Wettkampf mit Forschungsauftrag: Bei der Vendée Globe, der härtesten Hochsee-Regatta der Welt, ringen seit dieser Woche 40 Seglerinnen und Segler mit Stürmen, Wellen und Einsamkeit fern der Küsten. Die Teilnehmenden, darunter auch wieder der Deutsche Boris Herrmann mit seiner Yacht "Malizia Seaexplorer", umrunden den Globus alleine und ohne Zwischenstopp. 25 von ihnen haben diesmal auch wissenschaftliche Instrumente an Bord. Was die Datenjagd bei dem Rennen so wertvoll macht, erklärt der Ozeanograph Toste Tanhua vom Forschungszentrum GEOMAR in Kiel: Er arbeitet eng mit den segelnden "Citizen Scientists" zusammen.
GEO: Herr Tanhua, die Seglerinnen und Segler der Vendée-Globe-Regatta werden jetzt mehr als zwei Monate lang auf See sein, völlig auf sich allein gestellt. Wie sollen sie gleichzeitig noch der Wissenschaft helfen?
Toste Tanhua: Die meisten der Instrumente, die wir ihnen mitgegeben haben, arbeiten automatisch. Das „OceanPack“ zum Beispiel, das unter anderem auch Boris Herrmann auf seiner Yacht installiert hat, misst alle 20 Sekunden den Kohlendioxid-Gehalt im Wasser, außerdem kontinuierlich die Temperatur und die Salzkonzentration. Andere Segler haben Messbojen dabei, die sie in einer festgelegten Ozeangegend nur über Bord werfen müssen. Per Satellit übertragen die Instrumente dann selbständig alle Daten.
Ein Gerät wie das „OceanPack“ wiegt rund 17 Kilogramm. Ist das auf den Yachten im Rennen ein Wettbewerbsnachteil?
Ja, zum einen wegen des Gewichts, das natürlich bremst. Zum anderen müssen die Messinstrumente mit Strom versorgt werden. Um den zu erzeugen, setzen die Segler Dieselgeneratoren ein oder nutzen einen Propeller, den man zeitweise während der Fahrt ins Wasser absenkt. Auch dadurch werden die Yachten ein wenig langsamer.

Ab 2028 soll der Einsatz von Messgeräten bei der „Vendée Globe“ für alle Teilnehmenden zur Pflicht werden. Wozu braucht die Forschung die Hilfe der Freiwilligen?
Die Vendée Globe führt durch Meeresgebiete, die selten von Forschungsschiffen befahren werden. Vor allem über das Südpolarmeer wissen wir noch sehr wenig, aber es ist sehr wichtig für unser Klimasystem. Die Ozeane speichern enorme Mengen an Wärme und Kohlendioxid. Um besser zu verstehen, wie sie sich entwickeln, statten wir mittlerweile auch große Containerschiffe mit Instrumenten aus. Aber so weit im Süden sind auch diese Frachtschiffe eben kaum unterwegs.
Fiebern Sie beim Rennen mit, ob die Daten sicher ins Ziel kommen?
Ja, einige Daten werden von unterwegs schon per Satellit übertragen. So wissen wir jedenfalls, ob die Messinstrumente auf hoher See funktionieren. Aber natürlich ist es ein besonders spannender Augenblick, wenn die Seglerinnen und Segler dann von ihrer Weltumrundung nach Hause kommen.
Der deutsche Teilnehmer Boris Herrmann hat schon bei seiner ersten Vendée Globe 2021 mit Ihnen zusammengearbeitet. Was haben die Daten ergeben, die er vom Rennen zurückgebracht hat?
Die Messdaten zeigen, dass der südliche Ozean deutlich weniger Kohlendioxid aufnimmt, als wir mit unseren Rechenmodellen vorgesagt hatten, der Atlantik hingegen mehr. In den südlichen Meeresgebieten scheint die Funktion der Ozeane als „Klimaanlage“ des Planeten auch sehr stark zu schwanken. Die Gründe müssen wir jetzt näher erforschen.
Wollen sie in Zukunft auch Hobbysegler mit Messgeräten ausstatten?
Das machen wir schon! Wir haben mehrere Projekte, in denen wir für die Meeresforschung mit Laien zusammenarbeiten. Die Instrumente sind mittlerweile so klein und so einfach zu bedienen! In der Initiative „Sailing for Oxygen“ beispielsweise können sich Freizeitcrews eine Sonde zur Messung von Sauerstoff in der Ostsee ausleihen. Am Ende ihrer Reise geben sie diese dann wieder ab und können in einem Online-Portal genau sehen, wie diese Daten der Forschung zugutekommen.
Sie sind auch selbst Segler. Haben Sie an Bord Ihres Schiffes ein eigenes Messgerät?
Ja, tatsächlich! Auf meinem Boot „Tehlikeli“ habe ich früher sogar über Jahre gewohnt und bin damit bis Alaska und nach Hawaii gesegelt. Jetzt liegt es in Kiel, und ich habe darin auch ein kleineres Instrument für die Meeresforschung verbaut. Wenn ich im Sommer zur schwedischen Westküste segele, bringe ich dadurch immer auch Daten mit.