
Irgendwann in den frühen Achtzigern will Paul Pollack, Redakteur beim „Kurier“ in Wien, mit seinem Sohn eine Abenteuerwoche verbringen. Seine Idee: von Passau an der Donau bis nach Wien zu radeln. Die Tour am Strom wird für beide zum Survivaltrip: Markierungen? Fehlanzeige! Am Ufer müssen sie sich durch Wildnis schlagen. Und wenn sie auf den „Treppelpfaden“ radelten, auf denen früher die Zugpferde für die Kähne liefen, tauchte postwendend die Polizei auf. Das Befahren war damals noch streng verboten. Zurück in Wien, schreibt Pollack trotzdem im „Kurier“ eine Serie über den Hindernisparcours – und löst eine Initialzündung aus: Tausende Radler wollen es den zwei Donaupionieren gleichtun. Heute ist der Donauradweg ein Star unter Europas Fernradwegen. Pro Tag sind durchschnittlich 2000 Menschen auf der längst durchgängig befahrbaren, bestens ausgebauten Strecke unterwegs. Die knapp 330 Kilometer von Passau bis Wien passen natürlich nicht ins Zeitbudget jedes Radtouristen. Auf welchem Abschnitt lässt sich der Donauradweg also am schönsten erleben? Für eine Wochenendtour empfehlen wir die erste Hälfte. Von Flusskilometer 2226 in Passau, wo die Donau mit den Zuflüssen von Inn und Ilz erst zum wahren Strom anschwillt, über Linz bis nach Grein, zum Flusskilometer 2079. (Seltsamerweise werden die Flusskilometer an der Donau von der Mündung im Schwarzen Meer an gezählt.) Auf den ersten Blick sind diese 150 Kilometer etwas weniger glamourös als die zweite Hälfte mit der Wachau, Stift Melk und Wien.
Das spektakulärste Naturwunder: die Schlögener Schlinge
Aber an der Strecke durch Oberösterreich erwarten die Radler viele Attraktionen, die so vielleicht nicht im Baedeker stehen. Bei den Augustinern in St. Florian erklingen täglich noch die 7386 Pfeifen der Orgel, auf der Anton Bruckner als Stiftsorganist seine Karriere begonnen hat. Hochprozentiges statt Hochkultur produzieren die Trappisten im Kloster Engelszell. Die vier Mönche, die sich auschließlich mit ihrer Zeichensprache aus 37 Gesten unterhalten, stellen einen Kräuterlikör her – so lecker, dass man über Österreichs Toleranz gegenüber leicht beschwipsten Radlern (0,8 Promille) dankbar ist. In Linz können Radler die spannende Verwandlung von der Stahl- zur Kunststadt besichtigen. In Grein finden sie ein Schifferstädtchen, das sich – einst wohlhabend als letzter sicherer Hafen vor den gefürchteten Donaustrudeln im Strudengau – seinen barocken Charme bis heute bewahrt hat.

Echten Typen kann man auf der Strecke begegnen wie dem letzten Berufsfischer Franz Wiesmayer in Linz. Ein blonder Naturbursche, der täglich seine Netze auswirft. 500 bis 600 Kilogramm Brachsen, Dorsche, Karpfen und Flusskrebse holt er jährlich aus dem Strom. Es waren schon mal mehr. Aber Franz weiß um das „Glück, machen zu dürfen, was ich eben mache“. An echter Herzlichkeit fehlt es auch nicht: Beim Boxenstopp in Erich Aumüllers Gasthof in Obermühl wird Fisch aufgetischt – dazu Erichs Passion, spritziger Most aus dem eigenen Mostkeller.
Natürlich ist zwischen Passau und Linz auch das spektakulärste Naturwunder am großen Strom zu bewundern, die Schlögener Schlinge: wie die Donau dort im Böhmischen Massiv erst buchstäblich auf Granit beißt, sich dann um 180 Grad dreht, eine Kehre zurück Richtung Quelle im Schwarzwald macht und nach einer erneuten 180-Grad-Wende ihren Weg nach Osten zwischen 300 Meter hohen, steilen Hängen fortsetzt. Kurzum: Die drei Tage, in denen jeder halbwegs Sportliche die 150 Kilo- meter auf dem leicht abfallenden Radweg bewältigen kann, sind eine „Kreuzfahrt auf zwei Rädern“ durch eines der schönsten Flusstäler Europas. Mit jeder Menge Kultur, Städte-Trips, Genussplätzen und Naturschauspielen; auch mit „Bike & Bett“-Quartieren für jeden Geldbeutel – vom Zeltplatz bis zum Vier-Sterne-Wellness- Hotel.

Aber wie schaut’s hier mit den Habsburgern aus? Ganz so imperial wie in Wien geht’s zwischen Passau und Linz nicht zu. Vom Linzer Schloss aus lenkte die Dynastie unter Friedrich III. zwar auch einst das Reich. Doch nur vier Jahre lang – und auch nur, weil Wien von den Türken belagert wurde.
Am Ufer sind alle Dörfer beflaggt
Die romantischste Habsburg-Episode fand trotzdem auf unserer Strecke statt: Am 21. April 1854 reist Prinzessin Elisabeth von Passau mit dem Schiff zur Hochzeit mit Kaiser Franz Joseph. Sisis Brautfahrt auf der Donau wird zum Triumphzug: Am Ufer sind alle Dörfer beflaggt, prächtige Begrüßungstempel wurden erbaut. Ihre Untertanen winken der zukünftigen Kaiserin freudig zu. Eigentlich hätte Franz Joseph seine Braut in Wien erwarten sollen. Aber der Monarch pfeift aufs Protokoll, lässt sich an Bord der „Austria“ donauaufwärts fahren, um seine geliebte Sisi schon am Linzer Landungsplatz in die Arme zu schließen. Denken Sie dran, wenn Sie demnächst zu zweit am großen Strom entlangradeln.
Infos zur Strecke, zu Touren mit Gepäcktransport, Bett & Bike und Ladestationen für E-Bikes unter Tel. 0043-732-27 78 00 oder www.donauregion.at
Wandern auf dem Donausteig
Nicht nur Radfahrer sind an der Donau unterwegs, seit 2010 führt der „Donausteig“ zu beiden Seiten des großen Stromes ebenfalls von Passau bis nach Grein – ein Weitwanderweg, für den man etwas Ausdauer mitbringen sollte: 450 Kilometer in 24 Etappen, dazu weitere 450 Kilometer als Rundwege ins Hinterland der Donauregion. Der mit 4500 Schildern bestens markierte Pfad führt zu allen Highlights in einer der schönsten Flusslandschaften Europas: zu Klöstern, malerischen Burgen – und vor allem zu Naturschönheiten wie der Schlögener Schlinge. Selbst Gipfelstürmer kommen auf ihre Kosten: Der höchste Punkt, der Haugstein, erreicht immerhin 895 Meter. Übernachtet wird bei den Donausteig- Wirten: 51 naturnahen Gasthöfen, mit speziellem Service für Wanderer – von Infotheken mit Kartenmaterial bis zur Wander-Apotheke. Donausteig, Tel. 0043- 732-727 78 00, www.donausteig.com