Verfallene Fabrikhallen, tote Schlote und verwaiste Werften – einst war Rijeka eine blühende Industrie- und Schiffbaustadt. Doch nach dem Ende der Jugoslawischen Republik wurde vieles in Rijeka einfach sich selbst überlassen. Auf den ersten Blick fragt man sich da schon "Europäische Kulturhauptstadt – ehrlich jetzt?" Aber der erste Eindruck trügt: Rijeka, drittgrößte Stadt in Kroatien, hat eine ganze Reihe Überraschungen in petto.
Neben Industriebrachen, die übrigens auch durchaus Charme haben können, bezaubert die Stadt mit Historismus-, Barock- und Renaissancebauten, mit Klassik, Seccessions- und Jugendstil. Die Altstadt und der sogenannten Korzo, die zentrale Flaniermeile, erinnern an Wien und Budapest. Nicht ohne Grund: Seit Mitte des 15. Jahrhunderts gehörte die Metropole an der Kvarner Bucht – mit kürzeren italienischen Intermezzi - bis zum ersten Weltkrieg zur Österreichisch-Ungarischen Monarchie.
Rijeka vom Meer aus – Stadtgeschichte im Panorama
Besonders anschaulich liest sich Rijekas Stadtgeschichte vom Hafendamm aus - Molo Longo: Ein 1700 Meter langer Wellenbrecher, der als Promenade genutzt wird. Rechts liegt die Mündung der Rječina, der Rijeka ihren Namen verdankt. Am rechten Ufer lag die römische Siedlung des antiken Tarsatica, auf der linken Seite siedelte einige Jahrhunderte später die slawische Bevölkerung. Trsat auf einer Anhöhe, gehört noch heute zu den Sehenswürdigkeiten von Rijeka. Am Fuße und an die Hänge geschmiegt, liegt die Altstadt mit Marktplatz, Stadtturm und Turm der St. Veits Kathedrale, hinten links erheben sich erste Hochhäuser, davor recken Kräne ihre Ausleger in den Himmel. Es folgen Industrieanlagen und in flacheren Bauten verliert sich die Stadt schließlich im Umland.
Bis zum Ersten Weltkrieg gehörte Rijeka zur kaiserlichen und königlichen Monarchie. Im zweiten Weltkrieg, genauer gesagt von 1924 bis 1945, stand der größere Teil der Stadt unter italienischer Herrschaft, der kleine gehörte zum Königreich Jugoslawien. Ähnlich wie früher Berlin, trennte eine meterhohe Mauer die Stadt. Eine rote Linie erinnert noch heute an das geteilte Riejeka. Nach dem zweiten Weltkrieg folgte der Vielvölkerstaat Jugoslawien, Rijeka wuchs zur sozialistischen Musterstadt mit Werften, Raffinerien und Industrie. Die Bevölkerungszahl vervielfachte sich. Nach dem Ende des Sozialismus mussten viele Industrien schließen, die Anlagen verfielen, eine Menge Einwohner suchten ihr Glück anderswo.
Rijekas Straße Nummer eins - der Korzo
Gestern wie heute das Zentrum des Zentrums: der Korzo in der Altstadt. Er ist quasi die Pulsader von Rijeka. Hier wird flaniert, man trifft sich, macht Geschäfte und schließt Freundschaften, je nach Tageszeit dominieren Kaffeeduft oder die Aromen mediterraner Küche.
Die Bewohner Rijekas behaupten gar, der Korzo sei wie eine lebendige Tageszeitung. Der Korzo endet am Marktplatz der Stadt. Dieser Marktplatz gilt als einer der schönsten in ganz Kroatien. Drei sehenswerte Jugendstilhallen mit Fisch, Fleisch und Milchprodukten werden umringt von zahllosen Obst- und Gemüseständen. Nahezu ein Muss in Rijeka ist die Halle mit dem Fischmarkt. Vom Meer bis zur Verkaufstheke sind es nur ein paar Schritte. Verkauft wird, was die Adria liefert. Frischer geht es kaum und allein schon das Ansehen ist ein Genuss.
Weitere Sehenswürdigkeiten in der Altstadt
- Die Principia Tarsatica: das Alte Tor oder auch "römischer Bogen" sind Reste des repräsentativen Eingangs ins Zentrum des antiken Tarsica. Heute überspannt er eine kleine Gasse.
- Die Kathedrale des heiligen Vitus: monumentaler Barockbau, errichtet für den Schutzpatron der Stadt, den heiligen Vitus. Einzige barocke Rotunde in ganz Kroatien.
