Zwei Orte in Berlin, die mit dem Drama des 20. Juli 1944 eng verbunden sind: den Bendlerblock und eine ehemalige Kohlenhandlung auf der Roten Insel. Aber nur an einem von beiden gedenkt die Bundesrepublik ihrer Helden. Im Innenhof des Bendlerblocks, dort wo der Hitler-Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg und drei seiner Mitstreiter in jener Hochsommernacht 1944 im Kugelhagel eines Erschießungskommandos starben, versammeln sich zu jedem Jahrestag Politiker und Honoratioren. Sie halten Ansprachen und legen Kränze vor der Gedenkplakette nieder, die hier angebracht ist, Soldaten marschieren zur Ehrenwache auf, und nebenan, im Exerzierhof des Verteidigungsministeriums, schwören die neuen Rekruten der Bundeswehr ihren Fahneneid.
Gut drei Kilometer Luftlinie entfernt, auf der Roten Insel in Schöneberg, zur Kaiserzeit ein Arbeiterviertel, steht ein unscheinbarer Bungalow neben den Gleisen der S-Bahn. Die Fenster vergittert, die Außenwand besprüht mit Graffiti der lieblosen Sorte; ein Bauzaun trennt das Grundstück von der neu angelegten Grünfläche. Hier stand einmal die Kohlenhandlung des sozialdemokratischen Widerstandskämpfers Julius Leber – ein wichtiger konspirativer Treffpunkt für die Verschwörer vom 20. Juli. Doch hierher verirrt sich am Jahrestag kein Politiker.

Anders als es die militärisch geprägte Gedenkveranstaltung im Bendlerblock nahelegt, waren es nicht nur Offiziere, die 1944 jenen verzweifelten Umsturzversuch wagten. Attentat und Putsch sollten die Militärs durchführen, anschließend aber sollte eine zivile Regierung die Macht übernehmen. Auf der Kabinettsliste der Verschwörer standen Männer verschiedenster politischer Couleur: Als Reichskanzler war der Nationalkonservative Carl Friedrich Goerdeler vorgesehen, als sein Vize der sozialdemokratische Gewerkschaftsführer Wilhelm Leuschner. Leber sollte Innenminister werden.