Dass Bewegung gesund ist, steht außer Frage. Trotzdem sitzt der Mensch des 21. Jahrhunderts – im Büro, im Auto, auf dem Sofa – so viel wie keine Generation vor ihm. Wir zählen Schritte, reden über Sportziele und Fitness-Apps, und doch gelingt es vielen nicht, regelmäßig in Schwung zu kommen.
Genau hier setzt eine neue Untersuchung aus Finnland an – mit einer Botschaft, die vor allem für Bewegungsmuffel ermutigend ist: Schon eine halbe Stunde weniger Sitzen pro Tag regt den Stoffwechsel spürbar an.
Kleines Minus, großer Effekt
Forschende des Turku PET Centre und des UKK-Instituts für Gesundheitsforschung ließen 64 übergewichtige, körperlich inaktive Erwachsene mit metabolischem Syndrom über sechs Monate an einem Alltagsexperiment teilnehmen. Die eine Hälfte sollte ihre tägliche Sitzzeit um etwa eine Stunde verringern, durch mehr Stehen oder leichte Bewegung – ohne Sportprogramm. Die andere Hälfte machte weiter wie bisher.
Das Ergebnis: Die Interventionsgruppe saß im Schnitt 41 Minuten weniger pro Tag. Klingt wenig, reichte aber aus, um den Energiestoffwechsel messbar zu verändern. Besonders diejenigen, die es schafften, mindestens 30 Minuten weniger zu sitzen, verbesserten ihre Fähigkeit, zwischen Fett- und Kohlenhydratverbrennung zu wechseln – ein zentraler Marker für gesunden Stoffwechsel.
Die Wissenschaft nennt dieses Anpassungsvermögen „metabolic flexibility“. Ein Körper, der flexibel zwischen Energiequellen wechselt, reagiert sensibler auf Insulin, hält den Blutzucker stabil und lagert weniger Fett in Muskeln und Leber ein.
Wenn Stehen zur Therapie wird
Interessanterweise genügte dafür bereits mehr Stehen. Die Forschenden fanden heraus: Je länger jemand auf den Beinen war, desto aktiver arbeitete der Stoffwechsel – Fette wurden effizienter genutzt, die Zellen reagierten sensibler auf Insulin. Das liegt daran, dass beim Stehen vor allem oxidative Muskelfasern aktiv sind, die bevorzugt Fette zur Energiegewinnung nutzen. Selbst die Muskulatur der Oberschenkel kann also in ruhiger Position zum Stoffwechselhelfer werden.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass schon kleine Unterbrechungen des Sitzens helfen können, den Energiestoffwechsel zu stabilisieren“, sagt Studienleiterin Taru Garthwaite. Die Effekte seien besonders bei Menschen mit Übergewicht oder erhöhtem Krankheitsrisiko relevant. Größere Vorteile ließen sich zwar durch gezieltes Training erzielen, aber auch kleine Schritte zählten.
Warum der Stoffwechsel aus dem Tritt gerät
Wer viel sitzt, verbraucht nicht nur weniger Kalorien. Der Körper verlernt auch, zwischen Ruhe- und Belastungszuständen umzuschalten. Fette werden weniger effizient verbrannt, Blutzuckerwerte steigen, Insulin muss häufiger eingreifen. Diese „metabolische Unflexibilität“ gilt als Vorbote für Diabetes Typ 2 und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das Team aus Turku konnte zeigen, dass die Steigerung leichter Alltagsaktivität – etwa Treppensteigen, kurze Spaziergänge oder Stehpause beim Telefonat – dem entgegenwirkt.
Mehr Alltag, weniger Fitnessplan
Die Studie, veröffentlicht im Scandinavian Journal of Medicine & Science in Sports, liefert also kein Plädoyer für Sportverzicht, wohl aber eines für niedrigschwellige Bewegung. Wer jeden Tag ein paar Sitzminuten einspart, tut seinem Stoffwechsel spürbar Gutes.
Denn offenbar reagiert der Körper nicht nur auf Training, sondern auf jedes Aufstehen. Und vielleicht ist genau das die motivierendste Nachricht für alle, die sich zum Sport einfach nicht aufraffen können: Der erste Schritt zu einem gesünderen Stoffwechsel ist buchstäblich ein kleiner – hinaus aus dem Stuhl.