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Archäologie: Schatzsuche für die Wissenschaft

Archäologie ist eine faszinierende Disziplin, leidet aber unter knappen Ressourcen - Unterstützung ist an vielen Ausgrabungsstätten hoch willkommen

Inhaltsverzeichnis

In der Vergangenheit graben

Noch bedeckt Gras die obere Erdschicht des Grundstücks im Neubaugebiet der bayerischen Gemeinde Tiefenbach, etwa 70 Kilometer nordöstlich von München. Dann wird schweres Gerät in Stellung gebracht: 15 Hobbyarchäologen sehen mit gemischten Gefühlen zu, wie der Baggerfahrer so behutsam es geht etwa 20 Zentimeter Boden abträgt. "Eigentlich würden wir die Erde lieber mit der Schaufel abtragen. Aber das kostet zu viel Zeit und somit zu viel Geld", sagt Elmar Stöttner, Pressereferent des Landratsamts Landshut und passionierter Hobbyarchäologe. Und fügt mit bitterem Unterton hinzu: "Das reiche Bayern gibt für Archäologie weniger Geld aus als Mecklenburg-Vorpommern."

Beim Bau von Umgehungsstraßen und Wohnhäusern werden immer wieder Zeugnisse der Vergangenheit aufgedeckt: Keramik, Feuerstellen, Holzpfosten, Hügelgräber. Doch es fehlt an Personal, um diese Funde zu erfassen und auszuwerten. Aus diesem Grund initiierte Stöttner 2004 im Landkreis Landshut das Projekt "Abenteuer Archäologie". Seither treffen sich jedes Jahr im Juli und August etwa 50 Interessierte, um wenigstens die wichtigsten Funde zu sichern. Sonja Lorenz, Sozialpädagogin aus Bielefeld, ist im Juli 2007 zum ersten Mal dabei. "Früher wollte ich Archäologin werden. Und schon damals interessierte mich das Alltagsleben der Menschen von einst mehr als monumentale Bauwerke wie die Cheops-Pyramide. Wie hat man vor mehreren tausend Jahren hier an diesem Ort gelebt?"

Bei den Urahnen in Spanien: Zeugnisse der Neandertaler werden gesichert
Bei den Urahnen in Spanien: Zeugnisse der Neandertaler werden gesichert
© Earthwatch

Kalenderblätter der Archäologie

Bevor sich die Archäologen Schicht für Schicht durch die Zeit buddeln können, muss die Grabungsfläche mit einer flachen Harke "abgezogen" werden. "Ganz schön anstrengend", sagt Sonja Lorenz. Aber auch spannend. Dunkle Stellen zeichnen sich im dünnen Erdreich ab, ein etwa anderthalb Meter breiter Streifen: Überreste eines Grabens, den Dorfbewohner der Jungsteinzeit um ihre Siedlung gezogen haben. Die ausgehobene Erde wurde zu einem Wall aufgeschichtet. Wenig später entdecken die Hobbyarchäologen auf der Siedlungsfläche eine Abfallgrube und werden geradezu euphorisch. Was damals Müll war, ist heute ein Schatz, etwa die Keramikscherben. Stöttner nennt sie "Kalenderblätter der Archäologie". Auf einigen lassen sich noch die markanten Muster der so genannten Linienbandkeramiker erkennen. Das waren, von 5600 bis 5000 v. Chr., die ersten sesshaften Bauern in Deutschland. Ihre Spuren findet man an vielen Orten in Europa, doch nur im Landkreis Landshut hat sich durch glückliche Umstände der Originalboden eines ihrer Dörfer erhalten. Überhaupt scheint der Boden dieser Region sehr geschichtsträchtig zu sein: 50 Kilometer östlich, bei Landau, fand ein Rentner in seinem Gemüsegarten rund 400 goldene Regenbogenschüsselchen (tellerförmige Goldmünzen).

In Tiefenbach greift erneut Aufregung um sich. Die Hobbyschatzsucher entdecken einen Ofen aus Feldsteinen. Gabriele Skarban, Hausfrau aus Pentling bei Regensburg, hat seit dem Start des Projekts jedes Jahr eine Woche mitgearbeitet. "Ich durfte schon ein Skelett ausgraben", sagt die 47-Jährige. "Ein anderes Mal war ich bei einer Notgrabung dabei: Ein Baggerfahrer hatte beim Bau einer Straße fünf Meter vor einem Urnengrab gestoppt, wir haben noch viel bergen können - die Baufahrzeuge warteten schon." Das sind Themen, über die Hobbyarchäologen reden, wenn sie im Hotel "Wadenspanner" noch bei einem Bier sitzen - "bevor man", so Skarban, "nach einem langen Grabungstag platt ins Bett fällt."

