+++ Kolumne "Alles im grünen Bereich" +++
Wenn in diesen Tagen von der EU die Rede ist, dann geht es meist um Zerfallserscheinungen, erstarkenden Nationalismus in den Mitgliedsländern und Abschottung an den Außengrenzen. Nie um Vögel wie Seeadler, Schwarzstorch, Wanderfalke oder Kranich.
Das ist unverständlich. Denn diese vier Namen stehen stellvertretend für eine der größten Erfolgsstorys des Naturschutzes weltweit. Einst vom Aussterben bedroht, haben sich ihre Bestände in Deutschland teilweise um mehrere hundert Prozent erholt.
Dass große, charismatische Tiere wie der Seeadler in Hamburg brüten und inzwischen auch an der Nordseeküste kreisen, ist kein Zufall. Es ist – das ist wissenschaftlich bestätigt – das Ergebnis konsequenter, Grenzen überschreitender Naturschutzarbeit, powered by EU: Vor 40 Jahren, am 2. April 1979, trat die EU-Vogelschutzrichtlinie in Kraft, eines der ersten EU-Gesetze überhaupt, mit dem die Mitgliedsstaaten insgesamt 181 Vogelarten unter besonderen Schutz stellten.
Natur kennt keine Grenzen
Seine enorme Wirkung verdankt das Gesetz dem Grundgedanken, dass rechtliche Standards wie die Einschränkung der Jagd für alle Mitgliedsstaaten gelten, dass alle gleichermaßen auf die Ausweisung von Schutzgebieten verpflichtet werden und von finanzieller Förderung für Schutzmaßnahmen profitieren. Denn was nützt es Zugvögeln, wenn sie in ihrem Brutgebiet in Schleswig-Holstein besonders geschützt sind, auf ihrem Zug in Südeuropa aber nichts zu fressen finden oder mit Netzen oder Leimruten gejagt werden?
Natürlich wäre die Vogelschutzrichtline kein Naturschutzprojekt, wenn sie nicht auf massiven Widerstand gestoßen wäre. Wenn es nicht bis heute Verzögerungen und zahlreiche nationale Ausnahmeregelungen gäbe. Wenn nicht rechtliche Schlupflöcher genutzt würden. Es gibt nun mal Traditionen – etwa die grauenhafte Jagd auf Singvögel im Süden Europas –, die sich per Order aus Brüssel nicht restlos abstellen lassen. Und selbst in Deutschland dauerte es drei Jahrzehnte, bis annähernd alle EU-Vogelschutzgebiete ausgewiesen waren. Ein Prozess, der schon zwei Jahre nach Inkrafttreten der Richtline hätte abgeschlossen sein sollen.
Erfolgreich trotz massiver Widerstände
Dennoch: Zusammen mit der später eingeführten Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie, mit der Tier- und Pflanzenarten und besonders schützenswerte Naturräume bewahrt werden sollen, ist die Vogelschutz-Richtlinie eines der fortschrittlichsten und wirksamsten Naturschutzinstrumente weltweit. Denn zusammen bilden und bewahren sie einen internationalen Verbund aus Trittsteinen der Artenvielfalt.
Ein Problem jedoch, das auch die Vogelschutzrichtlinie in ihrer jetzigen Form nicht lösen kann, sind die großen Räume zwischen diesen Trittsteinen. Denn sie verarmen in atemraubenden Tempo. Die großen Verlierer heißen Kiebitz, Rebhuhn und Feldlerche. Weit mehr als die Hälfte aller Feldvögel sind seit 1980 von unseren Äckern und Wiesen verschwunden. Weil sie auf den immer intensiver genutzten landwirtschaftlichen Flächen keinen sicheren Platz zum Brüten und immer weniger Nahrung finden.
Naturschutz und Landwirtschaft müssen zusammen gedacht werden
Hier zeigt sich, dass der Vogelschutz, um in die Breite zu wirken, Teil der nationalen und der EU-Agrarpolitik werden muss. Denn noch immer folgen die beiden Ressorts Umwelt und Landwirtschaft unterschiedlichen Agenden. So lange die zuständigen Minister, Kommissare und Behörden bei der Zulassung von Pestiziden oder bei der Subventionierung umweltschädlicher Landwirtschaft die Artenvielfalt nicht mitdenken, wird sich dieser Konflikt weiter verschärfen.
So großartig die Rückkehr von Seeadler und Kranich ist: Es ist höchste Zeit - nicht nur unter dem Gesichtspunkt von Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen - dafür zu sorgen, dass die Feldlerche bleibt. Wer einmal an einem Sommernachmittag ihr endloses Lied gehört hat, weiß warum.