"Ein Pils, bitte!" Kaum ein anderer Satz dürfte in Kneipen rund um den Globus öfter ausgesprochen werden…
Begonnen hatte der einzigartige Siegeszug des Pilsener Bieres eigentlich schon im 13. Jahrhundert. Seitdem durften die Bürger in Pilsen, dem heutigen Plzeň in der Tschechischen Republik, Bier brauen. Leider war es aber so schlecht, dass der Legende nach 1838 sogar 36 Fässer auf dem Marktplatz ausgeschüttet werden mussten, weil sie ungenießbar, ja gar gesundheitsschädlich waren.
Ganz anders das heutige Pilsener Urquell: Ihm wird sogar gesundheitsfördernde Wirkung nachgesagt. Natürlich nur, wenn es in Maßen genossen wird…
Seine steile Karriere startete das untergärige Bier Mitte des 19. Jahrhundert. Nachdem das ungenießbare Gebräu auf dem Marktplatz versickert war, beschloss der Stadtrat den Bau eines Bürgerlichen Bräuhauses und engagierte einen Braumeister aus Bayern. Der machte sich ans Werk und schon im Oktober 1842 konnte er das erste Pils ausschenken. Der Geschmack war so ausgezeichnet, dass angeblich selbst der Brauer überrascht war. Ob das nun an seinem Geschick, den lokalen Bedingungen oder bloß einem glücklichen Zufall lag – geschenkt.
Das Bier machte Furore. Zunächst in Prag, wo es in immer mehr Kneipen aus dem Hahn floss, dann in Wien und ab 1863 wollten es auch die Franzosen haben. Ein Jahr zuvor war Pilsen gerade ans Eisenbahnnetz angeschlossen worden und in speziell gebauten Kühlwagen ging das Bier nun in alle Welt - sogar nach Amerika.
Noch heute verleiht das weiche Brauwasser aus dem hauseigenen Brunnen dem Pilsener Urquell seinen unnachahmlichen Geschmack. Inzwischen wird zwar in Edelstahltanks gebraut, aber es gibt auch immer noch einige traditionelle Holzfässer. Zum Vergleich. So kann stets die Qualität überprüft werden – ob das Bier wirklich noch schmeckt, wie das Original.

"Bier her, Bier her!"
Ob Verkostung oder historische Braukunst – hier dreht sich in Pilsen alles ums Bier:
- Bei einer Brauereiführung in der Pilsener Urquell Brauerei.
- In der sehr rustikalen Bierhalle am Betriebsgelände der Pilsener Urquell Brauerei. Immerhin das größte Bierhaus, das die Tschechische Republik zu bieten hat. 550 Leute finden hier Platz. Schon Vacláv Havel und Bill Clinton waren zu Gast. Zum Bier werden Klassiker der böhmischen Küche gereicht.
- Im U Salzmannů in der Pražká 8, die älteste Pilsener Bierstube im Stadtzentrum serviert altböhmischer Küche.
- Im Brauereimuseum in einem historischen Stadthaus. Von hier kommt man auch in die historischen Keller von Pilsen. Ein Gänge-Labyrinth, das im 14. Jahrhundert unter der Altstadt angelegt wurde. Die mehrstöckigen unterirdischen Räume sind zum Teil miteinander verbunden und dienten der Aufbewahrung von Lebensmitteln, als Handwerksstätten oder Brennereien. Außerdem konnte man schnell vor Feinden oder bei Feuersbrünsten fliehen.

Náměstí Republiky und andere alkoholfreie Sehenswürdigkeiten
Aber auch, wer mit Bier weniger am Hut hat, kommt in Plzeň auf seine Kosten. Immerhin lag Pilsen am Knotenpunkt wichtiger Handelswege zwischen Böhmen, Bayern und Sachsen. Rund 80 Kilometer von der deutschen Grenze und eine knappe Stunde Fahrt von Prag entfernt, herrscht hier immer noch ein Hauch k.u.k.-Chic und westböhmisches Flair. Den historischen Rundgang startet man am besten auf dem Náměstí Republiky.
