Gäbe es ein Ranking der am meisten unterschätzten Tierarten, dann wären sie ganz vorn mit dabei: Schweine. Die Tiere sind zu einem stumpfen – und kurzen – Dasein als Fleischlieferanten verdammt, dabei sind sie äußert sensibel, neugierig, intelligent und aufmerksam. Sie haben ein erstaunlich gutes Langzeitgedächtnis, können Alternativen abwägen und Entscheidungen treffen und sogar von ihren Artgenossen lernen: Junge Schweine, die ihre Mutter oder Tante dabei beobachten, wie sie die Schiebetür einer Futterkiste öffnen, können beispielsweise deren Lösung imitieren, um selbst an Futter zu kommen. Selbst menschliche Gesichter können sich die Tiere einprägen und voneinander unterscheiden.
Und so verblüffen Schweine in Studien regelmäßig, indem sie Fähigkeiten, die ihnen eigentlich abgesprochen wurden, mit erstaunlicher Mühelosigkeit unter Beweis stellen. Die jüngste der in das Repertoire der schlauen Schweine aufgenommenen Eigenschaften: Aufmerksamkeit gegenüber Menschen. Die Tiere sind deutlich aufmerksamer, wenn sie von Menschen angesprochen werden, zeigen Forschende des Messerli Forschungsinstituts der Veterinärmedizinischen Universität Wien.
Heimtiere wie Hunde, Katzen oder Pferde reagieren bekanntermaßen auf die menschliche Ostension, also auf Blickkontakt und direkte Ansprache. Ob auch Tiere, die nicht als Haustiere gezüchtet, sondern für die Fleischproduktion genutzt werden, über diese Fähigkeit verfügen, war bislang unklar. Deshalb untersuchten die Forschenden das Verhalten von Schweinen in diesem Zusammenhang und betrachteten dabei drei verschiedene Gruppen: landwirtschaftliche Zuchtschweine, Forschungsschweine, die zwar regelmäßig an Verhaltensstudien teilnehmen, ihre "Freizeit" aber ausschließlich unter Artgenossen verbringen, und Hausschweine, die ähnlich wie Hunde als Haustier gehalten werden.
Das Ergebnis: Alle drei Gruppen reagierten mit erhöhter Aufmerksamkeit, wenn sie von Menschen angesprochen wurden – völlig unabhängig davon, wo sie ihr Leben verbracht und wie viel Kontakt sie bereits zu Menschen gehabt hatten. Allerdings verhalf ihnen diese erhöhte Aufmerksamkeit nicht dazu, verschiedene Aufgaben zu lösen. Hund, Katze und Pferd lernen effektiver, wenn sie von Menschen gezielt angesprochen werden.
Wohlbefinden und Training könnten Problemlösungsfähigkeiten verbessern
Ob es Schweinen generell schwererfällt als Haustieren, auf diese Weise zu lernen, oder ob die gewählten Aufgaben sich einfach weniger gut für Schweine eignen, ist unklar. Die Forschenden gehen aber davon aus, dass Schweine Informationen, die von Menschen geliefert werden, anders verarbeiten als Haus- und Heimtiere, auch wenn die direkte Ansprache ihre Aufmerksamkeit ebenfalls erhöht.
"Darüber hinaus haben wir festgestellt, dass die Lebensbedingungen und Erfahrungen, wie etwa das Training, unabhängig von der Ostension, die Aufmerksamkeit und Leistung von Schweinen beeinflussen. Diese Ergebnisse verdeutlichen den Einfluss von Trainingserfahrungen und möglicherweise Wohlergehen auf die Problemlösungsfähigkeiten von Schweinen", sagt Studien-Co-Autorin Zsófia Virányi in einer Mitteilung. Insbesondere die geübten Forschungsschweine konnten Aufgaben besser lösen – unabhängig davon, wie viel Aufmerksamkeit sie den menschlichen Demonstrationen schenkten.
Möglich also, dass eine Förderung der Tiere und ein artgerechtes Umfeld, in dem sie sich wohlfühlen, ihre Leistung erhöhen würden. Schließlich sind die Lebensbedingungen von Zuchtschweinen in der Massentierhaltung nicht mit denen von Haustieren vergleichbar, von der Möglichkeit des Trainings ganz zu schweigen. Weitere Forschung soll deshalb auch eine größere Bandbreite von Arten sowie Faktoren wie Alter, Lebenserfahrung, Umfeld und Körpergröße mit einbeziehen, um herauszufinden, welche evolutionären Voraussetzungen und spezifischen Bedingungen nötig sind, damit sich Tiere von Menschen angesprochen fühlen.
Ganz gleich, was dabei schließlich herauskommt: Es ist mit Sicherheit nicht das letzte Mal, dass Schweine uns mit ihrem Können verblüffen – und uns zeigen, dass weit mehr in ihnen schlummert, als wir glauben.