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Erdrotation 60-Stunden-Tage? Wie Mond und Klimawandel unseren Planeten ausbremsen

Die künstlerische Illustration zeigt die Erde, den Mond und die Sonne
Der Mond bremst die Erdrotation – und die Sonne beschleunigt sie. Aus diesem Wechselspiel ergab sich unsere Tageslänge
© Kevin M. Gill / dpa
Auf der jungen Erde dauerte ein Tag keine zehn Stunden. Seither verlangsamt der Mond die Rotation des Planeten beständig. Doch zwischenzeitlich hatte er einen mächtigen Gegenspieler: die Sonne. Und auch die globale Erwärmung könnte die Länge unserer Tage beeinflussen

Zwei Himmelskörper beeinflussen die Drehung der Erde. Die Anziehungskraft des Mondes türmt vor allem die Wassermassen der Ozeane zu Flutbergen auf. Ihr Sog und die Reibung zwischen Wassermassen und Meeresboden verlangsamen die Rotation unseres Planeten. Würde seine Drehgeschwindigkeit allein vom Mond abhängen, müsste ein Tag inzwischen 60 Stunden dauern.

Dass die Erde heute 24 Stunden für eine Umdrehung braucht, haben wir der Sonne zu verdanken. Sie bot dem Mond zwischenzeitlich Einhalt. Zu diesem Schluss kommen Forschende aus Kanada und Frankreich. Sie schauten sich die Drehgeschwindigkeit der Erde über die vergangenen Jahrmillionen an sowie die verschiedenen Faktoren, die sie beeinflussten. Ihre Ergebnisse haben sie nun im Fachblatt Science Advances veröffentlicht. 

Für 1,4 Milliarden Jahre veränderte sich die Tageslänge nicht

Vor 4,5 Millionen Jahren drehte sich die noch junge Erde erheblich schneller als heute. Ein Tag dauerte weniger als zehn Stunden. Zu jener Zeit umkreiste der frisch entstandene Mond die Erde auf einer wesentlich engeren Bahn; entsprechend waren die Gezeiten viel stärker als heute. Da die Flutberge die Erdrotation abbremsten, verlangsamte sie sich stetig - bis vor etwa zwei Milliarden Jahren.

Wie die Untersuchungen von Norman Murray von der University of Toronto in Kanada und seinen Kolleg*innen zeigen, kam der Prozess damals für 1,4 Milliarden Jahre zum Stillstand. Mithilfe von Klimamodellen, wie sie auch für die Vorhersage der derzeitigen globalen Erwärmung verwendet werden, kamen die Forschenden der Ursache für den Stillstand auf die Spur.

"Auch die Strahlung der Sonne verursacht Gezeiten", erläutert Murray - allerdings nicht im Ozean, sondern in der Lufthülle der Erde. Diese atmosphärischen Gezeiten beschleunigen im Gegensatz zu den Mond-Gezeiten die Erddrehung. Normalerweise ist ihr Einfluss um den Faktor Zehn geringer. Allerdings nicht immer, wie die Arbeit des Teams zeigt.

Denn wie schnell sich die Gezeitenberge in der Lufthülle der Erde ausbreiten, hängt von den Eigenschaften der Atmosphäre ab, unter anderem ihrer Temperatur. Vor zwei Milliarden Jahren – damals dauerte der Tag um die 20 Stunden – war die Lufthülle der Erde wärmer als heute. Atmosphärische Gezeiten brauchten damals rund 10 Stunden, um die Erde zu umrunden – exakt halb so lange, wie die Erde für eine Umdrehung benötigte. Durch diese Resonanz wurden die atmosphärischen Gezeitenberge höher und ihr Einfluss auf die Erddrehung so stark, dass er die Abbremsung durch den Mond ausglich.

Der Klimawandel bremst den Planeten weiter aus

Murray vergleicht das Phänomen mit einer Kinderschaukel: "Gibt man dem Kind unabhängig von der Bewegung der Schaukel Anschub, so kommt die Schaukel nicht sehr hoch. Stößt man jedoch im gleichen Rhythmus wie die Schaukel, also in Resonanz, so bewegt sich die Schaukel höher und höher. Ganz ähnlich hat die atmosphärische Resonanz die Gezeiten der Sonne aufgeschaukelt."

Rund anderthalb Milliarden Jahre lang hob die Sonne den Einfluss des Mondes auf, die Tageslänge blieb konstant. Erst vor gut 600 Millionen Jahren gewannen die Kräfte des Mondes wieder die Oberhand.

Die Studie von Murray und seinem Team zeigt aber nicht nur, warum der Tag auf der Erde heute 24 Stunden lang ist. Sie bietet auch einen Blick auf die Zukunft. Heute brauchen die atmosphärischen Gezeitenberge rund 22,8 Stunden, um die Erde zu umrunden - sie sind also nicht in Resonanz mit der Tageslänge, aber auch nicht allzu weit davon entfernt.

"Wenn sich die Temperatur der Atmosphäre durch die globale Erwärmung weiter erhöht, wird dieser Unterschied jedoch größer", sagt Murray. "Dadurch nimmt der Einfluss der Sonne auf die Erddrehung weiter ab - und die Tageslänge nimmt schneller zu als ohne die Erwärmung." Beunruhigend ist die Entwicklung allerdings nicht: Die Tageslänge steigt derzeit um 1,7 Tausendstel Sekunden pro Jahrhundert. Selbst eine deutlich größere Zunahme wäre aus menschlicher Sicht ohne Bedeutung.

nos / dpa

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