Wovor fürchten sich die Deutschen? Welche Sorgen rauben ihnen den Schlaf? Diesen Fragen geht eine repräsentative Langzeitstudie der „r+v“-Versicherung nach. Sei 32 Jahren erhebt sie die zehn größten Ängste und gilt als kleiner Seismograf der Befindlichkeiten zu Politik, Wirtschaft, Familie und Gesundheit. Am heutigen Donnerstag wurden die Ergebnisse vorgestellt. Die Antworten von 2400 Menschen im Alter ab 14 Jahren flossen ein. Die Befragung erfolgte im Zeitraum von Juni bis August 2023.
Auffallend ist: Die Deutschen sorgen sich um ihren Wohlstand. Die drei Top-Ängste sind die Furcht vor steigenden Preisen, die 65 Prozent der Befragten umtrieb. Sechs von zehn Befragten fürchten sich der Studie zufolge ebenfalls davor, dass Wohnen in Zukunft unbezahlbar wird (60 Prozent). Und fast ebenso viele Befragte ängstigen sich mit 57 Prozent davor, dass der Staat die Steuern heraufsetzt oder Hilfeleistungen kürzt. Die Inflationsangst hat zwei Drittel der Deutschen nach den Ergebnissen der Studie im Griff.
Trotz dieser sorgenvollen Stimmung ist die Furcht vor einer schlechten Wirtschaftslage wiederum um sechs Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr gesunken und Menschen bangen offenbar auch weniger darum, ihren Job zu verlieren und arbeitslos zu werden. Politikwissenschaftlerin Prof. Isabelle Borucki, welche die Studie als Beraterin begleitete, führt Letzteres auf zahlreiche Berichte zum Fachkräftemangel in den Medien zurück, die die Angst vor eigenem Jobverlust gemindert haben könnten.
Angst vor gesellschaftlicher Spaltung hat jeder Zweite
Im Vergleich zum Vorjahr sind zwei Ängste laut der Studie besonders stark gestiegen: Mehr Deutsche sorgen sich, dass Behörden durch Geflüchtete überfordert sein könnten (plus elf Prozentpunkte), und dass der Zuzug von Migrantinnen und Migranten das Zusammenleben in Deutschland beeinträchtigen könnte (plus zehn Prozentpunkte). Beide Sorgen liegen aber noch unter den Höchstwerten von 2016, also zum Höhepunkt der Flüchtlingskrise.
Interessant an den Ängsten im Zusammenhang mit dem Thema Migration: Erstmals waren die Ängste im Westen höher als bei den im Osten lebenden Deutschen. Während rund 56 Prozent der befragten Westdeutschen sich vor einer Überforderung durch Geflüchtete sorgte, waren es im Osten 54 Prozent. Jeder zweite Befragte fürchtete zudem eine Spaltung der Gesellschaft. Prof. Isabelle Borucki ordnet ein: Menschen sorgten sich offenbar übereinstimmend zu Erkenntnissen der Migrationsforschung zunehmend, dass knappe Güter wie etwa Wohnraum, Betreuung und Sozialleistungen durch Geflüchtete bedroht sein könnten.
Jüngere haben größere Klimaängste
Auch Umweltängste plagen die Menschen in Deutschland. Allerdings Jüngere (14-19 Jahre) mehr als die Generation von 20 bis 39 Jahre, 40 bis 59 Jahre oder gar ab dem sechzigsten Lebensjahr. Insgesamt liegt die Angst vor dem Klimawandel nur auf Platz 10 der Ängste-Skala. 2023 erreicht die Angst mit 49 Prozent im Westen ihren Höchststand, mit 40 Prozent im Osten wiederum den Tiefstand.
Die Angst vor einem Krieg mit deutscher Beteiligung ist durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine im vergangenen Jahr sprunghaft angestiegen und hat sich den Studienergebnissen zufolge seitdem auf ähnlichem Niveau stabilisiert.