Aktuelle Studie Trotz strikten Verbots: In der EU floriert der Handel mit Elfenbein

Netsuken – kleine, oft aus Elfenbein geschnitzte Figuren – entstanden im Japan des 17. Jahrhunderts. Heute sind sie begehrte Sammlerobjekte
Netsuken – kleine, oft aus Elfenbein geschnitzte Figuren – entstanden im Japan des 17. Jahrhunderts. Heute sind sie begehrte Sammlerobjekte
© piemags / imago images
Der Verkauf von Elfenbein ist in der EU seit Anfang 2022 streng beschränkt. Doch der Handel im Internet geht trotzdem weiter. Das zeigt eine aktuelle Studie im Auftrag der Tier- und Artenschutzorganisation International Fund for Animal Welfare (IFAW). Wir sprachen mit Robert Kless, IFAW-Regionalvertreter für Deutschland und Europa, über die Ergebnisse

GEO: Der Handel mit Elfenbein ist in der EU seit Anfang 2022 strikt begrenzt. Als Laie könnte man meinen: unmöglich. Zu welchem Ergebnis kommt die Studie, die Sie in Auftrag gegeben haben?

Robert Kless: Das Ziel der Studie war, einen Eindruck zu bekommen, wie wirkungsvoll die neuen, sehr weitreichenden Einschränkungen sind. Leider geht der Handel mit Elfenbein im Internet in einem erheblichen Maß weiter. So wurden innerhalb von nur etwa drei Wochen auf 49 verschiedenen Online-Marktplätzen und Auktionshaus-Websites 1330 Elfenbein- und mutmaßliche Elfenbeinartikel zum Verkauf angeboten. Nur jedem zehnten Angebot war ein Legalitätsnachweis beigefügt.

Was wird denn am häufigsten angeboten?

Das ist in allen sieben EU-Ländern, die wir untersucht haben, unterschiedlich. Die Masse der Elfenbeinangebote in Deutschland sind kleine Schnitzereien, darunter sogenannte Netsuken aus dem asiatischen Raum, aber auch Miniaturmalereien. Oft ist nicht leicht zu entscheiden, ob es sich um Elfenbein, Knochen oder zum Beispiel Holz handelt. Gefunden haben wir EU-weit aber auch 18 Angebote von unbearbeitetem Elefantenelfenbein, das nur für die Reparatur von älteren Musikinstrumenten oder "bedeutenden" antiken Kunstwerken verwendet werden darf. In keinem Fall gab es einen Legalitätsnachweis.

Unter den bemängelten Angeboten sind auch Klaviere.

Das sind ältere Instrumente mit einem Elfenbeinbelag auf den Tasten. Letztlich ist der Handel nur legal, wenn sie vor 1975 gebaut wurden und beim Verkauf eine behördliche Genehmigung vorgelegt wird. Klaviere, die nach 1975 mit Elfenbein gebaut wurden, sind, so weit ich weiß, äußerst selten.

Robert Kless ist IFAW Regionalvertreter Deutschland & Europa und Experte für das Thema Wildtierkriminalität
Robert Kless ist IFAW Regionalvertreter Deutschland & Europa und Experte für das Thema Wildtierkriminalität
© IFAW

Warum ist es überhaupt so wichtig, dass Gegenstände aus Elfenbein nur unter Auflagen verkauft werden dürfen?

Die EU gilt nach wie vor als drittgrößter Absatzmarkt weltweit für illegal gehandelte Wildtiere und Wildtierprodukte und ist auch ein wichtiger Umschlagplatz für Elfenbein. Das Problem ist: Immer, wenn Elfenbein auf den Markt kommt, ob legal oder illegal, heizt das die Nachfrage weiter an und hält den Handel am Laufen – und damit auch die Wilderei auf Elefanten und den Schmuggel mit Elefantenelfenbein.

Der Präsident von Botswana wollte der deutschen Regierung kürzlich 20.000 Elefanten schenken, weil die sich in seinem Land, wie er sagt, stark vermehrt haben und zum Problem werden. Ist es überhaupt noch erforderlich, den Handel mit Elfenbein so strikt zu beschränken?

Die Elefantenbestände in Afrika sind weiterhin unter großem Druck. In den 1970er-Jahren gab es 1,3 Millionen Elefanten in Afrika, heute sind es um die 400.000, das ist ein Populationsrückgang von 70 Prozent. Nach wie vor gibt es viele Regionen in Afrika, in denen die Elefanten und deren Lebensräume stark bedroht sind – sei es durch Wilderei, sei es auch durch neue Probleme wie den Klimawandel.

Und den Online-Plattformen ist es egal, was verkauft wird?

Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt auch gute Beispiele für Plattformen, die sich der Problematik bewusst und bereit sind, gemeinsam mit uns Lösungen zu entwickeln, um illegalen Wildtierhandel oder Handel mit illegalem Elfenbein zu verhindern. Dafür brauchen sie entsprechende Schlagwortfilter, Monitoringsysteme und gut geschulte Mitarbeitende, die verdächtige Angebote prüfen können. In der Coalition to end Wildlife Trafficking Online haben sich NGOs wie IFAW oder WWF und eine Reihe von internationalen Unternehmen zum Ziel gesetzt, deren Plattformen sicherer und sauberer zu machen.

Was empfehlen Sie?

Der Onlinehandel ist schnell, oft anonym, und es ist schwer nachzuvollziehen, was tatsächlich angeboten wird. Oft wissen Menschen selbst nicht, was sie da verkaufen. Es muss gar keine kriminelle Absicht dahinterstecken. Darum raten wir davon ab, über das Internet Wildtiere oder Wildtierprodukte zu kaufen – und empfehlen, möglicherweise illegale Angebote den Plattformbetreibern zu melden.

Zollbeamte in Bangkok mit Elfenbein
Thailand, Bangkok: Thailändische Zollbeamte inspizieren in Bangkok geschmuggelte und beschlagnahmte Elefantenstoßzähne aus Nigeria
© Sakchai Lalit/AP/dpa

An die EU und die nationalen Behörden haben wir die Erwartung, dass die neuen Regelungen effektiv umgesetzt und Schlupflöcher geschlossen werden. Es braucht verbindliche und EU-weit einheitliche Vorgaben, etwa dazu, wie zukünftig nachgewiesen werden soll, dass es sich tatsächlich um antikes Elfenbein handelt. Bisher waren die Plattformen auch noch nicht verpflichtet, von den Angebotserstellern einen Legalitätsnachweis einzufordern. Das wird sich allerdings durch den Digital Services Act der EU ändern. Zukünftig wird jede Anzeige, der kein Legalitätsnachweis beigefügt ist, illegal sein.

Und damit ist dann jede Art von Betrug ausgeschlossen?

Nein. Darum empfehlen wir als Tier- und Artenschutzorganisation, dass man den Internethandel mit Wildtieren, und besonders von geschützten Wildtieren und Produkten aus solchen Wildtieren, gar nicht zulässt.

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