Die Homepage der Stiftung
Vor zwei Jahren brach der Wirtschaftsstudent Matti Spiecker mit zwei Kommilitonen zu einer Weltreise der besonderen Art auf: Acht Monate lang reisten sie um den Globus, besuchten sozial engagierte Menschen und informierten sich über deren Projekte. Per Internet und Videokonferenzen nahmen 20 deutsche Partnerschulen an dem Projekt teil. GEO.de begleitete die Reise mit einem Tagebuch.
Mit den gesammelten Erfahrungen im Gepäck gründete Spiecker nun die Stiftung Welt:Klasse. Je zwölf Schüler von zwei Schulen reisten für vier Wochen nach China und nach Thailand - nicht nur, um Land und Leute kennen zu lernen.
GEO.de: Welche Idee steckt hinter der Stiftung Welt:Klasse?
Matti Spiecker: Wir haben während der "Expedition Welt" mit Videokonferenzen gearbeitet und festgestellt, dass sich die deutschen Schüler so auch für abstrakte Themen wie Globalisierung oder soziales Engagement begeistern lassen. Das wollten wir fortführen. Nur dass jetzt die Schüler selbst in die Multiplikatoren-Rolle schlüpfen, die wir vorher gespielt haben. Die Schüler reisen in kleinen Teams in die Länder, arbeiten in Sozialprojekten und berichten in Videokonferenzen ihren Klassenkameraden von ihren Erfahrungen und Recherchen.
Welche Fragestellungen werden vorher im Unterricht erarbeitet?
Das sind zum Beispiel wirtschaftliche Fragen: Woher beziehen die Menschen ihr Einkommen? Woher kommen die Waren auf dem Markt, wie sind die Preise? Oder aus dem Bereich Kultur und Religion: An was glauben die Menschen? Wie sind die Familienstrukturen? Wie ist die Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen?
Zu den Partnerländern gehört auch China. Sprechen die Schüler mit den Einheimischen über Menschenrechte?
Natürlich wird das vorher an der Schule diskutiert. Aber wir ermutigen die Schüler nicht explizit dazu, dieses Thema bei ihren Gastgebern anzusprechen. Im Gastland geht es ja vor allem darum, zu beobachten, um die gewonnen Eindrücke anschließend im Unterricht zu reflektieren und mit den Klassenkameraden zu teilen.
Wie klappt die Zusammenarbeit mit den chinesischen Behörden?
Wir haben das Glück, mit einer lokalen Organisation für kulturellen Austausch zusammenzuarbeiten, die sehr gute Kontakte zu den Behörden hat. Unsere Erfahrungen sind durchweg gut.
Nach welchen Gesichtspunkten wählen Sie die Partnerländer aus?
Uns ist es wichtig, mit Ländern aus anderen Kulturräumen zusammenzuarbeiten, zu denen wirtschaftlich ein reger Kontakt mit Deutschland besteht. Bei der Auswahl zusätzlicher Partnerländer kommt daher Indien viel eher in Frage als beispielsweise Burkina Faso. Nicht zu vergessen: die Sicherheit der Schüler.
Wie nehmen Sie die Auswahl der Schüler vor?
Wichtig ist, dass es Schüler sind, die motiviert sind, eine Multiplikator-Funktion zu übernehmen. Die ihre Erfahrungen mit ihren Mitschülern teilen wollen. Die sich als Botschafter verstehen. Sie brauchen eine gewisse soziale Kompetenz, um auf die Menschen zuzugehen. Sie müssen für den Zeitraum andere Gewohnheiten respektieren und sich zurücknehmen.
Welches Feedback bekommen Sie von den Schülern?
Die Schüler kommen durch die Bank enthusiastisch von ihrem Aufenthalt wieder. Meist berichten sie, dass sie einen ganz anderen Blick auf die Länder gewonnen haben - und meist einen positiven. Sie werden offener und möchten auch andere Kulturen kennen lernen. Das ist gar nicht selbstverständlich: In einer der ersten Vierer-Gruppen waren drei Schüler, die noch nie in einem Flugzeug gesessen hatten.
Wo möchten Sie, sagen wir, in fünf Jahren sein?
Für das nächste Schuljahr nehmen wir zu den beiden jetzigen Partnerschulen noch drei neue hinzu. Unser Ziel ist nicht, möglichst viele Schüler zu entsenden. Wir wollen ein kleiner, kreativer think tank bleiben. Wir wollen Konzepte entwickeln, die dann größere, schon bestehende Organisationen übernehmen und realisieren - und auf diese Weise eine Breitenwirkung entfalten.
Woher soll das Geld dafür kommen?
Langfristig von lokalen Unternehmen, die mit der jeweiligen Schule kooperieren und Stipendien für die Multiplikator-Schüler vergeben. Für die Unternehmen ist das natürlich interessant, weil sie damit die internationale Qualifikation der Schüler stärken.
Haben Sie keine Angst, dass Unternehmen irgendwann nur noch ihre eigenen Nachwuchs-Führungskräfte ausbilden?
Es sollte für die Firmen einfach selbstverständlich sein, in Bildung zu investieren. Wenn das so ist, besteht auch die Problematik nicht mehr, dass Unternehmen versuchen, möglichst früh Menschen an sich zu binden. Wir haben da bisher nur gute Erfahrungen gemacht.
Interview: Peter Carstens
Buchtipp
In ihrem Buch "Expedition Welt" porträtieren Jan Holzapfel, Tim Lehmann und Matti Spiecker "Sozialunternehmer" aus aller Welt. Außerdem geben die drei Wirtschaftsstudenten von der Universität Witten/Herdecke konkrete Tipps, wie junge Menschen selbst aktiv werden können.
Die Homepage der "Expedition Welt"