Funde in Europa Altes Rätsel gelöst: Fossile Knochen könnten zu einem riesigen Fischsaurier gehört haben

So könnte der Fischsaurier ausgesehen haben, zu dem bislang rätselhafte Knochenfunde gehören
So könnte der Fischsaurier ausgesehen haben, zu dem bislang rätselhafte Knochenfunde gehören
© Marcello Perillo/Uni Bonn
Seit 1850 die ersten Knochen eines unbekannten Lebewesens gefunden wurden, rätselt die Forschung: Um welches Tier handelt es sich? Eine neue Studie zeigt: Es sind wohl Überreste eines gigantischen Fischsauriers

Als der britische Naturforscher Samuel Stutchbury im Jahr 1850 in der Nähe von Bristol einen großen, zylinderförmigen, versteinerten Knochen fand, begann das Rätselraten. Dass es sich um den Überrest eines heute ausgestorbenen Lebewesens handelte, war naheliegend. Aber zu welcher Art gehörten die Skelettteile? Hatte Stutchbury vielleicht eine bislang unbekannte Spezies entdeckt?

Weitere Funde, aus der der Provence und dem nordrhein-westfälischen Bonenburg, ergaben immerhin, dass das mysteriöse Tier überall im heutigen Mittel- und Westeuropa vorkam. Wo sich vor mehr als 200 Millionen Jahren ein riesiger Ozean erstreckte.

Zu welchem Tier diese fossilen Knochen gehörten, war lange unklar. Eine neue Studie legt nun nahe: Sie stammen wahrscheinlich von Fischsauriern
Zu welchem Tier diese fossilen Knochen gehörten, war lange unklar. Eine neue Studie legt nun nahe: Sie stammen wahrscheinlich von Fischsauriern
© Marcello Perillo/Uni Bonn

Seither spekuliert die Fachwelt über die Identität des rätselhaften Lebewesens. Handelte es sich um ein ausgestorbenes krokodilähnliches Landlebewesen, wie Stutchbury angenommen hatte? Waren es Langhals-Dinosaurier oder Stegosaurier, wie andere nach ihm spekulierten? Einer weiteren These – dass es sich bei den Tieren um Fischsaurier, so genannte Ichthyosaurier gehandelt haben könnte –, ging nun Marcello Perillo vom Institut für Geowissenschaften der Universität Bonn nach.

Versteinerte Knochenstruktur gab den entscheidenden Hinweis

Für seine im Fachmagazin PeerJ veröffentlichte Studie verglich er zunächst die Knochenstruktur der bisher bekannten Funde. "Sie alle wiesen eine ganz spezifische Kombination von Merkmalen auf. Dieser Befund legt nahe, dass sie derselben Tiergruppe zuzurechnen sind", sagt Perillo laut einer Pressemitteilung der Universität. Auffällig sei vor allem die ungewöhnliche Struktur der Knochenwand, also der harten, äußeren "Hülle" des Knochens: In ihr seien lange Stränge mineralisierten Kollagens, einer Proteinfaser, "auf eine charakteristische Weise miteinander verwoben, die in anderen Knochen bislang nicht gefunden wurde", wie es in der Pressemitteilung der Universität heißt.

Ein weiterer Vergleich, diesmal mit Fischsaurier-Knochen aus Kanada, bestätigte den Verdacht: Die Funde aus Europa sind mit großer Wahrscheinlichkeit den Ichthyosauriern zuzurechnen. Dass es sich um die Überreste von landlebenden Tieren handelt, schließt Perillo dagegen aus. Damit sind die Langhals-Dinosaurier- und die Stegosaurier-These vom Tisch.

Perillo zufolge könnte es sich bei den gefundenen Knochen um Überreste von Unterkieferknochen handeln. Das würde auch die besondere Knochenstruktur erklären: Die Tiere erreichten mit bis zu 30 Metern möglicherweise die Größe heute lebender Blauwale – ernährten sich aber von größerer Beute.

Schon beim normalen Fressen mit einer so großen Schnauze seien die Kieferknochen enormen Scherkräften ausgesetzt. "Möglicherweise nutzten die Tiere ihre Schnauze aber auch, um Beutetiere zu rammen, ähnlich wie heutige Orcas", spekuliert Perillo. Die netzartig verstärkte Knochenstruktur könnte dazu beigetragen haben, diesen Belastungen standzuhalten.

Die ersten Ichthyosaurier tauchten im frühen Trias, vor rund 250 Millionen Jahren in den Ur-Ozeanen der Erde auf. Die größten von ihnen erschienen dagegen erst vor rund 215 Millionen Jahren. Während die Dinosaurier vor rund 65 Millionen Jahren ausstarben, verschwanden die meisten Ichthyosaurier-Arten schon vor mehr als 200 Millionen Jahren.

Wie der nun "entdeckte" Ichthyosaurier tatsächlich aussah, werden wir erst wissen, wenn vollständigere Skelette gefunden werden. Klar ist bislang nur: Er war ungewöhnlich groß.