Dass der kleinste Inselstaat der Welt international Schlagzeilen macht, kommt nicht alle Tage vor. Auf dem Eiland im Pazifik, 53 Kilometer südlich des Äquators, leben gerade mal 10.000 Menschen. Es hat keine offizielle Hauptstadt und erstreckt sich über kaum mehr als 21 Quadratkilometer Fläche. Auf Sylt fände der Staat fast fünfmal Platz. Sein Name: Nauru.
Und doch berichten Medien von Australien bis in die USA in diesen Tagen über die Minirepublik. Denn der Staat hat seine diplomatischen Beziehungen zu Taiwan abgebrochen – und sich stattdessen China zugewandt.
Es ist nicht die erste Kehrtwende Naurus. Innerhalb eines Jahrhunderts hat es der Staat vollbracht, von einer durch imperiale Mächte ausgebeuteten Insel zu einem der reichsten Länder der Welt aufzusteigen – nur um dann in tiefste Armut zu versinken. Einmal Schlaraffenland und zurück.
Phosphat machte Nauru reich
1888 betrat Nauru erstmals die internationale Bühne, wenn auch unfreiwillig. Das Deutsche Kaiserreich annektierte die Insel und verleibte sie seinem Kolonialreich ein. Wenig später entdeckten Schürfer Phosphat, uralten versteinerten Kot von Seevögeln, der die Zukunft Naurus fortan bestimmen sollte. Denn Phosphat ist der wichtigste Bestandteil von Düngemitteln, macht Äcker fruchtbar und galt zeitweilig als fast so kostbar wie Gold.
Nach dem Ersten Weltkrieg – Nauru wurde britisches Mandatsgebiet, aber von Australien verwaltet – beuteten Großbritannien, Australien und Neuseeland die Phosphatvorkommen aus, während die Inselbewohner leer ausgingen. Erst 1968 erkämpften sie ihre Unabhängigkeit – und erwarben innerhalb kürzester Zeit sagenhaften Reichtum: In den 1970er-Jahren spülte der Verkauf des auf dem Weltmarkt begehrten nährstoffreichen Bodens umgerechnet bis zu 87 Millionen Euro pro Jahr auf die Insel. Plötzlich war das Eiland einer der wohlhabendsten Staaten der Welt.

Endlich profitierten auch die Menschen auf Nauru von den Rohstoffen: Die Regierung bezahlte den Bürgerinnen und Bürgern Putzkräfte und Arztbesuche, subventionierte Mieten, das Telefon, den Strom und stellte Hunderte Polizisten für die Bekämpfung von Kriminalität ein, die kaum vorhanden war. Frachtschiffe brachten mehr Luxuswagen auf die Insel, als es Straßenkilometer gab. Nauru wurde zum Südseeparadies. Allein: Eine nachhaltige Geldanlage waren die Investitionen nicht.
Und während die Regierung das Staatsvermögen verprasste und sich die Phosphatvorkommen langsam erschöpften, verwüsteten die Nauruer mehr und mehr ihr eigenes Land. Wo sie Phosphat aus der Erde geschaufelt hatten, blieb eine öde Mondlandschaft zurück. Heute gelten bis zu neun Zehntel der Fläche als unbewohnbar.
Nauru: Image als Gefängnis Australiens
An seinen Tiefpunkt gelangte Nauru 2004. Die Wirtschaft lag am Boden, 90 Prozent der Einwohner waren arbeitslos. Das Paradies verwandelte sich in ein Armenhaus. Verzweifelt suchte die Regierung nach Einnahmequellen – und hieß Briefkastenfirmen und Steuerflüchtlinge willkommen.
Rund 450 Offshore-Banken waren in der Hochphase auf der Insel registriert, allein die russische Mafia soll hier Schwarzgeld im Wert von mehr als 60 Milliarden Euro gewaschen haben. Ein Geldregen kam auch, als Nauru Hunderte afghanische Boatpeople aufnahm, die die australische Regierung nicht in ihrem Land haben wollte. Doch der Imageschaden war gewaltig, fortan galt Nauru als Gefängnis Australiens.

Auch Diplomaten machte Nauru es nicht immer leicht. Vor gut 20 Jahren beendete das Land schon einmal seine langjährigen Beziehungen zu Taiwan, weil dessen Erzfeind China im Gegenzug Schulden erließ und Finanzhilfen versprach. Doch bald darauf bekannte sich das Land wieder zu Taiwan – bis 2024. Der diplomatische Schlingerkurs hält an.
Seine Gunst scheint Nauru auch an andere Staaten zu verkaufen: Es erkannte die Unabhängigkeit der georgischen Regionen Abchasien und Südossetien an, zum Ärger vieler UN-Mitglieder und zur Freude Russlands – und erhielt etwa zeitgleich einen russischen Millionenkredit.
Doch eine echte Einnahme-Alternative zum Phosphat hat die Regierung bislang nicht gefunden – auch der Tourismus wird das auf absehbare Zeit kaum sein. Selbst die sonst so findige Reiseplattform Tripadvisor verzeichnet auf Nauru nur neun Sehenswürdigkeiten, darunter Überbleibsel aus der japanischen Besatzungszeit während des Zweiten Weltkriegs.
Geblieben vom früheren Geldsegen ist vor allem eins: Fettleibigkeit. Gut jeder zweite Mensch auf Nauru hat Übergewicht, das Land besitzt eine der höchsten Diabetesraten der Welt.