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Plädoyer fürs Reparieren Wie ich durch Youtube zum Kamera-Schrauber wurde

Plädoyer fürs Reparieren: Steng genommen repariert schon, wer nur die Enden eines gerissenen Gummibandes zusammenknüpft. Wer Lust und Zeit hat, kann sich aber auch an komplexere Themen wagen
Steng genommen repariert schon, wer nur die Enden eines gerissenen Gummibandes zusammenknüpft. Wer Lust und Zeit hat, kann sich aber auch an komplexere Themen wagen
© golubovy / Fotolia
Ob Socken stopfen oder Kamera reinigen: Reparieren ist das neue Kaufen. Weil es Spaß macht. Weil wir Dinge, die wir schon haben, kennen- und wertschätzen lernen. Und weil es nachhaltig ist. Video-Anleitungen helfen dabei

+++ Kolumne "Alles im grünen Bereich" +++

Neulich sind mir auf den Bildern meiner Kompaktknipse unschöne Flecken aufgefallen. Blauer Himmel mit kreisrunden, dunstigen Wölkchen, geht ja wohl gar nicht. Und immer photoshoppen ist ja auch keine Lösung. Ein Blick ins Zoom-Objektiv zeigte mir: Staubteilchen, bei tieferen Temperaturen auch größere Flecken, vermutlich kondensierte Feuchtigkeit. Und zwar nicht auf der Linse – sondern irgendwo im Inneren des Zoomobjektivs. Super. Eine Reinigung beim Fachhändler kostet um die 90 Euro. Mal kucken, was das Internet sagt.

Tatsächlich finde ich ein Video, in dem ein latexbehandschuhter Nerd Schritt für Schritt erklärt, was zu tun ist. Genial. Der Haken ist nur: Man muss die komplette Kamera von rückwärts nach vorwärts, Schicht um Schicht auseinandernehmen, Sensor und Bildstabilisator inklusive. Das Video dauert eine halbe Stunde. Meine erste Reaktion: Der Typ hat offenbar ein Diplom in Raumfahrttechnik. Aber ich? Never ever!

Inzwischen denke ich anders darüber. Immerhin können dabei nicht, wie beim Reparieren von Fahrrad-Nabengangschaltungen, launische Federringe und fettige Kügelchen auf Nimmerwiedersehen durch die Gegend springen.

Reparieren verbindet

Ich bin sicher: Wenn ich die Kamera wieder zusammengebaut bekomme, ohne dass irgendein rätselhaftes Teil übrigbleibt, wird mir das Fotografieren mehr Spaß machen als je zuvor. Denn durch das Auseinandernehmen und Ausbessern lernen wir Dinge, die wir benutzen, besser kennen und wertschätzen. Wir verbinden uns mit ihnen - statt nur an der Wertstofftonne oder auf dem Recyclinghof leise Servus zu sagen. Vor allem, wenn es Dinge sind, die schon andere lange vor uns genutzt haben, vielleicht sogar Erbstücke. Richtig alte Kameras, Uhren, Möbel.

Kaum nötig zu sagen, dass Reparieren auch Geld spart. Und nachhaltig ist. Denn in jeder Socke, jedem Schuh, jedem Fahrrad, jedem Laptop stecken Energie, Ressourcen und Transportkilometer.

Und es kommt immer mehr in Mode. Wer sich nicht allein an ein Gerät herantraut, kann dafür auch eine Reparaturinitiative wie ein Repair Café besuchen. Allein in Hamburg gibt es inzwischen zehn davon. Hier stehen Ehrenamtliche mit Rat, Tat und Werkzeug zur Seite.

Nicht entmutigen lassen!

Und auch wenn viele Geräte ein eingebautes Verfallsdatum zu haben scheinen (dafür kursiert der Begriff „geplante Obsoleszenz“), auf undurchsichtige Weise ihren Geist aufgeben, reparaturunfreundlich fest verschweißt sind: Oft geht es eben doch. Wie bei meiner Kamera. Das Internet bietet zahllose Homepages, Blogs und Videos von Leuten, die es vormachen.

Und selbst, wenn ich an der Komplexität der Optik scheitern sollte, bleibt mir noch das gute Gefühl, es wenigstens versucht zu haben. So wie jener Userin Tina L, die die hundertfach gelobte Anleitung kommentierte: "Großartiges Video. Ich konnte das Objektiv komplett auseinander- und wieder zusammenbauen. Leider scheint das Problem irgendwo anders zu liegen."

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