Anzeige
Anzeige

Naturschutz Berlin summt

Bienenstöcke auf dem Abgeordnetenhaus? Auf der "Schwangeren Auster"? Die Biologin Corinna Hölzer erläutert im Interview, warum sie Imker auf berühmte Hausdächer der Hauptstadt schickt

Frau Hölzer, Sie wollen, dass sich Bienen in der Stadt wohlfühlen. Leben die nicht lieber auf dem Land?

Berlin gehört zu den Städten in Europa mit der größten Artenvielfalt, und die Bienen haben es hier ganz gut, weil wir eine vielfältige Stadtstruktur haben, mit Seen, Wäldern, vielen Parks und Bäumen. Außerdem ist es im Schnitt zwei bis drei Grad wärmer als im Umland. Das bedeutet, dass die Honigbienen mehr Nektar sammeln können, weil sie früher am Tag losfliegen und später heimkommen. Viele Imker aus Brandenburg kommen extra wegen der Akazienblüte mit ihren Bienenvölkern nach Berlin. Hätten wir auf dem Land weniger Monokulturen und Pestizide und mehr Ackerrandstreifen, blühende Hecken und Bauerngärten, wie noch vor 50 Jahren, fühlten sich Bienen und Imker natürlich auf dem Land wohler.

Naturschutz: Die Biologin Corinna Hölzer hatte die Idee zu "Berlin summt!"
Die Biologin Corinna Hölzer hatte die Idee zu "Berlin summt!"
© privat
Naturschutz: Honigbienen fühlen sich in der Großstadt wohl - hier auf dem Berliner Dom
Honigbienen fühlen sich in der Großstadt wohl - hier auf dem Berliner Dom
© REUTERS/Tobias Schwarz

Wie viele Imker gibt es denn bei Ihnen in der Hauptstadt?

Vor der Wiedervereinigung waren es rund 1000, von denen heute nur noch zwischen 600 und 650 übriggeblieben sind. In der DDR war es völlig normal, sich Bienen zu halten, als Nebenerwerb. Das war mit dem Mauerfall schlagartig zu Ende. Es war plötzlich unschick; Honig bekam man ja nun auch im Supermarkt. Der Honig, der hier angeboten wird, stammt zudem oft aus aller Herren Länder. Und er wird billiger verkauft als deutscher Honig. Das ist ein großes Problem, denn ohne Imker gibt es auch keine Honigbienen - und keine Bestäubung von Nutzpflanzen. Wir wollen diesen Trend mit der Aktion "Berlin summt!" umkehren.

Berlin summt ...?

... ist eine Initiative, die darauf aufmerksam macht, dass Artenschwund ein gesamtgesellschaftliches Problem ist. Alle müssen ihren Beitrag leisten, ihn aufzuhalten. Nicht nur die Imker, nicht nur die Naturschützer, sondern auch Politiker, Kulturschaffende, Wissenschaftler, Unternehmer, Journalisten und die Kirche.

Und welche Rolle spielt die Biene?

Wir haben die Biene als Stellvertreter für die ganze Artenvielfalt ausgewählt. Nicht nur, weil sie ein Sympathieträger ist, sondern auch, weil sie für die gesamte Landwirtschaft immens wichtig ist. Wissenschaftler haben ausgerechnet, dass die Bestäubungsarbeit der Bienen im Jahr weltweit rund 70 bis 100 Milliarden Euro wert ist.

Für Ihr Anliegen steigen Sie sogar Politikern aufs Dach ...

Wir haben uns zwölf repräsentative Berliner Häuser herausgesucht, etwa das Abgeordnetenhaus, den Berliner Dom, das Haus der Kulturen oder die Sternwarte. Zum einen wegen ihrer Popularität, aber auch, weil wir hofften, auf diese Weise einen Schlüssel zu den Hausherren und ihrem ganzen Mitarbeiter-Tross zu bekommen. Einfach dadurch, dass sie Bienen aufs Dach bekommen und sich mit ihnen anfreunden - und verstehen, dass sie mit ihrem Haus symbolhaft für die Rettung der Biene stehen.

Hat's funktioniert?

