Der Brite lebt mit seiner Verlobten in Brighton und arbeitet bei einem Energieversorger. Viel lieber würde er von seiner Fotografie leben. Seinen Blick für skurrile Situationen im Alltag hat er sich auf jeden Fall bewahrt, wie die restlichen Bilder auf seiner Webseite zeigen.
Ian Hughes wollte eigentlich Foto-Journalist werden, doch dann verbrachte er acht anstrengende aber auch unterhaltsame Jahre auf Kreuzfahrtschiffen. Sein Job war es, die Passagiere zu porträtieren um ihnen die Bilder danach gewinnbringend zu verkaufen. In 99 Prozent der Fälle sei ihm das auch gelungen, sagt Hughes. Doch das ein oder andere Mal erschreckte er die Reisenden mit seiner Kamera oder traf sie in unglücklichen Momenten. Auf diesen Bilder blieb er nach jeder Reise sitzen, die skurrilsten Schnappschüsse nahm er mit. Rund 20 Jahre nach seiner letzten beruflichen Kreuzfahrt veröffentlichte er nun diese Fehlschuss-Sammlung. Ungewollt komisch, teilweise gar etwas surreal zeichnen die Aufnahmen ein Bild der amerikanischen Kreuzfahrtindustrie in den 1990er Jahren. Im Interview erzählt er wie er überhaupt zu dem Job kam und warum er ausgerechnet das Bild einer deutschen Passagierin lieber für sich behält.
GEO.de: Wie sind Sie darauf gekommen als Kreuzfahrtfotograf zu arbeiten?
Ian Hughes: Ich habe in der Nähe von Liverpool Fotografie studiert, mit dem Ziel Fotojournalist zu werden. Doch dann hörte ich von einem Freund der Familie, der eine tolle Zeit als Fotograf auf Kreuzfahrtschiffen zu haben schien. Er lebte in Miami und kam jedes Jahr mit einer neuen exotischen Freundin nach Hause, die Taschen voller Geld und aufregenden Geschichten von unterwegs. Ich war zu dem Zeitpunkt nur einmal mit dem Bus in Paris gewesen, und wollte unbedingt mehr von der Welt sehen. Ich pausierte also kurzentschlossen mein Studium und angelte mir einen Job bei der "Cruiseship Picture Agency" in Miami. Das war 1989. Ich war 19 Jahre alt. Als ich wieder nach Hause kam, waren acht Jahre vergangen – und ich hatte auf 15 Schiffen gelebt und gearbeitet.
GEO.de:Wie würden Sie Ihren damaligen Alltag beschreiben?
Ian Hughes: Als Crew-Mitglied war jeder Tag durchaus interessant. Gefrühstückt habe ich oft mit Comedians, Pianisten, Tänzern und Zauberern an einem Tisch - alle Teil der Crew. Unsere freie Zeit haben wir entweder an Land verbracht oder in der Crew-Bar. Als Fotograf hatte ich allerdings recht wenig Freizeit. Wir haben jeden Tag lang und viel gearbeitet: fotografiert, Fotos entwickelt, vervielfacht und verkauft. Am Ende einer jeden Kreuzfahrt habe ich mir dann einen Spaß daraus gemacht, die übriggebliebenen Bilder nach lustigen Schnappschüssen durchzuschauen. So bin ich am Ende zu der skurrilen Kollektion gekommen, die ich auf meiner Webseite veröffentlicht habe.
GEO.de:Was ist Ihre persönliche Lieblingsgeschichte aus dieser Zeit?
Ian Hughes: An meinem ersten Tag auf dem damals größten Kreuzfahrtschiff, der SS Norway, beauftragte mich der Chef-Fotograf damit, die Müllbeutel aus der Dunkelkammer in den großen Container unter Deck zu bringen. Irgendwie habe ich es dabei auch geschafft eine Tasche mit fünf Leica-Kameras im Gesamtwert von 5000 Dollar in den Müll zu schmeißen. Zur Belohnung durfte ich am nächsten Tag in den großen Container klettern, durch faulendes Essen stiefeln und die Kameras suchen. Ich habe sie tatsächlich gefunden. Warum das allerdings meine Lieblingsgeschichte ist, weiß ich gerade selbst nicht.
GEO.de:Manche der Protagonisten auf Ihren Bildern sehen nicht wirklich glücklich aus. Woran könnte es gelegen haben?
Ian Hughes: 99 Prozent der abertausenden Bilder, die wir auf jedem Schiff gemacht haben, zeigten glückliche Reisende. Aber diese Bilder waren nicht wirklich einprägsam, an die erinnert sich wahrscheinlich heute kaum noch jemand. Die Bilder aus meiner Kollektion sind so schlecht, dass sie eben schon wieder witzig sind. Unser Job war es schöne Bilder von den Passagieren zu machen, so dass sie diese dann auch kaufen würden. Bei allen anderen haben wir einfach einen schlechten Job gemacht. Oftmals sind sie entstanden, als die Passagiere überhaupt nicht damit gerechnet haben, fotografiert zu werden. Die "Welcome Aboard"-Bilder haben wir gleich beim Betreten des Schiffes gemacht, da hatten die Reisenden bereits einen Langstreckenflug und/oder eine lange Wartezeit in der Hitze Miamis hinter sich. Da hätte ich wahrscheinlich auch so grimmig geguckt.
GEO.de:Gab es Menschen, die es partout nicht mochten, fotografiert zu werden?
Ian Hughes: Ja! Die Deutschen. Sie haben uns jedes Mal weggescheucht bevor wir überhaupt auf den Auslöser drücken konnten. Eine Dame hat mir sogar beim Abendessen mit einem Messer gedroht. Ich habe sie dennoch fotografiert. Ihr Bild gebe ich allerdings nicht weiter, sonst jagt sie mich wieder mit dem Messer.
GEO.de:Haben Sie ein Foto an dessen Entstehung Sie sich noch genau erinnern können?
Ian Hughes: Ich erinnere mich noch genau daran, wie ich die ältere Dame mit der kleinen, gelben Sonnenbrille fotografiert habe. Auch der vollschlanke Amerikaner auf dem Kamel reitend ist in meinem Gedächtnis hängen geblieben. Vielleicht auch deswegen, weil es von Anfang an witzige Motive waren. Die anderen Bilder sind reine Zufälle. Da wir in Teams gearbeitet haben, kann es sogar sein, dass ich sie gar nicht gemacht habe.
GEO.de:Nach allem, was Sie erlebt haben, würden sie jemals privat auf Kreuzfahrt gehen?
Ian Hughes: Ich habe immer gesagt, dass ich niemals eine Kreuzfahrt machen würde, weil ich es in meinem Urlaub bevorzuge, nicht unter Menschen zu sein. Aber ich habe einen guten Freund in Florida, der Kreuzfahrten verkauft und er hat eine Wiedersehens-Kreuzfahrt für die ehemaligen Crew-Mitglieder organisiert. Da konnte ich nicht widerstehen. Es war schon komisch, immer wieder wollte ich durch die Tür "Nur für Personal" laufen, aber ich durfte nicht. Dafür habe ich restlos alle Bilder gekauft, die die Fotografen von uns gemacht haben.