- Der Stadtturm: das Wahrzeichen von Rijeka und ehemals ein Durchgang in die befestigte Stadt.
Beliebtes Pilgerziel - der Trsat
Oberhalb der Altstadt auf einem Berg befindet sich Trsat. Von diesem Teil der Stadt hat man einen herrlichen Blick auf Rijeka und die Kvarner Bucht. Klar eigentlich, hier stand mal ein Wachtposten.
- DasKastell von Trsat: 138 Meter über dem Meer gelegen, in der Antike Wachtposten, ist hier heute Platz für eine Galerie, Open-Air-Konzerte und Theateraufführungen.
- Der Schrein der Muttergottes und Franziskanerkloster von Trsat: der größte Wallfahrtsort und ältestes Heiligtum von Kroatien. Täglich kommen zahlreiche Wallfahrer aus Kroatien und dem Ausland. Und wer für den Aufstieg die 561 historischen Stufen aus der Altstadt wählt, macht nicht nur einen gemütlichen Spaziergang, er darf sich dann auch ein kleines bisschen als Pilger fühlen…
Rijeka als Europäische Kulturhauptstadt - hier geht der Punk ab
Industrie hin oder her, Rijeka war auch schon zu Sozialismuszeiten kulturell manchmal Vorreiter: beispielsweise ist hier die erste Punkband Osteuropas aufgetreten – 1977. Für das Kulturhauptstadt-Jahr geplant ist nun unter anderem eine Performance der Band Compressorhead, die nur aus Robotern besteht und diese zum Teil aus Recyclingmaterial.

Aber es geht selbstverständlich auch weniger avantgardistisch:
- Museum der modernen und zeitgenössischen Kunst: Sammlung heimischer Künstler aus Rijeka des 19. Jahrhunderts sowie von kroatischen und ausländischen Künstlern des 20. und 21. Jahrhunderts. Gerade ist das Museum umgezogen in einen ehemaligen Industriekomplex. Außerdem gibt es noch einen Kleinen Salon am Korzo in der Altstadt.
- Stadtmuseum: Hier geht's um die industrielle, kulturelle und soziale Geschichte von Rijeka.
- Naturkundemuseum: Multimediazentrum mit Aquarium mit Arten aus dem Adriatischen Meer.
- See- und Geschichtsmuseum des Kroatischen Küstenlandes in Rijeka: Untergebracht im ehemaligen Gouverneurspalast am Museumsplatz. Das Gebäude im Stil der Neorenaissance wurde erbaut vom Architekten des ungarischen Parlamentsgebäudes. Unbedingt ansehen. Der dazugehörige französische Garten ist ebenfalls einen Besuch wert.
- Computer Museum Peeke & Poke: Dauerausstellung in Rijeka mit über 2000 Exponaten aus der ganzen Welt zu Computergeschichte sowie Audio-, Video- und Foto-Technik. Highlight: Man darf nicht nur gucken, sondern auch anfassen und mit den Oldies spielen.
Vergangenheit und Gegenwart – aus alt mach' neu
Rund 40 Millionen Euro EU-Fördermittel hat Rijeka für das Kulturhauptstadt-Jahr bekommen. Anders als andere Europäische Kulturhauptstädte will Rijeka aber keine neuen Gebäude bauen, sondern bestehende (um)nutzen. Upcycling par excellence. Auf einem brachliegenden Fabrikgelände, "Rikard Benčić", werden beispielsweise vier Kultureinrichtungen ein neues Zuhause finden. Das Stadtmuseum, die Stadtbibliothek, das Childrens House (ein Veranstaltungszentrum speziell für Kinder) und das Museum für moderne und zeitgenössische Kunst. Letzteres hat seine neuen Räumlichkeiten in Rijeka sogar bereits bezogen.
"Hafen der Vielfalt" lautet Rijekas Motto als Europäische Kulturhauptstadt. Und dazu passt auch die "Galeb": Ehemals ein Fracht- und Militärschiff, kurz vor Ende des zweiten Weltkrieges im Hafen von Rijeka gesunken, wieder gehoben, als Schulschiff verwendet und schließlich als Yacht von Staatschef Tito genutzt. Nun soll das Schiff in ein Museum umgewandelt werden. Insgesamt 600 Programmpunkte, von einer Klimt Ausstellung über kulinarische Events bis hin zu Aktionen einer "Grünen Welle", die durch die Stadt rollen soll, hat Rijeka für das Europäische Kulturhauptstadt Jahr vorbereitet. Vielfältig eben.