Die Silvesternacht 2019/20 wurde für viele Tiere des Zoos Krefeld zum Inferno. Mehr als 50 von ihnen starben in den Flammen, weil Brandschutzvorrichtungen fehlten – und weil sie nicht flüchten konnten. Darunter ein Schimpanse, zwei Gorillas und fünf Orang-Utans. Zwei der Menschenaffen überlebten die Katastrophe wie durch ein Wunder: mit leichteren Brandverletzungen, aber traumatisiert. Nun gibt es Streit um ihre Unterbringung.
Die beiden Schimpansen Bally (46) und Limbo (26) mussten nach der Brandnacht in eine provisorische Unterkunft umziehen: ein 42,5 Quadratmeter messender Innenraum ohne Fenster und ohne Zugang zu einem Außengehege. Tierschützer sprechen von einer "Besenkammer" oder einem "Bunkerraum". Seit über 16 Monaten haben die beiden Schimpansen diesen Raum nicht verlassen.
Tierschützer kritisierten schon im Sommer 2020 diese Unterbringung als völlig unzureichend. Denn der Raum entspricht nicht den Anforderungen des Säugetiergutachtens der Bundesregierung von 2014. Das sieht für kleine Schimpansengruppen eine Mindestgrundfläche von 200 Quadratmetern vor. Plus Außengehege in derselben Größe.
Eine Strafanzeige wegen der tierschutzwidrigen Haltungsbedingungen gegen den Zoo, die Stadt Krefeld als Haupteigentümerin und das örtliche Veterinäramt folgte. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft dauern noch an. Eine Petition gegen die tierschutzwidrige Haltung der Affen haben schon weit mehr als 37.000 Menschen unterzeichnet.
Zoo lehnt Unterbringung in einem spezialisierten Refugium in England ab
Ein Angebot aus Großbritannien, die beiden verwaisten Tiere im Wales Ape and Monkey Sanctuary unterzubringen, lehnte der Zoo unterdessen ab. Das Refugium ist auf die Rehabilitation traumatisierter Menschenaffen aus Zoos, Zirkussen und Pharmalaboren spezialisiert – und hätte die beiden Schimpansen ohne Kosten für den Zoo und die Stadt übernommen. Gegenüber dem "stern" begründete der Zoo seine Absage damit, dass die fachliche Kompetenz der Einrichtung nicht bekannt sei. Auch Pläne, die beiden Affen in einem dänischen Zoo unterzubringen, wurden aufgegeben.
Wegen des wachsenden öffentlichen Drucks gab der Zoo Anfang des Jahres zwei Gutachten in Auftrag. Sowohl das Jane Goodall Institut Global als auch das Veteriäramt Krefeld hätten bescheinigt, dass Bally und Limbo "psychisch und physisch in sehr gutem Zustand" seien, schreibt der Zoo in einer Mitteilung. Alle Tierqualvorwürfe seien "umfassend widerlegt" worden.
Anfang Mai 2021 schaltete sich die renommierte Primatologin Jane Goodall persönlich ein. "Solange der Zoo die überlebenden Tiere nicht wieder artgerecht unterbringen kann, sollten sie – selbst wenn das nur von beschränkter Dauer ist – in einem anderen Zoo untergebracht werden, der ihnen das soziale Umfeld gewähren kann, das sie brauchen“, schreibt sie in einer Stellungnahme des Jane Goodall Instituts Deutschland.
Offenbar ist man in Krefeld nicht nur daran interessiert, Bally und Limbo zu behalten. Man plane, heißt es in der Mitteilung des Zoos, ein neues Affenhaus für weitere Schimpansen. Allerdings ist zur Zeit noch nicht einmal die Finanzierung des "Artenschutzzentrums Affenpark" geklärt.
Um den Forderungen der Tierschützer entgegenzukommen, sollen die beiden Menschenaffen immerhin Zugang zu einem improvisierten Außengehege bekommen. Aber nicht gleich. "Aktuell" werde der Bauantrag für eine provisorische Außenanlage gestellt. Gut möglich also, dass die beiden Schimpansen noch Monate in dem "Bunkerraum" leben müssen. Ob die ältere von beiden, Bally, den Umzug in das neue "Heim" noch erlebt: fraglich.
Ist ein artgerechte Haltung von Menschenaffen im Zoo überhaupt möglich?
Für zahlreiche Tierschutzorganisationen ist der Neubau ohnehin keine Lösung. Denn Menschenaffen können ihrer Ansicht nach im Zoo nicht artgerecht gehalten werden. In der gemeinsamen Stellungnahme, unterzeichnet unter anderen von der Heinz Sielmann Stiftung, Vier Pfoten, dem Deutschen Naturschutzring, PETA und der Deutschen Juristischen Gesellschaft für Tierschutzrecht, "entspricht der Bau einer neuen Menschenaffenhaltung in Krefeld nicht dem Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse und dem aktuellen ethischen Diskurs". Die Tierschützer zitieren den renommierten Primatologen Volker Sommer, der Menschenaffen zutraut, eine Vorstellung von "Zukunft" zu haben. Ähnlich wie Menschen im Gefängnis würden Affen im Zoo an der Ausweglosigkeit ihrer Situation verzweifeln.
Der Zoo hält dagegen: mit dem Artenschutz. Mit dem "Artenschutzzentrum" will man in Krefeld offenbar aktiv zur Erhaltung der Spezies Pan troglodytes beitragen.
Gilt nicht, kontern die Tierschützer: "Es gibt keine Auswilderungsprojekte für Große Menschenaffen aus europäischen Zoos", heißt es in der Stellungnahme der Tierschutzorganisationen. Zudem seien Tiere aus der Gefangenschaft in der Wildnis ohnehin kaum überlebensfähig. Und mit den finanziellen Mitteln, die in Deutschland für die Zucht und die Haltung von Menschenaffen eingesetzt werden, könnten im natürlichen Lebensraum große Flächen über viele Jahre unter Schutz gestellt werden. Das würde "wesentlich besser" zum Erhalt der Art beitragen.