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4. GEO-Tag der Artenvielfalt auf der Insel Vilm (Rügen)

Über einhundert Wissenschaftler und Hobby- Biologen haben am 8. Juni 2002 den Artenbestand von Tieren und Pflanzen der Ostsee-Insel Vilm und ihrer Umgebung neu erfasst.

Leben ist Vielfalt

Auf der etwa 2,5 Kilometer langen und knapp einen Quadratkilometer großen Insel Vilm kehrt allmählich wieder Ruhe ein. So viel Aufmerksamkeit wie in den letzten 24 Stunden, wurde diesem Kleinod im Biosphärenreservat Südost-Rügen schon lange nicht mehr zu Teil. Über einhundert Wissenschaftler und Hobby-Biologen verteilten sich mit Keschern, Sammelgläsern und Bestimmungsbüchern auf der Insel sowie an der Küste Rügens und dem Boddengewässer dazwischen, um die Vielfalt von Tieren und Pflanzen zu studieren. Das Ganze in nur einer Nacht und einem Tag. Sie gingen dabei so behutsam wie möglich vor und beliessen die Lebewesen, bis auf wenige Belegexemplare, in ihrem angestammten Lebensraum.

Kleinod im Rügischen Bodden

Die Insel Vilm bildet seit 1990 eine der Kernzonen des Biosphärenreservates Südost-Rügen. Sie ist bekannt für ihren, für den südlichen Ostseeraum einzigartigen Naturreichtum. Die besondere Bedeutung dieser Insel erkannten schon die Slawen, die diese Insel als einen heiligen Ort verehrten. Im Mittelalter war das Eiland Ziel von Wallfahrten und Heimat von Einsiedlern. Um das Jahr 1527 fand der letzte große Holzeinschlag auf der Insel statt. Seit dieser Zeit konnte sich ein Urwald aus Buchen, Eichen und Bergahornen nahezu ungestört zu seiner heutigen Pracht entwickeln; "Vilm" bedeutet auf Altslawisch "Ulme". Viele Maler ließen sich von diesem Kleinod im Rügischen Bodden inspirieren. Der wohl bekannteste war Caspar David Friedrich.

Unberührte Natur auf Vilm
Unberührte Natur auf Vilm
© Geo

Herr der Fliegen

Nach der Ankunft auf Vilm am Vorabend konnte sich jeder Besucher zunächst einmal selbst von der Übermacht der Natur auf der Insel überzeugen: Geschwader von Stechmücken überfielen jeden, der sich nicht schon während der Überfahrt vorsorglich mit Mückenschutzmittel einbalsamiert hatte. Einem scheinen die surrenden Blutsauger nichts auszumachen: Matthias Jaschhof von der Universität Greifswald. Aufmerksam und in gespannter Erwartung studiert er ein von zwei Seiten beleuchtetes Laken, auf dem sich Mücken, Falter und Fliegen tummeln. Sobald er ein interessantes Exemplar entdeckt hat, nähert er sich ihm vorsichtig mit dem "Exhaustor"; einem eigens für den Insektenfang konstruierten Saugapparat. "Allein hier auf diesem Laken", so der Experte, "befinden sich mindestens zehn verschiedene Mücken- und Fliegenarten".

Mücken, Fliegen und Falter ließen sich auf einem beleuchteten Laken gut beobachten - und von Christian Schmidt fangen
Mücken, Fliegen und Falter ließen sich auf einem beleuchteten Laken gut beobachten - und von Christian Schmidt fangen
© Geo

Zänkische Fledermäuse

In einigen Metern Entfernung stehen die Fangnetze für die wohl faszinierendsten Geschöpfe der Nacht - die Fledermäuse. Umringt von GEO-Fotografen und dem Kamerateam des Norddeutschen Rundfunks präsentieren Andreas Nick von der Arbeitsgruppe Fledermaus-Schutz Eberswalde und Sabine Stehn von der Universität Tübingen ihren Fang - sechs Exemplare der Mücken- und Zwergfledermaus. Nur unwillig und unter zänkischem Gezeter lassen sich die kleinen, bepelzten Kerle von den Wissenschaftlern vermessen. Kurze Zeit später, nachdem die Daten jedes einzelnen Tieres aufgenommen sind, erhalten sie ihre Freiheit wieder.

