Inhaltsverzeichnis
Wie sah Rodinia aus?
Vor gut einer Milliarde Jahren hätte ein Wanderer vom heutigen Skandinavien aus zu Fuß Nordamerika erreichen können. Denn damals war der größte Teil der globalen Landmasse in einem Riesenkontinent verbunden. Dessen Zentrum bildete vermutlich Laurentia, das Ur-Amerika. Australien lag hoch im Norden, gleich neben der östlichen -Antarktis, und auch Indien war nicht weit entfernt.
Wie sah Rodinia aus?
Viel mehr wissen Geologen nicht über das Aussehen dieses Großkontinents, den sie Rodinia genannt haben. Für gesichert aber halten sie, dass er vor rund 750 Millionen Jahren auseinander gebrochen ist. Und dass es andere Riesenkontinente gegeben hat, vor und nach Rodinia. Schlüsse darauf erlaubt die Weltkarte von heute. Südamerikas Ostküste beispielsweise passt wie in einem Puzzle zur Westküste des südlichen Afrika.
Sieben große PlattenUm zu verstehen, wieso die Erde ihre Oberfläche verändern kann, muss man sich Folgendes klar machen: Die äußerste Schale unseres Planeten besteht derzeit aus sieben riesigen und zahlreichen kleineren Lithosphären-Platten, die auseinander driften, aneinander vorbeigleiten oder kollidieren. In diese driftenden Platten eingebettet sind: ein Kontinent (dann spricht man von kontinentaler Kruste) oder ein Stück Meeresboden (ozeanische Kruste) oder beides.
Die Lehre von der Plattentektonik
Mit ihrem ungeheuren Gewicht lasten die rund 100 Kilometer mächtigen Platten auf einer verformbaren Schicht im oberen Erdmantel, der Asthenosphäre, die für sie eine Art zähes Schmiermittel ist. Sie können auf ihr, gigantischen Flößen gleich, hinweggleiten. Und das verursacht die Bewegung der Kontinente, die Entstehung von Vulkanen und neuen Ozeanen, den Aufstieg von Gebirgen, nicht zuletzt Erdbeben.
Sämtliche Erkenntnisse über die unaufhörliche Mobilität dieser äußersten, starren Schale der Erde, der Lithosphäre, haben die Geologen in einer umfassenden Theorie gebündelt: der Lehre von der Plattentektonik. Sie beschreibt die Bewegungen der Lithosphären-Platten und die zwischen ihnen wirkenden Kräfte und gilt heute als Grundlage der modernen Geologie.
Die Platten tauchen sich gegenseitig unter Dass aber die wandernden Platten, die wie ein Mosaik die Erdoberfläche bedecken, sich nicht gegenseitig den Weg versperren, folgt aus der so genannten Subduktion: Immer wieder werden Platten bei der Kollision mit einer anderen in die Tiefe gedrückt, sodass sie in den heißen Erdmantel versinken. Dabei gelangt eine Platte in eine Zone mit deutlich höherem Druck und -höheren Temperaturen. Die Minerale in ihrem Gestein wandeln sich um, sodass die Platte dichter und damit schwerer wird - und noch weiter hinabsinkt.
Zehn Zentimeter pro Jahr
Derzeit spielt sich ein solcher Prozess beispielsweise vor der Westküste Südamerikas ab: Dort wird die pazifische Nazca-Platte in einer Subduktionszone unter die Südamerikanische Platte gedrückt, pro Jahr um zehn Zentimeter. (Bei einer Kollision zwischen kontinentaler und ozeanischer Kruste sinkt grundsätzlich die ozeanische ab - sie ist dichter und damit schwerer. Kontinentale Landmasse bleibt dagegen fast immer erhalten).
Die Erdkruste reißt auf
Durch die ungeheuren Zugkräfte, die beim Absinken entstehen, reißt am anderen Ende einer Platte die Erdkruste auf - im Falle der Nazca-Platte etwa 3200 Kilometer westlich. Dort spaltet sich der unterseeische Boden, und zwar jedes Jahr um rund 7,6 Zentimeter. Zugleich quillt aus dem Spalt geschmolzenes Gestein: Magma, das sich an die Nazca-Platte anlagert - allerdings nur eine Schicht von rund zwei Zentimetern pro Jahr.
