Inhaltsverzeichnis
- Verbrennt Gas klimafreundlich?
- Welche Rolle spielt Methan bei der Klimabilanz von Gas?
- Ist Gas "nachhaltig"?
- Um was geht es beim Streit um die EU-Taxonomie?
- Ist Gas eine "Brückentechnologie" ins Zeitalter der Klimaneutralität?
- Wie viel Erdgas passt zu einer klimafreundlichen Zukunft?
- Welche Alternativen gibt es zu Erdgas?
- Worum geht es beim Streit um Nord Stream 2?
Verbrennt Gas klimafreundlich?
Nein. Wie andere fossile Energieträger auch, setzt Gas bei seiner Verbrennung klimaschädliche Gase frei – vor allem Kohlendioxid. Das Günstigste, was sich über den gasförmigen Energieträger sagen lässt: Im Vergleich mit Braunkohle und Heizöl verbrennt er am wenigsten klimaschädlich. Sind es bei Braunkohlebriketts fast 680 Gramm Klimagase, die bei der Erzeugung einer Kilowattstunde Strom freigesetzt werden, sind es beim Erdgas nur 250 Gramm. Heizöl liegt mit 319 Gramm dazwischen. Nicht eingerechnet sind allerdings Lecks an den Gas-Förderleitungen, aus denen noch weit klimaschädlicheres Methan entweicht.
Das Umweltbundesamt (UBA) schätzt, dass Gaskraftwerke, die mit Gas aus Russland, Norwegen oder den Niederlanden betrieben werden, rund 40 Prozent weniger Treibhausgase in die Atmosphäre entlassen als Kohlekraftwerke – Leckagen eingerechnet.
Welche Rolle spielt Methan bei der Klimabilanz von Gas?
Anders sieht das Ergebnis aus, wenn man etwa die Klimabilanz von Fracking-Gas aus den USA betrachtet. Der Grund: Methan, das bei der Förderung aus undichten Bohrlöchern und beim Transport entweicht.
Erdgas besteht überwiegend aus Methan (CH4). Gelangt es unverbrannt in die Atmosphäre, ist es laut Weltklimarat IPCC in den ersten 20 Jahren etwa 87 Mal schädlicher für das Klima als das wichtigste Klimagas, CO2. Bezogen auf 100 Jahre, wirkt es immer noch 36 Mal stärker. Das Fazit einer US-Studie: Fracking-Gas wirkt bei dieser Art der Gewinnung möglicherweise genauso klimaschädigend wie Kohle.
Ist Gas "nachhaltig"?
Das kommt ganz auf die Definition von Nachhaltigkeit an. Die Vereinten Nationen verstehen seit 1987 unter einer nachhaltigen Entwicklung "eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne dadurch die Fähigkeit künftiger Generationen einzuschränken, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen." Genau diese Möglichkeiten zukünftiger Generationen werden aber durch die Verbrennung fossiler Energieträger eingeschränkt, wie im vergangenen Jahr auch das Bundesverfassungsgericht feststellte.
Um was geht es beim Streit um die EU-Taxonomie?
Verteidiger der Entscheidung, Gas in die EU-Taxonomie aufzunehmen, führen zwar an, dass für zukünftige Gaskraftwerke strenge Obergrenzen bei den Emissionen angesetzt sein werden. Zudem sollen sie auf Wasserstoff umrüstbar sein. Wann diese Technik im großen Maßstab eingesetzt werden kann, ist derzeit allerdings offen. So bleibt der Verdacht, dass bei der Aufnahme in die Taxonomie nicht um echte Nachhaltigkeit geht, sondern darum, Anreize für Investitionen in die fossile Industrie zu schaffen. "Die ganze Debatte um die Taxonomie", sagt die Ökonomin und Wirtschaftsweise Veronika Grimm in der Süddeutschen Zeitung, "beweist vor allem eins: Die Anfälligkeit dieses Instruments für Lobbyismus."
Ist Gas eine "Brückentechnologie" ins Zeitalter der Klimaneutralität?
