Kinder sind an Bord eines Flugzeugs völlig unzureichend geschützt. Das hat der TÜV Rheinland bereits 1994 festgestellt. Spezielle Kindersitze könnten die Kinder schützen. Trotzdem lassen bisher nur wenige Airlines diese Sitze zu
Auf dem Weg von Denver nach Chicago fängt das Triebwerk eines United Airlines Flugzeugs Feuer. Eine Notlandung droht. Die Chefstewardess Jan Lohr gibt letzte Anweisungen durch. Kissen auf die Knie. Oberkörper nach vorne. Kleinkinder auf den Boden der Kabine legen. Die Maschine prallt mit mehr als 300 Stundenkilometern auf der Landebahn auf. Von den 289 Passagieren an Bord, überleben 186, 43 sogar ohne Blessuren. Von den vier Kleinkindern werden drei schwer verletzt, eines stirbt. Wäre das Kind in einem eigenen Sitz angeschnallt gewesen, so eine Expertenkommission nach dem Unglück, wäre es noch am Leben. Das passierte 1989. Die internationalen Luftfahrtbehörden begannen über Kinderrückhaltesysteme in Flugzeugen nachzudenken.
1996 beauftragte das Bundesverkehrsministerium den TÜV Rheinland, die Sicherheit von Kindern in Flugzeugen zu überprüfen. Die TÜV-Experten kamen zu einem vernichtenden Ergebnis:
Kinder sind an Bord völlig unzureichend geschützt.
Der sogenannte Loopbelt - das Kind sitzt angeschnallt auf dem Schoß, der Kindergurt wird in den des Erwachsenen eingeklinkt - ist lebensgefährlich. "Das Kind wird im Notfall zum natürlichen Airbag," so Martin Sperber vom TÜV Rheinland: "Es wird vom Körper des Erwachsenen zerquetscht."
Kinder unter zwei Jahren, die ungesichert auf dem Schoß sitzen, werden schon bei starken Turbulenzen den Eltern aus den Händen gerissen.
Kinder über zwei Jahren bis ca. sieben Jahren (unter 1,20 Meter Körpergröße), die einen eigenen Sitzplatz haben müssen, droht Gefahr durch den Gurt. Der verläuft im Weichteilbereich des Kindes, bedroht innere Organe. Auch die Gurtschnalle ist zu groß. Im Notfall könnte das Kind allein durch Gurt und Gurtschnalle schwer oder sogar tödlich verletzt werden.
Kinder sind an Bord eines Flugzeugs völlig unzureichend geschützt. Das hat der TÜV Rheinland bereits 1994 festgestellt. Spezielle Kindersitze könnten die Kinder schützen. Trotzdem lassen bisher nur wenige Airlines diese Sitze zu. Wie sind Ihre Erfahrungen an Bord, wenn Sie mit Kindern verreisen? Diskutieren Sie mit!
"Viele Eltern meinen, dass im Unglücksfall sowieso alle sterben, für die Kinder an Bord also nichts getan werden kann," so Martin Sperber vom TÜV, Vater von zwei Kindern. Dem sei aber nicht so. Wie die Studien des TÜV Rheinland zeigten, überleben Passagiere mit geeignetem Rückhaltesystem 80 Prozent aller Flugzeugunfälle. Allerdings gilt das nur für Erwachsene.
Die dramatischen TÜV-Ergebnisse führten zu neuen Regelungen für die Kindersicherheit an Bord. Derzeit gilt:
Der Loopbelt ist seit 1998 in deutschen Maschinen verboten, wird aber von ausländischen Airlines, die Deutschland anfliegen, noch eingesetzt. Eltern, die es nicht besser wissen, benutzen ihn also immer noch.
Luftfahrtbundesamt, Lufthansa, Kinderautositzhersteller und der TÜV entwickelten ein Qualifizierungsverfahren für Kinderautositze. Das testet ihre Flugtauglichkeit und sorgt dafür, dass Flugunternehmen für jedes einzelne Flugzeug überprüfen, auf welchem Flugzeugsitz der Autositz sicher befestigt werden kann. "Dieses Verfahren ist sehr aufwändig," so Dirk Sajonz vom Luftfahrtbundesamt: "Jede Maschine hat eine andere Bestuhlung, und nicht alle Sitze taugen für einen Kinderautositz." Pro Maschine qualifiziert der TÜV Rheinland deshalb ca. 20-25 Sitze.
