Wissen Sie, wie viele T-Shirts Ihren Kleiderschrank bevölkern? Um es gleich vorwegzunehmen: Wenn es nach Greenpeace geht, dürften es sicher gerne ein paar weniger sein. Denn ein hoher Verbrauch von Kleidungsstücken belastet nicht nur den eigenen Körper mit Chemikalien, sondern auch die Natur. Wie sehr, das hatte die Umweltorganisation schon 2011 gezeigt. Sie entnahm Proben aus den Abwässern chinesischer Textilfabriken und wies einen Giftcocktail nach, der zum Teil über die Flüsse in die Nahrungskette und ins Trinkwasser gelangt. "Modemarken missbrauchen weltweit Flüsse als private Abwasserkanäle und verschmutzen so das Trinkwasser von Millionen Menschen", sagt Christiane Huxdorff, Chemie-Expertin von Greenpeace.
Für die aktuelle Studie gingen Mitarbeiter der Umweltorganisation in 29 Ländern shoppen – und kauften insgesamt 141 Kleidungsstücke von 20 internationalen Modemarken: Jeans, T-Shirts, Unterwäsche. Die Textilien wurden dann vom Greenpeace-Labor an der Universität von Exeter auf chemische Rückstände untersucht. Das Ergebnis: Vier Kleidungsstücke wiesen gesundheitsschädliche Phthalate auf, zwei von ihnen enthielten krebserregende Amine. Und 89 Textilien, also rund zwei Drittel aller getesteten, wiesen in unterschiedlichen Konzentrationen Nonylphenolethoxylate (NPE) auf. Das sind Bestandteile von Waschmitteln, mit denen die Kleidung während der Produktion immer wieder gereinigt wird.
"Rückstände von NPE haben wir bei allen Marken gefunden", sagt Christiane Huxdorff. "Das zeigt uns, dass die Chemikalie in der Produktion flächendeckend eingesetzt wird." Das Problem: NPE wird abgebaut zu Nonylphenol (NP) – einem Stoff, der hormonell wirksam und für Wasserorganismen toxisch ist. Laut EU-Wasserrahmenrichtlinie gilt NP sogar als "prioritär gefährlicher Stoff". Die ebenfalls nachgewiesenen Phthalate sind, wie NP, hormonell wirksam und stehen im Verdacht, unfruchtbar zu machen. Sie dienen in Kunststoff-Aufdrucken als Weichmacher. Amine sind Abbauprodukte von sogenannten Azofarbstoffen – und gelten als krebserregend. Zwar blieben die Konzentrationen unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte. Greenpeace fordert aber, dass Hersteller generell auf den Einsatz von krebserregenden Substanzen verzichten.
Die gefährlichen Substanzen gelangen nicht nur bei der Herstellung in die Natur, sondern auch beim Waschen zu Hause. Denn in Klärwerken können sie nicht abgebaut werden. Nach Angaben von Greenpeace sind Import-Textilien die Hauptquelle von Nonylphenol in deutschen Gewässern.
Entgiften!, fordert Greenpeace
Im Rahmen seiner Detox-Kampagne macht Greenpeace seit 2011 auf Gifte in Kleidungsstücken aufmerksam. Und versucht, die Hersteller dazu zu bewegen, freiwillig auf Stoffe aus elf verschiedenen Chemikaliengruppen zu verzichten. Verpflichtet haben sich bisher Adidas, Puma, Nike, H&M, C&A, Marks & Spencer. Sie wollen bis zum Jahr 2020 auf diese Chemikalien verzichten. Marks & Spencer als einer der größten Vertreiber PFC-haltiger Bekleidung will sogar schon bis Mitte 2016 auf alle PFC verzichten. PFC sind per- und polyfluorierte Chemikalien, die für die Imprägnierung von Textilien verwendet werden. Sie sind möglicherweise toxisch für den Menschen und extrem beständig. Nachweisen lassen sie sich nicht nur in menschlichem Blut und Gewebe – sondern sogar in der Arktis und der Antarktis.
Verbrauchern rät Christiane Huxdorff, auf das Kleingedruckte zu achten. Wenn empfohlen wird, das Stück vor dem Tragen zu waschen oder es separat zu waschen, wenn es "bügelfrei" oder "knitterarm" ist, dann seien das Indizien dafür, dass mehr Chemie eingesetzt wurde als in anderen Textilien. Mehr Sicherheit bieten laut Huxdorff Öko-Label wie die von GOTS (Global Organic Textile Standard) und vom IVN (Internationaler Verband der Naturtextilwirtschaft). Sie stehen für weitestgehend chemiefreie Naturfasern.
Darüber hinaus ist weniger mehr: Generell solle man sich fragen, so die Greenpeace-Expertin, ob man wirklich schon wieder ein neues T-Shirt brauche. Oder ob man nicht auch schon Getragenes kaufen könne. So vermeidet man die Chemikalien, die bei der Herstellung und beim Waschen eines neuen Kleidungsstücks anfallen. Denn das Problem, so Huxdorff, seien nicht so sehr die Konzentrationen in den einzelnen Kleidungsstücken. Sondern die enorme weltweite Produktion, die für eine weltumspannende Verteilung der Chemikalien sorgt. Unter dem Diktat immer schneller wechselnder Moden werden weltweit jährlich 80 Milliarden Kleidungsstücke hergestellt. Und jedes Jahr landen allein in Deutschland eine Million Tonnen Textilien auf dem Müll.