In den letzten Wochen des zweiten Weltkriegs und danach versenkten deutsche und alliierte Truppen tonnenweise nicht mehr benötigte Munition in Nord- und Ostsee: Bomben, Torpedos, Seeminen, Artillerie- und Gewehrmunition. Nach groben Schätzungen lagern rund 300.000 Tonnen allein in deutschen Seegebieten – oft in Sichtweite vom Strand.
Allein in der Kieler Förde, im Sperrgebiet Kolberger Heide, sollen 35.000 Tonnen Seeminen und Torpedos liegen – in weniger als zwölf Meter Wassertiefe. Ein Problem sind aber nicht nur giftige und explosive Munitionsreste, die an die Strände gespült werden. Denn die metallenen Hüllen von Granaten und Minen rosten im salzhaltigen Wasser vor sich hin – und über kurz oder lang gelangt der Inhalt in die Umwelt. Etwa TNT, ein häufig verwendeter Sprengstoff, oder Arsen-haltige chemische Kampfstoffe.

Neue Untersuchungen zeigen: Gift schädigt Ökosysteme
Forscher des Thünen- und des Alfred-Wegener-Instituts haben nun erstmals die Auswirkungen von austretenden Giftstoffen auf das Ökosystem untersucht. Das Ergebnis: Plattfische hatten in der unmittelbaren Umgebung der Munitionsreste eine erhöhte Leberkrebs-Rate. Und Muscheln reichern giftige Stoffe in ihrem Gewebe an. Selbst die Abbauprodukte des TNT, so die Forscher, seien noch erbgutschädigend.
"Die unmittelbare Gefahr für Strandurlauber durch versenkte und verrottende Sprengkörper, Seeminen etc. durch das TNT ist gering. Anders sieht es bei Resten von Brandbomben aus - frei werdendes weißes Phosphor kann vereinzelt an Strände angespült werden und dort von Passanten mit Bernstein verwechselt werden", sagt Michael Welling, Pressesprecher des Thünen-Instituts. Doch auch wenn von den Resten auf dem Meeresgrund kaum Gefahr für Strandurlauber ausgeht, Fischer und Sportboot-Fahrer durch Hinweise in Seekarten und Seezeichen gewarnt werden: Es besteht dringender Handlungsbedarf.

In einem internationalen Projekt sollen nun erstmals alle Weltkriegs-Altlasten erfasst und dokumentiert werden. Zusätzlich soll den zuständigen Behörden eine Empfehlung an die Hand gegeben werden, wie mit der Munition zu verfahren ist. In Einzelfällen kann etwa eine Bergung möglich und sinnvoll sein. In anderen Fällen kann es ratsam sein, die explosiven Reste am Meeresgrund abzudecken, sie an Ort und Stelle zu sprengen oder sie vorerst unter verschärfter Beobachtung zu halten: eine Aufgabe für Generationen.