- Der Platz der Republik ist einer der größten Stadtplätze Europas mit 193 mal 139 Metern Fläche ist er fast 30.000 Quadratmeter groß (oder satte vier Fußballfelder). Besonders beeindruckend: Der Náměstí Republiky wurde bereits 1295 angelegt, bei der Neugründung der Stadt. Alt-Pilsen lag zu nah am Wasser und war häufig von Überschwemmungen bedroht
- St.-Bartholomäus-Kathedrale: Mit der Stadtgründung wurde auch gleich mit dem Bau eines Doms begonnen. 1993 gründet Papst Johannes Paul II ein Bistum in Pilsen und erhob den Dom zur Kathedrale der Pilsener Diözese. Obwohl die St.-Bartholomäus-Kathedrale einige Jahrhunderte zählt, ist ihr Hauptaltar noch jung. Er wurde 1900 anlässlich der Weltausstellung gefertigt und erhielt sogar einen Preis für sakrale Kunst.
- Übrigens: Wer etwas Puste hat, erklimmt die 293 Stufen des Kirchturms der St.-Bartholomäus-Kathedrale, der höchste, den die Tschechische Republik zu bieten hat und genießt die Rundumsicht.
- Die Große Synagoge wurde 1888 bis 1893 im maurisch-romanischen Stil gebaut. Besonders auffällig: Die leuchtend zinnoberroten Zwiebeltürme. Die Große Synagoge von Pilsen kann 1200 Besucher fassen und ist nach den Synagogen von Jerusalem und Budapest die drittgrößte der Welt. In der Pogromnacht 1938 blieb sie verschont, weil sich in der Nähe ein nationalsozialistisches Verwaltungsgebäude befand. Im Krieg diente sie dann als Verkaufslager für Möbel der verschleppten Juden. Bis 1973 fanden hier auch immer noch Gottesdienste statt, dann ließ die kommunistische Partei die Große Synagoge verfallen. Erst ab 1994 wurde wieder mit der Sanierung begonnen. Heute finden hier wechselnde Ausstellungen und Konzerte statt. Wegen der speziellen Akustik ein besonderer Hörgenuss!
- Die Pilsener Stadtwaffenkammer zeigt historische Waffen, darunter Raritäten wie gotische Feuerwaffen aus der Wende zum 14. Jahrhundert, Hellebarden und zahlreiche Rüstungen. Sogar auf die Frage, wie früher der Sold ausgezahlt wurde, gibt es fast eine Antwort: Zu bestaunen ist ein Militärgeldschrank aus dem 17. Jahrhundert.
- MarionettenMuseum: In Pilsen hat Puppenspiel eine lange Tradition. Im zweiten Stock gibt es auch eine Bühne mit vielen Hand- und Stockpuppen sowie Marionetten an denen sich auch die Besucher versuchen dürfen.
Pilsen für Technik-Fans: das Škoda-Museum
Der zweite Exportschlager von Pilsen, neben dem Bier, sind die Škoda-Werke oder besser gesagt, deren Produkte. Nur wenige Jahre nach der Brauereigründung eröffnete Graf Wallenstein-Wartenberg in Pilsen eine Gießerei und Maschinenfabrik. Namensgeber wurde der wenig später eingestellte Ingenieur Emil Škoda. Noch vor Ausbruch des ersten Weltkriegs wurden die Škoda-Werke zur größten Waffenfabrik Österreich-Ungarns und somit dann im zweiten Weltkrieg zur Zielscheibe der Allierten…
Als schließlich Ende des 20. Jahrhunderts aus der Tschecheslowakei die Tschechische Republik wurde, wurden die Škoda-Werke von einem staatlichen Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, die heute vor allem für Autos bekannt ist.
Lohnenswert ist ein Besuch im Škoda-Museum. Eine Dauerausstellung zeigt Geschichte und Gegenwart der Škoda-Werke. Besonders anregend ist das Techmania Science Center in einer Fabrikhalle auf dem Gelände der Škoda-Werke. Ein interaktives Zentrum, das Wissenschaft kein bisschen trocken präsentiert, sondern mit physikalischen Spielereien, Experimenten und Wissenschaftsneuigkeiten.
So. Und nach soviel Sightseeing hat man sich dann wirklich eines verdient: "Pivo prosím!"