Das Verschwinden einer Kontinentalplatte
Die Folge: Die Nazca-Platte wird immer kleiner (wenn auch sehr, sehr langsam) und im Verlauf der nächsten 180 Millionen Jahre komplett unter der Südamerikanischen versinken. Gleichzeitig wird Südamerika nach Westen driften: in die durch das Abtauchen der Nazca-Platte entstandene Lücke. Dort, wo im Pazifik aufsteigendes Magma den Riss teilweise füllt, entsteht derzeit ein untermeerisches Gebirge, ein mittelozeanischer -Rücken. Solche Spreizungszonen, an denen zwei Plattenstücke auseinander driften, finden sich in allen Weltmeeren. An ihnen wird immer wieder neue Ozeankruste gebildet, die langsam in Richtung der Subduktionszone driftet und dort wieder absinkt.
Wie die Vulkane der Anden entstanden
Nach etwa 500 000 Jahren wird die abgetauchte Nazca-Platte gut 50 Kilometer tief unter den südamerikanischen Kontinent abgesunken sein. Dort beginnt ein Teil ihres Gesteins zu schmelzen und sich in neues Magma umzuwandeln. Weil es leichter ist als das umgebende Material, steigt es verhältnismäßig schnell auf und durchschlägt unter Bildung von Vulkanen die Erdoberfläche Südamerikas. Im Verlauf dieses Prozesses, der bereits seit mehr als 350 Millionen Jahren abläuft, haben sich die Riesenvulkane der Anden gebildet.
Ein Kontinent schmilzt bei 3200 Grad
Der größere Rest der Nazca-Platte aber sinkt weiter hinab und wird in 2900 Kilometer Tiefe - an der Grenze zwischen Erdmantel und Äußerem Kern - bei einer Temperatur von 3200 Grad Celsius und einem Druck von 1400 Kilobar im Glutofen des Erdinneren aufgelöst.
Ursache all dieser Plattenbewegungen ist die Konvektion, durch die Wärme aus dem Erdinneren abgeleitet wird. Besonders kräftig erhitztes Mantelgestein dehnt sich aus, wird leichter und steigt langsam auf. Etwa 100 Kilometer unter der Erdoberfläche tritt eine basaltische Schmelze aus, die schließlich an der Oberfläche die mittelozeanischen Rücken auftürmt.
Auch die neue Platte erkaltet und sinkt wieder ab
Da ständig heißes Material nachfolgt, wird die neu gebildete Kruste zusammen mit dem obersten Teil des Erdmantels - beide bilden eine Lithosphären-Platte - immer weiter vom mittelozeanischen Rücken weggedrückt. Mit zunehmender Entfernung wird diese Platte immer kälter und schwerer - bis sie schließlich mit einer anderen Platte kollidiert und nach und nach wieder in den heißen Erdmantel gezogen wird.
Vier Milliarden Jahre altes Ballett der Platten
Begonnen haben diese Vorgänge vor mehr als vier Milliarden Jahren, als sich über dem glühenden Inneren der Erde eine erste primitive Kruste bildete. Die kühlte nach und nach immer weiter ab und formte schließlich eine feste Schale um die Glut im Erdinneren. Das Magma, das aufgrund seines Auftriebs weiterhin aus der Tiefe aufstieg, erzeugte beim Austritt an der Erdoberfläche Risse in dieser nunmehr gebildeten Kruste - und drückte sie zugleich auseinander.
Magma riss immer wieder den Meeresboden auf
Dabei wurde die Kruste gestaucht und brach schließlich an anderer Stelle ein weiteres Mal. Dort kam es erstmals zur Subduktion: Ein Teil der aufgebrochenen Kruste wurde unter den anderen geschoben. Dadurch begann jener komplexe Prozess, durch den letztlich die Ozeane und Kontinente entstanden sind. Die ältesten bekannten Kontinentfragmente sind 4,03 Milliarden Jahre alt. Wie groß die Kontinente damals waren und wo sie auf der Asthenosphäre geschwommen haben, vermag niemand zu sagen. Man weiß nur so viel: Im Verlauf der folgenden 1,5 Milliarden Jahre riss aufsteigendes Magma immer wieder den Meeresboden zwischen ihnen auf - und die Platten drifteten auseinander und tauchten ab. Das führte dazu, dass sich die frühen Kontinente langsam aufeinander zubewegten und schließlich zusammenprallten.