Ja, zum Beispiel bei Herrn Momper mit seinem Abgeordnetenhaus. Er hat bei der Eröffnungsfeier zum ersten Mal in einen Bienenkorb geguckt und uns dann Löcher in den Bauch gefragt. Auch die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit war dabei. Jetzt haben wir direkten Zugang zur obersten Etage. Vor drei Wochen waren wir mit einem Stand beim "Tag der offenen Tür" im Abgeordnetenhaus. Wir hatten den ersten Honig dabei, nicht viel, gerade mal zehn Kilogramm. Aber die Abgeordneten waren erstaunt, dass so etwas schon nach sechs Wochen möglich ist. Alle Fraktionen waren da. Auch die, die nicht gerade im Verdacht stehen, die größten Bienenfreunde zu sein. Und in der vergangenen Woche waren wir auf dem Dach des Musikinstrumentenmuseums. Das Interesse war riesig. Eine der beiden Direktorinnen will jetzt sogar eine Imkerausbildung machen und Bienen in ihrem Garten halten.

Und wie geht es den Bienen damit? Kann man die einfach irgendwo aufs Dach stellen?

Kann man - vorausgesetzt, es ist nicht zugig und es gibt mittags etwas Schatten. Nach dem Aufstellen erkunden Orientierungsbienen das Gelände und teilen dann den anderen Sammlerinnen per Schwänzeltanz mit, wo's langgeht. Sie "fliegen sich ein", sagt der Imker dazu. Das dauert nur ein, zwei Tage. Dann orientieren sich am Sonnenstand und Landmarken. Schwieriger waren die Absprachen mit der Gebäudesicherheit. Es darf ja nicht jeder einfach auf öffentliche Gebäude klettern. Auch Imker nicht.

Wie sind Sie überhaupt auf die Idee gekommen?

Ich habe vor einem Jahr einen Artikel über den Bühnenbildner der Pariser Opéra Garnier gelesen. Der war nebenher Imker und hatte seine Bienen privat auf dem Dach der Oper zwischengelagert. Er stellte zu seinem eigenen Erstaunen fest, dass sich die Bienen dort oben wohlfühlten. Das war in den 80-er Jahren. Mich faszinierte gar nicht so sehr, dass sich das alles auf der berühmten Oper abspielte, sondern dass die Medien immer noch darüber berichten. Als ich die Idee ausbrütete, war mir gar nicht bewusst, dass die Biene wegen des Bienensterbens in den Medien gerade ziemlich präsent wurde.

Wie soll es weitergehen mit der Aktion?

Wir wollten keinen PR-Gag inszenieren, sondern wir wollen den großen Wurf. Im nächsten Jahr kommen wahrscheinlich noch drei Häuser in Berlin dazu, und zurzeit weiten wir die Aktion mit München und Frankfurt vorsichtig auf ganz Deutschland aus. Wir haben mit der Aktion und den verschiedenen Events drumherum - Staudenmarkt, Wildbienenhotels bauen, Wanderausstellung in den Berliner Mensen - schon viele wichtige Entscheidungsträger erreicht. Auch in den Medien gab es einen Big Bang. Die Aufmerksamkeit ist da, auch bei den Entscheidungsträgern der Stadt. Jetzt brauchen wir schlicht und einfach Sponsoren, um diese Arbeit so fortführen zu können, wie wir sie begonnen haben.

Was kann jeder Einzelne für die Bienen tun?

Wenn Sie einen Garten haben, sollten Sie möglichst heimische, mehrjährige und nektarreiche Pflanzen aussähen oder pflanzen. Etwa Phlox, Flockenblumen oder Margeriten. Viele Pflanzen, wie Oregano, können Sie erst einmal blühen lassen und dann in der Küche verwenden. Den Wildbienen können Sie Nisthilfen aus Schilfrohr anbieten. Oder Sie machen eine Imkerausbildung. Honigbienen lassen sich problemlos im Garten halten - und sogar auf dem Balkon.

Interview: Peter Carstens

Weitere Infos: www.umweltkalender-berlin.de

Die Initiative freut sich über Spenden: Umweltforum für Aktion und Zusammenarbeit e.V., GLS Gemeinschaftsbank eG, Kontonummer 110 4422 801, BLZ: 430 609 67, Verwendungszweck: "Spende: Berlin summt" oder "Spende: Deutschland summt"

Die Homepage von "Berlin summt!"

Artikel über die visuelle Orientierung der Bienen im Online-Magazin scinexx

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel