"Die Pflanze braucht das: zu tanzen", sagt Ángel León und wiegt seine Hände: So schwingt Seegras im Wasser. León ist Drei-Sterne-Koch – und er forscht nach Lebensmitteln aus dem Ozean. Eine Mischung aus Kapitän Nemo und Schokoladenfabrikant Willy Wonka, beides Romanfiguren, wurde er schon genannt. Für sein Restaurant Aponiente in Cádiz hat er Wurst aus Fischbeifang gekocht und Phytoplankton essbar gemacht. Keine von Leóns Entdeckungen aber ist so vielversprechend wie Zostera marina, das Gemeine Seegras. Es könnte nicht nur ein Rezept gegen den Welthunger sein, sondern auch gegen den Klimawandel helfen.
Dass die Samen in den Ähren essbar sind, wussten schon die Comcáac an der Küste Mexikos: Sie verwendeten sie – geröstet und gemahlen – als Mehl. León selbst war überrascht vom Geschmack: eine Konsistenz wie Quinoa, leicht salzig und ganz anders als Meeresfrüchte. "Der einzige Unterschied zu Reis: Die Körner sind kleiner und müssen zwei Minuten länger gekocht werden", sagt León.
Doch Seegras, das in Flussmündungen und auf Meeresböden an der Küste wächst, ist durch einen Parasiten und Umweltverschmutzung selten geworden. Léons größter Erfolg: Mit der ansässigen Universität ist es ihm gelungen, die Pflanze – keine Alge – in der Bucht vor Cádiz zu kultivieren.
Seegraswiesen gegen den Klimawandel
Und Zostera marina gedeiht. Schätzungen gehen von möglichen Erträgen zwischen fünf und sieben Tonnen Samen pro Hektar aus – ähnlich wie bei Landgetreidearten. Dabei braucht Seegras weder Pestizide, noch Dünger oder Bewässerung, ist aber sehr nahrhaft: Die Samen besitzen einen viel höheren Gehalt an essenziellen Fettsäuren als jedes Getreide, dazu hochwertige Proteine, Vitamine und Mineralien.
Anders als Monokulturen an Land laugt Seegras keine Böden aus. Wo es wächst, folgen andere Arten, toter Meeresgrund wird wiederbelebt. Und: Seegraswiesen wirken gegen den Klimawandel. Sie sind Kohlenstoffsenken und mildern die Folgen von Fluten und eines steigenden Meeresspiegels.
Aus dem Pilotprojekt hat sich ein Forschungszentrum gegründet. León hofft, dass nun Fachleute übernehmen und den Anbau professionalisieren. "Ich muss zurück in die Küche."