Zeigt her eure Flügel - die gefangenen Fledermäuse wurden genau vermessen
Zeigt her eure Flügel - die gefangenen Fledermäuse wurden genau vermessen
© Geo

Krebsheilende Pilze

Pilzexpertin Brigitte Schurig mit ihren Funden
Pilzexpertin Brigitte Schurig mit ihren Funden
© Geo

Am Samstagmorgen, dem eigentlichen Veranstaltungstag, machen sich die Pilzexpertin Brigitte Schurig und ihre Kollegen auf den Weg in den Urwald Vilms. Sie weiß, der Juni ist nicht die beste Zeit fürs Pilzesuchen und die Ausbeute wird gering ausfallen. Doch schon bald füllen viele Baumpilze ihre Artenliste an, wie der Schwefelporling, der alte Eichen befällt und deren Holz zerstört. Im jungen Stadium ist er allerdings essbar. "Einige der Porlinge werden in ihrem fruchtbaren - in der Fachsprache in ihrem "fertilen" - Stadium zur Behandlung von Krebsleiden verwendet," weiß Brigitte Schurig.

Die "Harris-Krabbe"

Nur einige hundert Meter von der Insel Vilm entfernt, wird das umliegende Boddengewässer vom Deutschen Meeresmuseum Stralsund (DMM) mit Booten, Tauchern und Fanggerät gründlich abgesucht. Auf der zeitgleich stattfindenden Lauterbacher Holzmesse haben Mitarbeiter des Museums ein Aquarium eingerichtet und auf die Insel verfrachtet; hier soll es die Fangfunde aufnehmen. Es füllt sich im Nu mit Stichlingen, Aalen, Wollhand-Krabben und kleinen Seekrebsen. "Besonders auffällig ist die starke Verbreitung der Krabbenart Rithropanopeus harrisii hier im Rügischen Bodden," so Götz Reinicke vom DMM. "Diese Krabbenart wurde erst in den Fünfziger Jahren von Nordamerika nach Europa eingeschleppt - vermutlich als Larven im Ballastwasser von Schiffen."

Großer Fang: Auch eine Wollhand-Krabbe ging den Forschern ins Netz
Großer Fang: Auch eine Wollhand-Krabbe ging den Forschern ins Netz
© Geo
Im flachen Wasser machten sich Kinder auf die Jagd nach Fischen, Muscheln und Insektenlarven
Im flachen Wasser machten sich Kinder auf die Jagd nach Fischen, Muscheln und Insektenlarven
© Geo

So viele Tiere!

"Guck mal, was da alles schwimmt!"
"Guck mal, was da alles schwimmt!"
© Geo

Besonders eifrig macht sich auch eine Gruppe von Kindern ans Werk, die Welt der heimischen Tiere und Pflanzen des Rügischen Boddens zu erkunden - tatkräftig unterstützt vom GEOlino-Team und von Mitarbeitern des Meeresmuseums Stralsund. Nach einer ausgiebigen Bootstour und einem Vorstoß in die Welt der Insekten, untersuchen sie nun das flache Wasser am Ufer bei Lauterbach gegenüber der Insel Vilm. Mit Keschern, Fangnetzen und Plastikgefäßen sind sie auf der Jagd nach kleinen Fischen, Muscheln und Insektenlarven. Begeistert zeigen sie einander ihre Ausbeute. "Das ist total toll. Man musst nur einen Becher ins Wasser tunken, und schon sind ganz viele Tiere drin!" schwärmt ein Junge.

Mecklenburger Moos

Stolze Ausbeute: Über 50 verschiedene Moosarten fanden die Moos-Experten im Goor
Stolze Ausbeute: Über 50 verschiedene Moosarten fanden die Moos-Experten im Goor
© Geo

Auch die Moos-Spezialisten sind begeistert. "Wir haben im Goor über 50 verschiedene Moosarten gefunden. Unter anderem eine, die nur hier in Mecklenburg vorkommt. Und ein Moos, das außer an dieser Küste nur im Gebirge wächst," berichtet Christian Berg von der Universität Rostock.

Für die Teilnehmer und Veranstalter war der 4. GEO-Tag der Artenvielfalt ein voller Erfolg. Neben vielen neuen, bisher unbekannten Arten, die gefunden wurden, hat vor allem die einmalige Landschaft der Insel Vilm begeistert. "Es hat uns sehr viel Spaß gemacht und wir werden im nächsten Jahr wieder dabei sein," versprechen die Teilnehmer.

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