Wer einen Garten besitzt, liebt die Natur – da wird das Futterhäuschen für die Amsel liebevoll befüllt, das Eichhörnchen bekommt einen eigenen Nussvorrat, und selbst der Igel wird mit Katzenfutter umsorgt, damit er gut durch den Winter kommt. Doch bei einem Gartenbewohner ist schnell Schluss mit der Tierliebe: bei der Nacktschnecke. Wo eben noch Begeisterung für alles, was Federn oder Fell hat, herrschte, regiert bei ihrem Anblick der pure Frust.
Denn die schleimigen Gesellen machen keinen Unterschied zwischen Unkraut und Gemüsebeet – Hauptsache, es schmeckt! Salatpflanzen werden angeknabbert, liebevoll gezogene Jungpflanzen verschwinden über Nacht – und schnell ist das Urteil gefällt: Nacktschnecken sind nichts als Schädlinge. Doch haben die gefräßigen Kriechtiere wirklich nur den Ruf des Bösewichts verdient?
Bodenverbesserer und Gesundheitspolizei
Tatsächlich übernehmen Nacktschnecken im Garten wichtige Aufgaben. Sie sind eine Art Gesundheitspolizei im Beet, manche bezeichnen sie auch als die Geier der Gärten: Sie beseitigen Kot und Kadaver: Die Tiere zersetzen abgestorbene Pflanzenteile, verwesende Blätter, tote Tiere sowie Pilze und Algen. Durch diesen Abbauprozess werden über den Schneckenkot wichtige Nährstoffe, die in organischem Material gebunden sind, wieder in den Boden zurückgeführt und für Pflanzen verfügbar gemacht. Dadurch beschleunigen sie die Bildung von Humus – jenes nährstoffreichen Bodens, der das Wachstum gesunder Pflanzen überhaupt erst möglich macht.

Darüber hinaus verbessern Nacktschnecken durch ihre Bewegungen die Bodenstruktur: Die Tiere hinterlassen kleine Gänge, die die Durchlüftung und Wasserdurchlässigkeit des Bodens fördern. Diese Bioturbation sorgt dafür, dass der Boden lockerer und die Wasser- und Luftzirkulation verbessert wird.
Ein weiterer Vorteil der gefräßigen Nacktschnecken: Ihr Appetit auf Aas und Pflanzenabfälle sorgt dafür, dass Krankheitserreger und Fäulnisherde im Garten reduziert werden. So tragen sie zur natürlichen Reinigung und Stabilisierung des Gartenbodens bei – ein Gewinn für jeden naturnah bewirtschafteten Garten.
Wichtiges Glied in der Nahrungskette
Nacktschnecken spielen außerdem ein zentrale Rolle im Nahrungsnetz. Viele heimische Tiere wie Igel, Kröten, Mäuse, Blindschleichen und zahlreiche Vogelarten (zum Beispiel Amseln oder Drosseln) ernähren sich von den Weichtieren. Durch ihre hohe Biomasse bieten Schnecken eine stabile und reichhaltige Nahrungsbasis, insbesondere für Jungtiere und spezialisierte Fressfeinde wie bestimmte Käferarten. Ohne Nacktschnecken würde diesen Tieren eine wichtige Nahrungsquelle fehlen – mit Folgen für das gesamte ökologische Gleichgewicht.
Förderer der Artenvielfalt
Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass der Fraßdruck durch Schnecken und andere sogenannte Schädlinge sogar die Artenvielfalt im Garten fördert. Indem sie bevorzugt kräftige, dominante Pflanzen schwächen, verschaffen sie weniger konkurrenzstarken Arten eine Chance, sich zu behaupten. So entsteht eine größere Vielfalt an Kräutern und Gräsern – und damit auch an Insekten und anderen Tieren. Ohne Schnecken würden die "Platzhirsche" unter den Pflanzen viele andere Arten verdrängen.
Anzeiger für das ökologische Gleichgewicht
Ein massenhaftes Auftreten von Nacktschnecken ist meist ein Hinweis darauf, dass das natürliche Gleichgewicht im Garten gestört ist – etwa weil natürliche Feinde fehlen oder der Boden zu feucht gehalten wird. Wer naturnahe Strukturen wie Hecken, Totholzhaufen oder wilde Ecken fördert, schafft Lebensraum für Nützlinge und hält die Schneckenpopulation auf natürliche Weise in Schach.
Vielleicht lohnt es sich für den einen oder die andere also, beim nächsten Gang durch den Garten nicht gleich wütend auf die Schnecken zu blicken. Wer weiß – vielleicht ist die schleimige Spur auf dem Weg zum Salatbeet gar kein Zeichen von Verwüstung, sondern vielmehr ein Beweis dafür, dass das Ökosystem im eigenen Garten bestens funktioniert. Nacktschnecken sind eben nicht nur die kleinen Bösewichte im Beet, sondern auch fleißige Bodenverbesserer, Recycling-Profis und unverzichtbare Teamplayer im großen Orchester der Natur.