Der erste Superkontinent
Damals, vor 2,5 Milliarden Jahren, entstand vermutlich der erste Superkontinent: Kenorland - eine Rieseninsel am Äquator. Sie umfasste mindestens das heutige Nordamerika, Australien, Teile Europas und Afrikas (der Rest der gegenwärtigen Landmassen ist nach dem Prinzip der Kontinentbildung in den folgenden zwei Milliarden Jahren dazugekommen).
Kenorland reißt auseinander
Dort aber, wo die frühen Kontinente in Kenorland gegeneinander stießen, türmten sich Gebirge auf und bremsten die Plattenbewegung ab - so wie heute in der Alpenregion, wo Afrika eine kleine Platte des Mittelmeeres unter Euro-pa schiebt.
Rund um Kenorland aber entstand in den aufgerissenen Spalten am Meeresboden weiterhin neue Kruste. Die drückte nun gegen den Superkontinent und tauchte per Subduktion wieder ins Erdinnere ab - und zwar von allen Seiten gleichzeitig. Dadurch entstanden enorme Zugkräfte, die dazu führten, dass Kenorland wieder auseinander riss.
Hudsonland entsteht
So entstehen und vergehen seither Superkontinente. Geowissenschaftler schätzen, dass sich alle 500 bis 700 Millionen Jahre Kontinente zu Superkontinenten zusammenschieben. Vor rund 1,8 Milliarden Jahren bildete sich auf diese Weise Hudsonland: eine Landmasse, die vermutlich aus Nordamerika, Australien und Teilen Europas und Südamerikas bestand. Später bildeten sich Rodinia und - vor etwa 350 Millionen Jahren - Pangaea.
Pangaea zerfällt
Dieser Superkontinent erstreckte sich vom Nord- bis zum Südpol und vereinigte fast sämtliches Land des Planeten. Im Norden lagen Nordamerika, Teile Europas und Sibirien, im Süden Südamerika, Afrika, Indien, die Antarktis und Australien. Und erst als sich Pangaea vor rund 200 Millionen Jahren langsam aufzuspalten begann, entwickelte sich nach und nach die Erde, wie wir sie kennen.
Geologen überwachen die Bewegungen der Platten Heutzutage registrieren Geologen und Vermessungskundler alle Bewegungen der Platten mit Satelliten und wissen so auf den Millimeter genau, wie tief beispielsweise die Nazca-Platte zwischen Januar und August 2004 abgetaucht ist. Zudem überwachen sie die Plattengrenzen weltweit mit Seismometern. Denn dort, wo die Platten gegeneinander stoßen, werden fast alle Erdbeben ausgelöst - und zwar aufgrund zweier Phänomene:
- der Subduktion, die dazu führt, dass sich eine abtauchende Platte mit der darüber liegenden verhakt und dabei Spannungen aufbaut, die sich in Beben entladen (etwa in der Andenregion);
- der so genannten Horizontalverschiebungen, die dort entstehen, wo sich zwei Platten seitwärts gegeneinander verschieben (etwa in Kalifornien, wo die Pazifische an der Nordamerikanischen Platte entlangschrammt).
Der Zug der Kontinente geht weiter
Es gibt aber auch Beben, die entstehen, wenn zwei Platten voneinander wegdriften - wie in Ostafrika, wo eine 6400 Kilometer lange Riss-Zone, das Rift Valley, vom künftigen Schicksal des Kontinents kündet: In wenigen Millionen Jahren könnte sich der Riss zwischen Jordanien im Norden und Mosambik im Süden so sehr verbreitert und gleichzeitig vertieft haben, dass dort ein neuer Ozean entsteht.
Und der Zug der Kontinente geht weiter. In etwa 250 Millionen Jahren werden Nordamerika, Afrika, Europa, Asien und Südamerika vermutlich wieder zu einem Riesenkontinent verbunden sein. Und so könnte sich dann ein Wanderer - sollte es noch Menschen geben - aufmachen und von Schleswig-Holstein bis nach Patagonien marschieren.