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Klima-Fatalismus "Es ist eh alles zu spät!"

Klimwandel
© serazetdinov / Shutterstock
Die Klimaziele von Paris sind wohl schon in wenigen Jahren Makulatur. Dennoch: Der Erderwärmung ihren Lauf zu lassen, wäre verhängnisvoll

Man könnte denken: Ja, okay, aber wenn der Zug schon rollt und auch nicht mehr zu stoppen ist – dann kann man eben nichts mehr tun. Tatsächlich sind mit einer Erwärmung von 1,1 Grad gegenüber vorindustriellen Zeiten unumkehrbare Prozesse in Gang gesetzt: Die Korallen sterben schon, die Polkappen schmelzen so schnell wie seit Jahrtausenden nicht mehr, Meeresspiegelanstieg und Versalzung werden die Menschen – ganz gleich, welche überraschende Wendung der internationale Klimaschutz noch nimmt – Hunderte Jahre beschäftigen.

Einem aktuellen UN-Bericht zufolge könnte die kritische 1,5-Grad-Marke schon in wenigen Jahren überschritten werden. Und schon heute lässt sich sagen, dass der Mensch durch sein bisheriges Wirtschaften den natürlichen Wechsel von Warm- und Kaltzeiten um 100.000 Jahre verschoben hat. Das Haus brennt also schon an mehreren Stellen, längst sind enorme, irreparable Schäden entstanden. Aber kann das ein Grund sein, die Hände in den Schoß zu legen?

Fatalist oder moralischer Faulpelz?

Wer jetzt mit den Achseln zuckt, ist entweder ein waschechter Fatalist – oder er sucht nach einer Rechtfertigung für sein Nichtstun. Beide Haltungen sind bequem: Die eine will den Dingen ihren vermeintlich unabänderlichen, apokalyptischen Lauf lassen. Die andere ist auch noch mit einer gehörigen Prise Zynismus gewürzt. Denn ihr Zweck besteht darin, das Elend der anderen zwar anzuerkennen, im Übrigen aber das eigene Leben auf dem gewohnten materiellen Niveau unbehelligt weiterleben zu können. Und das, ohne irgendwelche moralischen Inkonsequenzen zugeben zu müssen.

Cover "Das Klimaparadox" von Peter Carstens
© riva verlag

Während der Kollaps des Klimas durch Wetterkapriolen und -katastrophen in unser Bewusstsein dringt, wird die Kluft zwischen Wissen und Handeln immer größer. Doch nicht nur Regierungen und Weltklimakonferenzen versagen dabei, die größte Herausforderung der Gegenwart zu bewältigen. Sondern wir alle. Peter Carstens entlarvt in seinem Buch "Das Klimaparadox" die Ausreden und Rechtfertigungsmuster, mit denen wir uns selbst ausbremsen.

Im Unrecht sind beide. Denn selbst, wenn wir uns heute auf einem Kurs befinden, der uns eine Erwärmung um 4 Grad und mehr bis zum Ende des Jahrhunderts bescheren wird: Es ist nie zu spät, irgendetwas zu tun. Sehr wahrscheinlich ist es zwar zu spät, die Erwärmung unter 2 oder gar 1,5 Grad Celsius zu halten. Aber es macht einen gewaltigen Unterschied, ob wir innerhalb von acht Jahrzehnten 3, 4 oder 5 Grad und mehr bekommen: Eine langsamere Erwärmung eröffnet uns mehr Möglichkeiten, uns an die unvermeidlichen Folgen anzupassen; der Unterschied zwischen »Katastrophe« und »Apokalypse« ist möglicherweise so groß wie der zwischen »Solidarität« und »offener Barbarei«.

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