Gas wird dennoch oft pauschal als "klimafreundlicher" Energieträger beworben, der den Übergang zur Klimaneutralität erleichtern soll. Hinzu kommt, dass es für die Nutzung von fossilen Energien kaum noch Spielräume gibt, wenn wir es mit dem in Paris 2015 beschlossenen 1,5-Grad-Limit ernst meinen. Einem Bericht zufolge könnte diese kritische Marke selbst dann überschritten werden, wenn die Welt sofort die extrem klimaschädliche Verbrennung von Kohle beendete – dafür aber die schon erschlossenen Öl- und Gasfelder weiter ausbeuten würde.
Wenn die Welt bis zur Mitte des Jahrhunderts klimaneutral wirtschaften wolle, so das Unisono der Umwelt- und Klimaschutzorganisationen, bleibt keine Zeit für sogenannte "Brückentechnologien". "Anstatt von der Nutzung eines umweltschädlichen Energieträgers auf einen anderen umzuschwenken, muss Europa seine Abhängigkeit von Atom, Kohle, Öl und Gas beenden, den Stromverbrauch reduzieren, in Energieeffizienz investieren und die Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen fördern", sagt BUND-Klimaexpertin Ann-Kathrin Schneider in einer Pressemitteilung.
Wie viel Erdgas passt zu einer klimafreundlichen Zukunft?
Kohle und Öl einfach durch Gas zu ersetzen, wird nicht funktionieren. Legt man das Pariser Klimaabkommen mit einer maximalen Erwärmung von zusätzlichen 1,5 Grad gegenüber vorindustriellen Zeiten zugrunde, ergibt sich folgendes Bild: Innerhalb der kommenden fünf Jahre müsste der Gasverbrauch leicht sinken, danach um jährlich vier Prozent. Zur Jahrhundertmitte müsste das weltweite Energiesystem komplett klimaneutral sein. Das zeigt eine Studie des Institute for Sustainable Futures (ISF) an der University of Technology Sydney.
Im "Klimaschutzplan 2050" ist festgelegt, dass die deutschen CO2-Emissionen bis zur Jahrhundertmitte um bis zu 95 Prozent sinken sollen. In allen Szenarien zur Energieversorgung, die sich daran anlehnen, verliert Gas an Bedeutung – und müsste bis 2040, spätestens aber 2050, ganz aus dem Energiemix verschwinden.
Welche Alternativen gibt es zu Erdgas?
Umweltverbände argumentieren, Energie aus Wind und Sonne sei heute schon konkurrenzfähig und weiter ausbaubar. Zudem setzen sie auf die voranschreitende Forschung zu geeigneten Speichermedien – und auf die Umwandlung von Windkraft in Gas (Power-to-Gas). Dabei wird mit überschüssiger elektrischer Energie aus Windkraftanlagen Wasserstoff oder Methan erzeugt. Diese Gase lassen sich – im Unterschied zu elektrischer Energie – gut speichern und zum Beispiel als Treibstoff einsetzen.
Worum geht es beim Streit um Nord Stream 2?
Beim Streit um die neue Erdgas-Pipeline geht es nicht in erster Linie um den Klimaschutz – sondern um Marktchancen: Russland möchte sein Gas vermehrt nach Europa verkaufen, die USA drängen auf denselben Markt, allerdings mit eigenem Fracking-Gas, das gekühlt und verflüssigt nach Europa verschifft werden soll. Die Kritiker des Pipeline-Großprojekts, neben den USA viele EU-Länder, halten dagegen: Eine größere Abhängigkeit von russischem Gas sei geostrategisch riskant. Moskau könnte zukünftig die Gasleitung nach Europa als Druckmittel benutzen.
Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) kam schon 2018 zu dem Schluss: Deutschland und Europa verfügten bereits jetzt über ein gut ausgebautes Netzwerk von Pipelines und Lieferregionen, das weiter diversifiziert und im Bedarfsfall durch Flüssiggaslieferungen ergänzt werden könne, wie es in einer Pressemitteilung des DIW heißt. Nord Stream 2 sei "betriebswirtschaftlich unrentabel und politisch motiviert".
Kritik kommt auch von Umweltverbänden wie dem NABU, die sich nicht nur um die deutschen Klimaziele, sondern auch um Vogelschutzgebiete sorgen, durch die die Pipeline schon verlegt wurde.