»Ein Alphorn muss man spielen, sonst klingt es irgendwann nicht mehr«, hatte Pius Feurstein am Abend in seiner kleinen Berghütte noch gesagt. Und am nächsten Morgen tut er genau das: Er spielt sein Alphorn – vor dem grünen Oldtimer-Bulli, in dem Sandra übernachtet hat. »So schön bin ich noch nie geweckt worden«, sagt die 33-jährige Ärztin aus Bochum und schnappt sich ihre Kamera, die für die fünf Tage Fotoworkshop ihr Arbeitsgerät ist. Allerdings fühlt es sich nicht nach Arbeit an, als sie Pius und sein XXL-Instrument fotografiert. Auch weil die Vorarlberger Gipfel ihren Job als Bilderbuch-Hintergrund so hervorragend machen.
Unterschiedlicher könnte der nächste Stopp des Alpenroadtrips nicht ausfallen: Der Bulli wird offizielles Begleitfahrzeug des Vorarlberger Moped Ride. 800 Mopeds – keines jünger als 30 Jahre – rasen auf 190 Kilometern fünf Pässe hinauf. Wobei »rasen« dramatischer klingt, als es in Wirklichkeit ist: 4200 Höhenmeter müssen die Retro-Gefährte bewältigen – und sind entsprechend meist eher gemächlich unterwegs. So kann Sandra die Fahrer herauswinken und sich von Hauke Tipps für Porträtaufnahmen holen. »Mal bin ich gelegen, mal gekniet, alles für die beste Perspektive. Da noch eine schwere Kamera zu halten, war gar nicht so einfach.« Die Retro-Biker machen zum Glück jeden Spaß mit. Warum auch nicht? Viele sind mit bestickten Westen, unter wilden Perücken oder in Tierkostümen unterwegs. Wer so fährt, fällt ohnehin auf.
Hervorragender Geschmack, erstklassiges Motiv
Wesentlich ruhiger wird es, als Sandra und Hauke den Bulli in Jodok Dietrichs Scheune im Vorsäß Schönenbach parken. Das restaurierte Bauernhaus der Familie nutzen Jodok und seine Frau für Workshops, von Yoga bis zum Schuhenähen. Für Sandra und Hauke hat der gelernte Koch frische Forellen besorgt, die, in Tannenreisig drapiert, nicht nur erstklassig als Fotomotiv dienen, sondern nach dem Brutzeln über dem Lagerfeuer ebenso schmecken. Beim Essen wird über das Glück in den kleinen Dingen sinniert, und am Ende sind die nicht immer geradlinigen, aber deshalb umso erfüllenderen Lebensläufe von Pius und Jodok und all den Menschen, die Sandra und Hauke begegnen, wie die Porträts, die von ihnen entstanden sind: Da geht es auch nicht nur um das perfekte Foto, sondern darum, den echten Menschen zu zeigen.