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Klima und soziale Gerechtigkeit Studie: Warum Forschende einen Energiedeckel für Reiche vorschlagen

Sich bei Einsparungen auf Menschen mit hohem Energieverbrauch zu konzentrieren, würde vor allem Menschen mit hohem Haushaltseinkommen treffen, argumentieren die Forschenden
Sich bei Einsparungen auf Menschen mit hohem Energieverbrauch zu konzentrieren, würde vor allem Menschen mit hohem Haushaltseinkommen treffen, argumentieren die Forschenden
© mauritius images / Arnulf Hettrich / imageBROKER
Wie sozial gerecht ist Klimaschutz - und schadet er insbesondere einkommensschwachen Menschen? Eine Studie zeigt: Wird der Energieverbrauch der gutsituierten Vielverbraucher limitiert, werden andere Bevölkerungsschichten entlastet - und die Emissionen sinken trotzdem

Sie fliegen zum Kurzurlaub auf die Malediven, beheizen im Winter eine ganze Villa, nehmen für Geschäftsreisen den Privatjet statt der Bahn: Dass Wohlhabende einen höheren Energieverbrauch haben – und damit auch mehr Treibhausgase ausstoßen – ist belegt. Geht es um Maßnahmen zur Senkung des Energieverbrauchs, wird häufig dennoch mit sozialer Gerechtigkeit argumentiert. Höhere Steuern im Flugverkehr oder ein gesetzlich angeordneter Heizungstausch treffe vor allem die Geringverdiener, heißt es dann.

Ein Team um Milena Büchs von der Universität Leeds hat nun untersucht, wie sich die Energienachfrage in Europa reduzieren lässt und gleichzeitig eine gerechte Befriedigung der Bedürfnisse aller sichergestellt werden kann. "Eine gerechte Reduzierung der Energienachfrage könnte einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die öffentliche Akzeptanz für solche transformativen Maßnahmen zu erhöhen", schreiben die Forschenden.

Das Ergebnis der im Fachmagazin "Nature Energy" veröffentlichten Studie: Würde die Energie der oberen 20 Prozent der Verbraucher in Europa begrenzt, könnten die Emissionen deutlich gesenkt werden - selbst wenn die unteren 20 Prozent zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse mehr Energie verbrauchen als bisher.

Bei den Topverbrauchern gibt es demnach selbst ohne drastische Deckelung enormes Einsparpotenzial: 11,4 Prozent der Treibhausgase bei der Haushaltsenergie, 16,8 Prozent im Verkehr und 9,7 Prozent der gesamten Emissionen wären vermeidbar, wenn sie ihren Energieverbrauch auf das Verbrauchsniveau der Bevölkerungsgruppe im 80. Perzentil senkten – das immer noch weit über dem Durchschnitt liegt. Würden gleichzeitig die Menschen in Armut in den untersten 20 Prozent der Verbrauchsskala ihren Energieverbrauch erhöhen, würde das die Einsparungen in den verschiedenen Sektoren nur um rund ein Prozent verringern: 1,2 Prozent im Haushalt, 0,9 Prozent im Verkehr und 1,4 Prozentpunkte beim Gesamtenergieverbrauch.

"Sich bei Einsparungen auf Menschen mit hohem Energieverbrauch zu konzentrieren, würde vor allem Menschen mit höherer Bildung und hohem Haushaltseinkommen betreffen, während das Risiko zusätzlicher Benachteiligungen für die schwächsten Menschen in der Gesellschaft verringert würde", schlussfolgern die Forschenden. Als Grundlage für ihre Berechnung nutzten sie die Daten von mehr als 275 000 Haushalten in 27 europäischen Ländern.

Um im CO2-Budget zu bleiben, müssen nicht nur Vielverbraucher Energie sparen

Einen Vorschlag, wie genau die Deckelung der Energie aussehen und überwacht werden soll, liefert die Studie nicht mit – dafür aber eine Befragung zur Akzeptanz einzelner Maßnahmen. Während eine begrenzte Anzahl von Autokilometern oder Flügen als Einschränkung der Freiheit empfunden wird, unterstützen die Befragten Maßnahmen, die beispielsweise Geschäftsreisen oder Urlaubsflüge unattraktiv machen. Auch Einschränkungen in Bereichen, in denen es klimafreundlichere Alternativen gibt, werden als akzeptabel angesehen.

Die Deckelung des Verbrauchs der größten Energieverbraucher würde allerdings bei weitem nicht ausreichen, um Europa innerhalb des Emissionsbudgets zu halten, das mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbar ist. Auch der Rest der Bevölkerung muss die Emissionen deutlich senken: In unterschiedlichen Szenarien berechnen die Forschenden, dass die Emissionen trotz des Limits für Topverbraucher jährlich zwischen 8,7 und 21,7 Prozent sinken müssten. 

ftk

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