Seit 2004 dürfen nur auf Flügen von Air Berlin, Atlas Jet, Condor, TUIfly und LTU folgende Autositze bei Start und Landung verwendet werden: Die Modelle Maxi Cosi Mico, Maxi Cosi City, Storchenmühle Maximum, Römer King Babysafe, Römer King Quickfix und der aufblasbare Luftikid tragen u.a. den TÜV-Aufkleber "for use in aircraft". Allerdings müssen Eltern den entsprechenden Autositz selbst mitbringen und für Kleinkinder unter zwei Jahren einen eigenen Sitzplatz kaufen (für 66 % des Erwachsenenflugpreises).
Bei allen anderen Airlines erleben Eltern an Bord meist folgendes: Ihnen werden bei Start und Landung selbst die vom TÜV für flugtauglich erklärten Kinderautositze abgenommen. Während des Fluges dürfen sie die Sitze allerdings benutzen oder ihre Kleinkinder im Babybett der Mutter-Kind-Reihe anschnallen, so sie hier einen Sitzplatz haben.
Viele Eltern wissen nicht um diese Regelungen, die meisten Kinder fliegen nach wie vor völlig ungesichert. Seit 1994 müssen Kinder im Auto angeschnallt sitzen, warum nicht an Bord eines Flugzeuges? Das Bundesverkehrsministerium setzt nach wie vor auf die Freiwilligkeit der Airlines. "Angesichts der Internationalität und Liberalisierung im Lufverkehr ist eine allein deutsche Vorschrift nicht sinnvoll", zitiert das Elternforum Kindersicherheit im Netz den Standpunkt des Verkehrsministeriums. "Die Lobbyisten der Fluggesellschaften verweisen regelmäßig auf den Gewinnausfall, den strengere Vorschriften besonders in den Ferienreisezeiten durch den Wegfall von Vollzahler-Plätzen bewirken würden", vermutet der luftfahrtkritische Journalist und Pilot Tim van Beveren in seinem Buch "Das Risiko fliegt mit". Die größte deutsche Airline Lufthansa verweigert Eltern zur Zeit noch die Nutzung der Autokindersitze bei Start und Landung. Sie befindet sich seit vier Jahren im Qualifizierungsverfahren. Aufgrund ihrer großen Flotte (fast 400 Maschinen) braucht sie viel Zeit. Unternehmenssprecher Jan Bärwalde: "Wir hoffen, dass wir dieses Jahr Kinderautositze auch auf unseren Maschinen zulassen können."
Was können Eltern heute also tun, damit ihre Kinder an Bord genauso sicher fliegen wie sie selbst?
Nur bei den Airlines buchen, die Kinderautositze an Bord zulassen.
Die Mitnahme des Kinderautositzes bei der Fluggesellschaft schon beim Kauf des Tickets telefonisch anmelden.
Für Kleinkinder unter zwei Jahren unbedingt einen Sitzplatz reservieren und kaufen.
Die Kinder der Pioniere, die um deren Sicherheit auf Flugzeugen kämpften, sind längst groß. Nach knapp 20 Jahren Debatte stehen die deutschen Luftfahrtbehörden zwar im internationalen Vergleich gut dar. Die Situation an Bord ist aber immer noch verwirrend. Was sollte in Zukunft passieren, um die Sicherheit der Kinder auf Flügen zu garantieren:
Eltern sollten verpflichtet werden, einen vom TÜV Rheinland zugelassen Autokindersitz an Bord zu benutzen.
Die Airlines müssten die fast kostenlosen Flüge für Kleinkinder unter zwei Jahren abschaffen. Eltern hätten dann garantiert einen Sitzplatz für ihr Kleinkind und den mitgebrachten Autositz.
Die Airlines sollten die Autositze den Eltern schon beim Einchecken zur Verfügung stellen. "Der logistische Aufwand wäre aber extrem groß", so Dirk Sajonz vom Luftfahrtbundesamt. "Jemand muss die Sitze sauber halten, den teuren Stauraum auf Flughäfen bezahlen, die richtige Zahl der Sitze pro Flug bereitstellen."
Muss dann die eine Familie, die voll bezahlt hat, am Boden bleiben, weil alle verfügbaren Sitze schon vergeben sind? Und was ist, wenn ein kaputter Sitz im Notfall versagt? Wer haftet dann? Was also tun? Airlines boykottieren, die sich der Kindersicherheit an Bord verweigern? Das Bundesverkehrsministerium mit Anfragen bombardieren und den politischen Druck erhöhen? Diskutieren Sie mit in unserem Forum!
Kinder sind an Bord eines Flugzeugs völlig unzureichend geschützt. Das hat der TÜV Rheinland bereits 1994 festgestellt. Spezielle Kindersitze könnten die Kinder schützen. Trotzdem lassen bisher nur wenige Airlines diese Sitze zu. Wie sind Ihre Erfahrungen an Bord, wenn Sie mit Kindern verreisen? Diskutieren Sie mit!