Malawi Nieder mit den Fliegen! Eine Parasitologin bekämpft die Schlafkrankheit – mit Theater

Text: Frauke Gans
Mensch steckt in Fliegenkostüm
Damit es auf Reisen gehen kann, ist das Fliegenkostüm in mehrere Teile zerlegbar und robust gebaut, die Flügel sind etwa einen Meter lang
© Nicola Veitch
Die Schlafkrankheit gefährdet Millionen Menschen in Afrika. Die Parasitologin Nicola Veitch hat in Malawi eine Straßentheatergruppe gegründet – und macht in Dörfern mit Tänzern und einem Fliegenkostüm auf die Gefahr durch den Erreger aufmerksam

Musik wummert aus Lautsprechern. Dazu tanzen in weiße Laborkittel gekleidete Menschen um einen Schauspieler in einem überdimensionalen Fliegenkostüm, sie halten Schmetterlingsnetze in der Hand. Für dieses Szenario ist Nicola Veitch verantwortlich. Sie ist leitende Dozentin an der Fakultät für Biologie der Universität Glasgow und Mitglied der Society for Experimental Biology. 

Die Fachgesellschaft befasst sich unter anderem damit, wie Wissenschaft in der Öffentlichkeit vermittelt wird. "Schottland und Malawi haben etliche wissenschaftliche Programm-Partnerschaften", erklärt Veitch. Also gründete die 47-jährige Schottin die Straßentheatergruppe "Parasite Street Science", um in dem südostafrikanischen Land und in Schottland einen Diskurs über die Gefahr durch den Parasiten Trypanosoma brucei anzustoßen.

Unbehandelt führt die Schlafkrankheit meist zum Tod

Der Einzeller wird durch die Tsetsefliege übertragen und löst die zumeist tödliche Afrikanische Schlafkrankheit aus. Die Tänzer in Weiß verkörpern Wissenschaftler, ihre Fangnetze stehen für das Immunsystem. Strandbälle sollen die Parasiten darstellen und werden durch das Publikum gespielt, sie werden schließlich in die Kescher der Akteure manövriert. 

Im Finale greifen sich die "Wissenschaftler" eine Stoffbahn – ähnlich den Tsetse-Fallen, die in Malawis Bäumen hängen –, um auch den Schauspieler im Fliegenkostüm einzufangen. Die Zuschauer tanzen und feiern. Hinterher können sie den mitgereisten Medizinern Fragen zur Krankheit stellen.

Nicola Veitch lächelt in Kamera
Ein Glasgower Straßentheater inspirierte Nicola Veitch zu ihrem Projekt
© Emily Macinners für GEO

"Trypanosoma brucei tauchen verstärkt in ländlichen Gegenden auf. Am Rande der Naturschutzgebiete, wo es viele wilde Tiere gibt. Sie dienen den Parasiten als Reservoirs", sagt Veitch. Zudem seien Smartphones, Internet und Strom Mangelware in diesen Bezirken, die Aufklärung zur Schlafkrankheit läuft entsprechend schleppend. 

"Fiebert jemand stark, gehen Einheimische meist von Malaria aus, sie kommt ja auch häufiger vor. Und so schlucken sie die relativ leicht verfügbaren Malariamedikamente. Das ist fatal, wenn sie an der Schlafkrankheit leiden, weil diese unbehandelt meist zum Tod führt," so die Parasitologin. 

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Das Straßentheater soll die Menschen daran erinnern, sich bei Fieber auch auf Trypanosomiasis testen zu lassen. In afrikanischen Ländern waren laut WHO im Jahr 2020 noch schätzungsweise 55 Millionen Menschen durch den Parasiten bedroht.

"Außerdem verschwinden aus Malawis Bäumen immer wieder die Fliegenfallen aus schwarz-blauen Stoffbahnen, Farben, die Tsetsefliegen anlocken. Unsicher über ihren Nutzen, sammeln viele Einheimische die Fangvorrichtungen ein, um sie anderweitig einzusetzen. Prompt steigen dann die Fallzahlen der Schlafkrankheit", sagt Veitch. Auch das versucht die afrikanisch-europäische Schauspielertruppe zu ändern. Rund 1000 Zuschauer erreicht sie mit jedem der Auftritte.

Die Schottin setzt aber auch auf die Wissenschaft: "Seit Kurzem gibt es ein Medikament zum Schlucken gegen die Schlafkrankheit. Das wird die medizinische Versorgung der Landbevölkerung erleichtern."

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