören, darf es bei jungen Leuten gerne mal moderne Fusionsküche sein - so auch bei Bow. Wir treffen uns am Rande einer der frühen Hochhaussiedlungen im Stadtteil Tiong Bahru. Noch immer verirren sich wenige Touristen in diese Gegend, obwohl Singapurs Hipster-Szene das Viertel längst entdeckt und attraktiv gemacht hat. Ausgefallene Buch- und Designerläden laden zum Bummeln und Stöbern ein.
Bows Geheimtipp zum Mittagessen heißt "Sin Lee Foods". Die 26-Jähige hat das kleine, von außen unscheinbare Restaurant erst kürzlich entdeckt und war von der ungewöhnlichen Mischung westlicher und asiatischer Küche sofort begeistert. Ebenso von der Einrichtung: "Ich mag, dass hier alles so schlicht und etwas schäbig ist – die unverputzten Backsteinwände, die Glühbirnen an der Decke".

Die Zahl der Gerichte ist übersichtlich. Dennoch fällt die Entscheidung schwer, da vor allem für mich fast alles spannend klingt. Wir beschließen uns quer durch die Karte zu probieren. Unsere Bestellung: "Abruri Broccoli Salad" (gerösteter Brokkoli mit weißem Balsamico und rotem Zucker), "Salted Egg Sweet Potato Fries" (Süßkartoffelpommes mit einer Soße aus traditionell-chinesisch zubereiteten Enteneiern, garniert mit Curryblättern) "Beef & Grains" (gebratenes Roast Beef mit Ei, Orzo-Nudeln und einer süßen chinesischen Soße) und auf Bows Empfehlung "Mentaiko crab mantou" (Frittierte Butterkrabben mit Mentaiko-Creme, serviert in einer Art weichen Brötchen). Dazu trinken wir importiertes Pale Ale aus einer japanischen Brauerei. Auch wenn sich manches hier Beschriebene merkwürdig anhört und nicht selten auch so aussieht: Es schmeckt hervorragend!
Weitere Bilder der ausgefallenen Gerichte sehen Sie auf der Instagram-Seite des "Sin Lee Foods".
"East Coast Park": Radtour am Strand
Mit gut gefüllt Mägen fahren wir raus aus der Stadt. Glücklicherweise hat unsere nächste Station mit Bewegung zu tun. Das Ziel: der "East Coast Park", ein Freizeit- und Erholungsgebiet zwischen Zentrum und Flughafen. "Fast alle Singapurer kommen hier hin, um abzuschalten und hin und wieder der Stadt zu entfliehen", erklärt Bow. Touristen sehe ich hingegen auch hier kaum. Der Park erstreckt sich 15 Kilometer entlang mehrerer Sandstrände – und am besten erkundet man ihn mit dem Fahrrad. Mehrere Verleihe bieten gut gepflegte Räder ab 4 S$ pro Stunden an – wir entscheiden uns für die etwas teureren, aber schickeren Fixie-Räder.

Der Radweg führt dicht am Ufer vorbei, das Meeresrauschen stets in Hörweite. Die Aussicht aber wird etwas getrübt durch die unzähligen Container-Schiffe, die draußen auf dem Wasser liegen und darauf warten in den zweitgrößten Hafen der Welt einzulaufen. Bow stört der Anblick nicht. "Das gehört doch zu Singapur", sagt sie. Und auch, dass hier niemand im Meer badet, fällt ihr – ganz anders als mir – nicht unangenehm auf. Schließlich gäbe es ja überall Pools. Wohl eher eine Singapur eigene Sichtweise, die ich nicht zum ersten Mal höre.
Dennoch lohnt der Ausflug an die Küste: Der Radweg führt unter prächtigen Regenbäumen entlang und ist an Wochentagen wenig befahren. Eine wunderbare Abwechslung zum hektischen Treiben der Metropole. Und dann ist da noch die Pause: Wir machen Halt am "East Coast Lagoon Food Village" – und anders, als mich der Name befürchten lässt, kommen wir nicht zum Essen. Bow bestellt uns einen frischen Zuckerohrsaft.

Die Zuckerpflanzen werden immer wieder durch zwei rotierende Walzen gepresst. Heraus kommt ein grüner, etwas dickflüssiger und extrem köstlicher Saft. Eisgekühlt genau das Richtige bei schwülen 34 Grad, die nahezu täglich in Singapur herrschen. "Das hier ist der beste Zuckerrohrsaft der Stadt", sagt Bow, während wir wieder zu unseren Rädern gehen. "Aber schmeckt der nicht überall gleich?", frage ich zurück. "Doch natürlich", sagt sie, "aber schau doch: Wir können ihn direkt am Strand genießen."
Eine Übersicht der Fahrrad-Verleihe im "East Coast Park" finden Sie hier.
"Chye Seng Huat Hardware": Wo Kaffee zelebriert wird
Wer in gängigen Reiseführern blättert, wird lesen: Kaffee heißt in Singapur Kopi. Im Café "Chye Seng Huat Hardware", unserer letzten Station, ist es mit den Namen etwas schwieriger. Die Kaffees hier heißen "Suke Quto", "Tobing Estate" oder "Koke" und ihre Beschreibungen lesen sich wie Weinetiketten.

"Ich komme hier oft mit Freunden her, um zu quatschen", erzählt Bow. Und natürlich um guten Kaffee zu trinken, denn das sei jungen Singapurern ausgesprochen wichtig. "Chye Seng Huat Hardware" unterstreicht diese Aussage: neben dem Café gehört zu dem hippen Laden auch eine eigene Rösterei sowie ein Geschäft, in dem es Porzellan- sowie Glasfilter und allerlei weitere Accessiors für den handgebrühten Kaffee zu kaufen gibt.

Der Barista empfiehlt mir einen "Koke" aus Äthiopien, dieser habe Aromen von Erdbeere, Mango, Aprikose und Toffee im Abgang. Das klingt gut, und schon macht sich der Herr in Jeansschürze an die Zubereitung. Immer wieder überprüft er mit einem Temperaturmesser, ob das Wasser auch die richtige Gradzahl hat, bevor es schluckweise und kreisförmig in den Filter schüttet. Und lohnt der ganze Aufwand? Ich habe zumindest selten einen besseren Kaffee getrunken.
Mehr Eindrücke vom "Chye Seng Huat Hardware" bekommen Sie auf der Website cshhcoffee.com.
Bonus: Wie klingt eigentlich Singlish?
Bow und ihr Onkel Too Hee führen vor, wie sich Englisch und Singlish unterscheiden. Zuerst folgt ein Dialog auf Singlish, dann folgt derselbe Text auf Englisch. Machen Sie den Test: Verstehen Sie worum es geht?
