Es ist das höchste der Gefühle, verschafft das tiefste Wohlbefinden: Glück versetzt uns in einen überaus behaglichen Zustand, in dem wir uns eins fühlen mit uns selbst und der Welt. Neidlos. Wunschlos. Nicht verwunderlich, dass so viele Menschen genau danach streben: glücklich zu werden – oder mindestens, Momente des Glücks zu erleben.
Doch etliche Studien haben bereits gezeigt: Wer dem Glück einen extrem hohen Wert beimisst, es in gewisser Weise zum Maß aller Dinge erhebt, wird tendenziell unglücklicher. Freilich betrifft dieser Umstand nicht alle, geht es nicht jedem und jeder, der oder die das Glück für überaus bedeutend hält und nach selbigen strebt, schlecht. Doch – wenigstens statistisch gesehen – sind Menschen, die dem Hochgefühl eine allzu herausgehobene Priorität attestieren, mit ihrem Leben unzufriedener. Leiden im Zweifel gar häufiger an psychischen Beeinträchtigungen wie Depressionen.
Nun haben Forschende der Universitäten New York, Toronto und Berkeley in Kalifornien versucht herauszufinden, worin das psychologische Phänomen fußt und wer am ehesten in Gefahr ist, vom Glück ins Unglück gestürzt zu werden. Dafür analysierten sie Fragebögen sowie Tagebuchnotizen von gut 1800 Teilnehmenden mit Blick auf deren Überzeugungen, ihr Verhältnis zum Glück, ihre jeweilige Stimmung, die subjektive Einordnung ihrer Verfassung sowie psychische Beschwerden wie etwa depressiver Symptome.
Das Ziel an sich: glücklich zu werden, ist noch kein Hindernis
Im Gegensatz zu einigen früheren Studien ergab die aktuelle Untersuchung, publiziert im Fachjournal Emotion: Das pure Streben nach Glück hatte keine nachteiligen Auswirkungen auf das Wohlbefinden. Dass also Menschen jenen Wonnezustand als sehr wichtiges Ziel für sich definieren, scheint noch kein Hindernis für dessen Erreichen zu sein.
Doch die Forschenden stießen auf einen anderen Hauptverdächtigen, der Steine in den Weg zum Glück legen kann: Meta-Emotionen. Darunter verstehen Psychologinnen Gefühle, die aufgrund der Bewertung anderer Gefühle entstehen. Wir alle kennen solche "übergeordneten" Emotionen. Sie können positiv ausfallen ("Ich liebe es zu lieben") oder negativ ("Ich ärgere mich darüber, dass ich mich vor Spinnen fürchte"). Oder auch: Ich bin traurig, dass ich nicht glücklich bin.
Vereinfacht gesagt, waren genau solche Meta-Emotionen bei einigen der Teilnehmenden am Werk. Denn auffällig war: Das Wohlbefinden derjenigen, die besonders intensiv über ihr eigenen Zustand nachdachten, sich selbst häufig fragten, ob sie in einer bestimmten Situation Glück empfinden oder nicht, war signifikant geringer.
"Dass Menschen zu viel über ihr eigenes Glücksniveau nachdenken, könnte auf der Angst gründen, nicht gut genug abzuschneiden, also nicht so glücklich zu sein wie andere Menschen", sagt Erstautorin Felicia Zerwas. Der Fokus liegt also womöglich zu stark auf dem Vergleich. Und wer sich selbst oft beobachtet, und zum Beispiel feststellt, dass er in einer erfreulichen Situation vielleicht zufrieden, aber eben nicht glücklich ist, wird Enttäuschung erleben: Das eigentlich schöne Erlebnis bekommt einen negativen Anstrich, die Stimmung trübt sich ein.
Wenn Glück unter Leistungsdruck gerät, wird es gefährlich
"Hohe Erwartungen an das eigene Glück können sich nachteilig auswirken, weil es dadurch schwieriger wird, das Glücksniveau zu erreichen, das wir uns von einem positiven Ereignis versprechen", sagt Zerwas. Gerade in den USA würden, so die Psychologin, viele gesellschaftliche Zwänge herrschen, nach dem Motto: Nur wer sich ständig glücklich fühlt, erreicht ein großes Wohlbefinden. Die Folge: Viele Menschen geraten gewissermaßen unter hohen Leistungsdruck, was ihre Gefühle angeht. Das Mantra verkehrt sich ins Gegenteil.
Was wäre die Lösung? Sicherlich, aus der Bewertungsspirale herauszukommen. Raus aus dem permanenten Selbstscan und hinein ins Erleben. Das Spüren des Moments, ohne den eigenen Blick von außen auf sich selbst zu richten. Ein äußerst nützlicher Weg ist es, so Zerwes, seinen Emotionen – seien sie positiv oder negativ – mit einer akzeptierenden Haltung zu begegnen.
Denn unser emotionales Spektrum besteht nun einmal nicht nur aus Glück, sondern aus einem ganzen Strauß an Empfindungen, die alle ihre Berechtigung haben. Und wer jedes dieser Gefühl annimmt, ob es nun Freude oder Trauer ist, Angst, Wut oder Glück, der erreicht mit höherer Wahrscheinlichkeit das, was im Leben wohl mehr zählt und nachhaltiger ist als jeder flüchtige Moment eines Hochgefühls: Zufriedenheit.