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Eine kurze Geschichte des Kunststoffs

Die Meilensteine der bunten Materie: Vom Steinzeit-Allzweckkleber über Styropor zu den heutigen vollsynthethischen Formen

"Plastik ist die Zukunft, mein Junge": Als ein väterlicher Freund dem College-Absolventen Benjamin Braddock im Film "Die Reifeprüfung" diese Weisheit offenbarte, hatte der Kunststoff schon eine längere Vergangenheit. Die erste vollsynthetische Form Bakelit entwickelte der belgische Chemiker Leo Hendrik Baekeland zwar erst im Jahr 1907, aber schon Gletschermann Ötzi befestigte seine Pfeilspitzen mit dem Steinzeit-Allzweckkleber Birkenpech, per Verschwelungsverfahren hergestellt aus Baumrinde.

Die Erfindung der Kunststoffe gelang oft eher zufällig. Der Alchemist Johann Friedrich Böttger, der als Gefangener des sächsischen Kurfürsten August der Starke Gold herstellen sollte, erfand, neben Ehrenfried Walther von Tschirnhaus, dabei 1708 das bis dahin nur aus China bekannte Porzellan neu. Fritz Stastny, Ingenieur der Ludwigshafener BASF, entdeckte 1949 das Styropor: Er hatte in einer Schuhcremedose eine Muster-Mischung im Trockenschrank vergessen - die sich laut Laborprotokoll prompt in ein "Schaummonster" verwandelte, das den Dosendeckel "neckisch wie eine Baskenmütze" trug.

Gezielt machte sich im Jahr 1863 der Drucker John Wesley Hyatt auf die Suche nach einem Ersatzstoff für das knappe Elfenbein. Ein New Yorker Händler für Billardbedarf hatte per Zeitungsanzeige 10.000 Dollar in Gold geboten. Das von Hyatt entwickelte Zelluloid erwies sich als bahnbrechend in der Filmindustrie, fürs Billardspiel allerdings nur bedingt geeignet: Die ersten Kugeln knallten bei Kontakt wie eine Schrotflintenladung. Ein Saloon-Besitzer aus Colorado schrieb an den Erfinder, er persönlich habe ja kein Problem damit - aber jedes Mal, wenn die Kugeln aufeinanderprallten, zöge jeder Mann im Raum seinen Revolver.

Die ersten vollsynthethischen Formen gab es erst im Jahr 1907
Die ersten vollsynthethischen Formen gab es erst im Jahr 1907
© James Galpin/Flickr/Getty Images

1530: Der bayerische Benediktinerpater Wolfgang Seidel notiert ein Rezept zur Herstellung von "Kunsthorn" auf der Basis von Milcheiweiß.

1862: Der Metallurge Alexander Parkes wird auf der Weltausstellung in London für seinen Zelluloid- Vorläufer "Parkesine" ausgezeichnet, der als erstes Plastikmaterial gilt.

1911: Der Münchner Chemiker Ernst Richard Escales prägt den Namen "Kunststoffe".

1940: Am 16. Mai, dem "Nylon-Tag", gehen in den USA die ersten vier Millionen Paar Damenstrümpfe aus dem Seidenersatz in den Verkauf - und sind binnen zwei Tagen ausverkauft. Nylon-Erfinder Wallace Hume Carothers hatte wenige Jahre zuvor das synthetische Gummi Neopren entdeckt.

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