Die Farben des Wassers bestimmen das Bild der Erde. Da ist das Blau der Ozeane, der Seen und Flüsse. Zusammen bedecken sie mehr als 70 Prozent des Planeten und füllen ein Volumen von mehr als 1,3 Milliarden Kubikkilometern.
Und da ist das Weiß der Polkappen und der Gletscher, dazu das der Wolken, die wie Watte über der blauen Kugel schweben. Das Wasser ist ständig in Bewegung, seine Dynamik formt das Antlitz des Planeten. Fräst etwa hier bizarre Fjorde in die Küsten und überzieht sie dort mit weißem Strand; verschlingt einerseits große Landflächen und gibt anderswo neue frei. Seine Kraft lässt die Welt in Katastrophen ertrinken, wie sie Landschaften von betörender Schönheit schafft. Zusammenhänge wie diese aber konnte die Wissenschaft in ihrer ganzen Tragweite erst erfassen, als Satelliten ihr die Chance gaben, das System Erde aus der Distanz anzusehen. Und bis heute ist die Erforschung des irdischen Wasserkreislaufs einer der Hauptgründe, überhaupt zivile Beobachter in den Orbit zu schicken: Der US-Satellit TIROS-1 war 1960 der erste, der eine Kamera an Bord hatte. Sein Auftrag: Wolkenbeobachtung zur Verbesserung der Wettervorhersage. In den wenigen Monaten, die er funktionierte, lieferte er über 20 000 ziemlich unscharfe Aufnahmen – jede damals trotzdem eine Weltsensation.

Wasser - Entdeckung des Blauen Planeten
304 Seiten, ca. 150 Abbildungen Frederking & Thaler, München 2014, 59 Euro
Bilder aus 400 bis 900 Kilometern Entfernung
Die heutigen Erdobservatorien haben mit diesem frühen Vorfahren nur noch wenig gemein. Aus Entfernungen zwischen 400 und 900 Kilometern tasten sie inzwischen mit höchstauflösenden Digitalkameras die Oberfläche des Planeten ab und machen dabei noch Details von weniger als einem Meter sichtbar. So entstehen Bilder wie diese. Entnommen sind sie einem opulenten Band mit Satellitenfotos, der mit Unterstützung von GEO jetzt im Verlag Frederking & Thaler erschienen ist. Vier der derzeit modernsten, kommerziellen Erdbeobachtungssatelliten haben zu diesem Buch beigetragen. Sie kreisen in Umlaufbahnen, die nahe an den Polen vorbeiführen und gegenüber dem Äquator meist in einem Winkel von 97 bis 99 Grad geneigt sind. So überfliegen sie alle ein bis dreieinhalb Tage, leicht versetzt, die gleiche Region auf der Erde, und zwar – wichtig für die Beurteilung der Bilder – immer zur gleichen Tageszeit.
Die Erde ist eine Wasserwelt, der Mensch eine Rand-Existenz
WorldView-2 zum Beispiel, der aus 770 Kilometer Höhe fotografiert, umrundet die Erde pro Tag fast 15-mal. Die Bilder, die er übermittelt, sind jedoch nicht farbig. Vielmehr bestehen sie aus einer Abfolge von Datensätzen desselben Oberflächenausschnitts, sogenannten Bildkanälen, die in verschiedenen Wellenlängenbereichen des Lichtspektrums aufgenommen wurden. Die Vielfarbigkeit unserer Welt entsteht erst hinterher: im Computer, der die Bildkanäle wieder zu einem einheitlichen Ganzen zusammenrechnet. Auch die Fotos auf den vorangegangenen Seiten sind so entstanden. Am Ende steht das big picture, die Gesamtschau unserer planetaren Heimat, die uns das Detail genauso gut erkennen lässt wie den großen Zusammenhang. Die zuvorderst aber eines offenbart: Die Erde ist eine Wasserwelt, der Mensch eine Rand-Existenz – wo er lebt, lebt er am Ufer.