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Klimakrise Was ist eigentlich der "Klimanotstand" - und was bringt er?

Klimanotstand
Aktivisten ketten sich aus Protest gegen die Klimapolitik der Bundesregierung an den Zaun des Bundeskanzleramts
© picture alliance / imageBROKER/Christian Mang
Immer mehr Städte, Gemeinde und sogar Nationen rufen den Klimanotstand aus. Doch was bedeutet das?

Die französische Hauptstadt rief den Klimanotstand am 9. Juli aus. Dutzende Städte weltweit waren vorangegangen, darunter Mailand, Sydney, London und New York. Auch ganze Staaten sind dabei, etwa Großbritannien, Frankreich und Irland. Petitionen für die Ausrufung eines nationalen deutschen Klimanotstands laufen.

Unter den deutschen Städten machte Konstanz den Anfang, am 2. Mai 2019. Zwei Wochen später folgte die bundesweit erste Landeshauptstadt, das schleswig-holsteinische Kiel.

Doch was bedeutet der Notstand? Fahrverbote für den motorisierten Individualverkehr? Müssen Flieger am Boden bleiben? Werden in den küstennahen Gemeinden junge Männer zu Erdarbeiten für den Küstenschutz zwangsrekrutiert?

„Klimanotstand“ ist eine Übersetzung von „climate emergency“. Diesen Begriff prägte der wachstumskritische Club of Rome, der im Dezember 2018 vor dem EU-Parlament die Dringlichkeit einer aktiven Klimapolitik deutlich machte. Die weltweiten Emissionen müssten bis Mitte des Jahrhunderts auf null heruntergefahren werden, so die Experten; dafür seien Sofortmaßnahmen („emergency actions“) notwendig, die die wirtschaftlichen, sozialen und die Finanzsysteme der Menschen verändern würden.

Den Klimanotstand interpretierte jede Gemeinde anders

Der nun vielerorts ausgerufene „Klimanotstand“ allerdings ist in keiner Weise definiert. Auch werden durch ihn – anders, als der Begriff vermuten lässt – keine Kompetenzen erweitert, etwa für den Bürgermeister oder den Stadt- oder Gemeinderat.

Gemeinsam ist fast allen Anträgen zur Ausrufung des Klimanotstands, dass der Klimawandel als reale Bedrohung anerkannt wird. Maßnahmenpakete zur Emissionsreduktion erhalten eine höhere Priorität – und sollen nach Möglichkeit schneller umgesetzt werden.

Beispiel Kiel, das sich schon seit 1995 „Klimaschutzstadt“ nennt: Im von der Ratsversammlung angenommen Antrag heißt es: „Die Eindämmung des Klimawandels und seiner Folgen hat für uns Priorität.“ Schon 2016 habe man mit der Erstellung eines Masterprogramms „100% Klimaschutz“ begonnen – und sich ein Jahr später vorgenommen, bis 2050 klimaneutral zu sein. Man wolle prüfen, ob dieses Ziel nicht auf früher zu erreichen sei. Die „mehr als 250 vorgeschlagenen Maßnahmen“ des Masterplans wolle man weiterhin „zügig“ umsetzen.

Auch andere Kommunen bekennen sich in ähnlicher Weise zu einer höheren Priorisierung des Klimaschutzes. Man wolle auf kommunaler Ebene alles dazu beitragen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.

"Mittel in den öffentlichen Nahverkehr umschichten"

Nach konkreten Maßnahmen gefragt, antwortete Kiels Oberbürgermeister Ulf Kämpfer im Deutschlandfunk, man werde in den Haushaltsplanungen für 2020 „vielleicht auch noch Mittel umschichten, die zum Beispiel den öffentlichen Nahverkehr oder die Fahrradfreundlichkeit in der Stadt verstärken“.

In Konstanz, der ersten deutschen Klimanotstands-Stadt, soll der Gemeinderat bei allen Entscheidungen die Auswirkungen auf das Klima berücksichtigen. Zudem hat sich die Stadt zum Ziel gesetzt, durch eine klimaneutrale Energieversorgung und nachträgliche Wärmedämmung von bestehenden Gebäuden den CO2-Ausstoß pro Person bis 2050 um 75 Prozent zu senken.

Symbolpolitik oder wirksames Instrument?

Im Kern geht es also darum, die Klimaschutzanstrengungen auf kommunaler Ebene auf der Agenda hervorzuheben – und schon beschlossene Maßnahmen und Ziele zu realisieren. „Wir brauchen wir nur das umzusetzen, was auf allen staatlichen Ebenen längst beschlossen wurde“, sagt Ulf Kämpfer.

Ist die Ausrufung der Klimanotstands also reine Symbolpolitik?

Wenn eine Stadt den Klimanotstand erkläre, sagte Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages im WDR-Interview, dann sei das erst mal „nicht mehr als ein politischer Appell“.

Für nutzlos hält Dedy die neue Diskussion um kommunalen Klimaschutz dennoch nicht. Es gebe in vielen Städten seit Jahrzehnten Klimaschutzmaßnahmen. Das sei vielen Bürgern aber nicht bewusst, es gebe offenbar ein "Vermittlungsproblem". Ob man das nun Klimanotstand oder Klimaschutzplan nenne, sei „nicht maßgeblich“.

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