INFO

Bis zu 16 Teilnehmer graben sich unter Anleitung eines Archäologen durch das Erdreich. Gearbeitet wird an fünf Tagen von 8 bis 13 Uhr. Sechs Tage Übernachtung mit Frühstück im Hotel "Wadenspanner", Brotzeit und Getränke bei der Arbeit, Versicherung, vier Exkursionen zu archäologischen Fundstätten, Museen und Biergärten sowie eine Stadtführung durch Landshut kosten ab 860 Euro pro Person im DZ. Voraussichtliche Termine für 2008: 13. bis 19. Juli, 20. bis 26. Juli, 27. Juli bis 2. August, 3. bis 9. August. Elmar Stöttner, Landratsamt Landshut, Tel. 0871-40 81 35, www.archaeologie-lk-landshut.de

Neandertaler-Höhlen erkunden

In der südostspanischen Provinz Murcia, unweit von Granada, können sich Freiwillige an den Ausgrabungen in sechs großen Höhlen beteiligen. Mehrere Funde, etwa eine Feuerstelle und Steinwerkzeuge, deuten darauf hin, dass hier einst Neandertaler lebten. Im Rahmen des Projekts "Early Man in Spain" wird nach Fossilien und Artefakten gesucht. Während sich die Profi-Archäologen durch enge Stollen zwängen und mit ihren Lampen die Wände von Kavernen absuchen, arbeiten die Amateure meist in der größten Höhle "Cueva Victoria". Vorteil: Durch Öffnungen in der Decke dringt natürliches Licht.

INFO

Freiwillige sollten sich für mindestens zwei Wochen verpflichten. Kosten: 1725 Euro, inkl. Unterkunft, Verpflegung und Beteiligung an den Kosten der Ausgrabung; ohne Anreise. Termine: 1. bis 14. Juli, 19. Juli bis 1. August, 2. bis 15. September. Earthwatch Institute, Großbritannien, Oxford, Tel. 0044-1865-31 88 31, www.earthwatch.org

Ein Königreich suchen

Seit 2002 sucht der britische Archäologe Roger Martlew mit einigen Freiwilligen nach Beweisen für die Existenz eines bisher unbekannten Königreichs auf englischem Boden. "Craven" soll zwischen dem 5. und 7. Jahrhundert in der heutigen Grafschaft Yorkshire entstanden sein. Um 400 waren die Römer von Britannien abgezogen (man brauchte die Soldaten für den Kampf gegen die Germanen), hatten dort ein Machtvakuum hinterlassen, so kam es zu Stammesfehden und Kriegen - ehe sich, wie Martlew vermutet, diese neue Dynastie bildete.

INFO

Die 15-tägige Reise kostet ab 2095 Euro im DZ/HP, inkl. Spende, ohne Anreise. Termine: 6. bis 20. Juni, 4. bis 18. Juli. Earthwatch Institute, Tel. 0044-1865-31 88 31, www.earthwatch.org

Den Tropenwald durchforsten

Die Universität Hawaii hat 2007 ein außergewöhnliches Archäologieprojekt gestartet: Studenten der Anthropologischen Fakultät suchen gemeinsam mit ehren amtlichen Helfern im Botanischen Garten "Lyon Arboretum" nahe der Hauptstadt Honolulu nach Zeugnissen der polynesischen Ureinwohner. Das können landwirtschaftliche Relikte, alte Steinmauern, aber auch Werkzeuge sein. Es finden keine Ausgrabungen statt, zum Schutz der einzigartigen Vegetation wenden die Studenten nur überirdische und schonende Methoden an. Meist gehen die Wissenschaftler in Abständen von fünf bis zehn Metern durch den Wald und kartieren alle Fundstücke. Das Projekt dient auch dazu, Nachwuchswissenschaftler praktisch auszubilden.

INFO

Weder feste Termine noch eine Mindestaufenthaltsdauer. Freiwillige können einen Tag oder auch für längere Zeit mitarbeiten. Die Teilnahme kostet nichts. Allerdings stellt die Universität auch keine Verpflegung und keine Unterkunft. University of Hawaii, Department of Anthropology, Honolulu, Tel. 001-808-956-84 15, http://lyonarchaeology.wordpress.com

Spuren im heiligen Land folgen

Beim Bau eines Fußballplatzes am See Genezareth fanden Archäologen vor einem halben Jahrhundert die Ruinen der antiken Stadt Tiberias: Teile der Stadtmauer sowie Reste von Häusern, Zisternen und einer byzantinischen Kirche. Seither forschen hier archäologische Teams besonders intensiv, denn Tiberias, einst Hauptstadt Galiläas, gilt als Schlüsselort in der Geschichte des Judentums. In der vom Sohn des Herodes gegründeten Stadt soll urchristlichen Quellen zufolge Johannes der Täufer hingerichtet worden sein. Tiberias war auch Sitz einer berühm ten Talmudschule und wurde in der Zeit der Kreuzzüge heftig umkämpft.

INFO

Der Einsatz dauert einen Monat. Die freiwilligen Helfer reisen samstags an und arbeiten bis Donnerstag, täglich von 6 bis 14 Uhr. Mindestaufenthalt: eine Woche.

Shulamit Miller c/o Tiberias Excavations, The Hebrew University of Jerusalem, Israel, Fax 00972-2-582 55 48, www.tiberiasexcavation.com

GEO SAISON Nr. 03/2008 - Italien für Entdecker

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