Der Balsabaum, botanisch Ochroma pyramidale, ist ein Meister der Diskretion. Die glockenförmigen weißen Blüten öffnet er erst bei Anbruch der Dunkelheit. Seine prächtigsten Seiten reserviert er damit für die Armada der Finsternis - für Kleinbären mit riesigen Augen, für nachtaktive Opossumarten wie die Wollbeutelratte, für nektardurstige Fledermäuse.
Vorsichtig ans Licht gebracht hat die Szenerie ein Foto-, Film- und Forschungsprojekt. Die Beteiligten wollten wissen, was da im Verborgenen geschieht. Letztlich geht es um Sex im Darkroom: Um Frucht zu tragen und sich zu vermehren, braucht Ochroma Blütenstaub von anderen Bäumen derselben Art. Aber wer von den Besuchern sorgt für den Pollenaustausch - Insekten, Vögel, Säugetiere? Neben ausgewählten Balsabäumen wuchsen Gerüste empor, auf denen monatelang Paparazzi mit allerlei Gerät Nachtwache hielten, darunter Fotograf Christian Ziegler.
Korallenriff im Baumwipfel
Balsabäume sind zwischen Südmexiko und Brasilien heimisch. Ihr Holz ist leichter als Kork, dabei erstaunlich robust und beliebt im Modellbau. Bei der Panama-Studie bleiben die Balsabäume im Wald - und sorgen bei der Forschergruppe auf ihren winzigen Lichtinseln für stummes Staunen. "Es war so, wie eine Tauchermaske aufzusetzen und zum ersten Mal ein Korallenriff zu sehen", sagt Teamleiter Roland Kays. Der Zoologe, Spezialist für Regenwaldtiere, muss normalerweise vom Boden aus zuschauen, wie Affen in unerreichbare Höhen klettern.
Das zentrale Ergebnis der Studie zum Sex in der Botanik: "Für die erfolgreiche Bestäubung des Balsabaums sind Insekten und Vögel unnötig", sagt Kays. Wo Maschendraht nur Bienen und Vogelschnäbeln Zugang erlaubt hat, konnten sich keine Früchte entwickeln. Die Hauptrolle bei der Fortpflanzung spielen demnach Säugetiere, sowohl Fledermäuse, die Pollen in einem Radius von mehreren Quadratkilometern verbreiten können, als auch Opossumarten oder Kinkajus, die Blütenstaub von einem Baum zu einem in der Nachbarschaft tragen.