Will man von den Zumutungen der Klimakrise nichts wissen, so ist es das Einfachste, alles zu leugnen. Wobei »einfach« nicht ganz richtig ist. Denn es gibt viele Menschen, die mit ihrer Weigerung, die Realität anzuerkennen, einen geradezu unglaublichen Aufwand betreiben.
Man muss sich das vorstellen: Tausende Wissenschaftler arbeiten mit am Projekt »Klimaforschung«, seit 1990 veröffentlicht der 1988 gegründete Weltklimarat IPCC regelmäßig Hunderte Seiten starke Berichte und Sonderberichte. Die These von der menschengemachten Klimaerwärmung ist, solange sie nicht widerlegt wird, ein wissenschaftliches Faktum, abgesichert durch modernste Methoden und weltweit geltende Forschungsstandards: Der Mensch heizt durch die Verbrennung fossiler Energieträger die Atmosphäre auf – und das mit einem in der jüngeren Erdgeschichte nie da gewesenen Tempo. Trotzdem scheuen nicht wenige Menschen weder Zeit noch Mühe, abweichende Forschungsmeinungen aufzuspüren, die die Sonnenaktivität oder andere physikalische Faktoren für die beobachtete Erwärmung verantwortlich machen (sofern sie nicht gleich den Erwärmungstrend selbst bestreiten).
Seltsamerweise haben Klimawandelleugner - also Menschen, die nicht einfach unwissend oder schlecht informiert sind, sondern aktiv argumentieren - und sogenannte Skeptiker keine Scheu, sich in der Öffentlichkeit zu blamieren. Dafür gibt es im Wesentlichen drei Gründe:
- Leugner halten sich für ein kleine, erlesene Schar von Auserwählten, die einsam und heroisch gegen eine große Verschwörung von Wissenschaft und Politik zu Felde ziehen. Je größer die Einigkeit der Wissenschaftler und die Zustimmung der Politik, je sicherer die Erkenntnisse und Modellrechnungen – desto heroischer, aufopferungs- und verdienstvoller der Kampf: ein starkes Narrativ, gegen das man mit keiner Grafik, keinem Computermodell, keinem Faktum ankommt. Diskussionen mit Klimawandelleugnern sind meist vertane Zeit. Menschen, die schlecht informiert sind, kann man aufklären und überzeugen. Verschwörungstheoretiker nicht.
- Manche dagegen lehnen nicht die Wissenschaft an sich ab und leugnen auch nicht den beobachteten Temperaturanstieg. Sie bezweifeln aber die menschliche Ursache. Das Motiv liegt auf der Hand. Denn wenn die Forscher recht hätten, dann wäre ja der Mensch, dann wären wir alle schuld an einer epochalen, globalen Katastrophe. Kann das sein? Darf das sein? Solange es auch nur den Hauch einer Chance gibt, dass die Forschung irrt, werden diese Leugner, die sich selbst gerne »Skeptiker« nennen, behaupten: »Die (Mainstream-)Forschung irrt! Hört auf die anderen, die Zweifler!« Übrigens gibt der IPCC selbst ihnen unbeabsichtigt Futter – indem er in seinen Berichten standardmäßig von unterschiedlichen Graden der »Sicherheit« (certainty) spricht, mit denen Klimafolgen eintreten werden. Wenn etwas aber nicht vollkommen sicher ist – ist es dann nicht »unsicher«?
- Leugner haben aufmerksame Zuhörer. Sie können in Talkrunden und Debatten selbstbewusst auftreten, weil sie wissen: Wissenschaftlicher Konsens und Mainstream ist für die breite Öffentlichkeit meist langweilig – im Gegensatz zu randständigen Meinungen von wissenschaftlichen oder pseudowissenschaftlichen »Rebellen«. Die Erzählung vom einsamen Kampf gegen die Übermacht ist einfach interessanter. Zudem sprechen die Leugner und Zweifler natürlich auch den Leugner und Zweifler in ihren Zuhörern an. Würden wir es nicht alle irgendwie gut finden, wenn der Mensch nicht schuld wäre an der Klimaerwärmung (und wir weitermachen könnten wie bisher)?
Klimaleugner im Bundestag
Es ist übrigens nicht so, dass unter dem zunehmenden Druck der Beweislage die Stimmen der Leugner leiser werden. Im Gegenteil. Zwar sind Klimawandelleugner in Europa bei Weitem nicht so einflussreich wie etwa in den USA. Doch neuerdings finden sich auch im Deutschen Bundestag ganz offizielle Klimawandelleugner. Die AfD, die in der Bundestagswahl 2013 noch an der 5-Prozent-Hürde scheiterte, wurde 2017 drittstärkste Kraft im deutschen Parlament – mit Klimaleugnung im Gepäck. In ihrem Wahlprogramm bezweifelt die Partei, dass die Erwärmung menschengemacht sei, fordert den Austritt Deutschlands aus dem Pariser Klimaabkommen und verlangt: »Deutschland soll aus allen staatlichen und privaten 'Klimaschutz'-Organisationen austreten und ihnen jede Unterstützung entziehen.« Damit trifft die AfD offenbar den Nerv eines Teils der Bevölkerung: Einer Umfrage aus dem Jahr 2016 zufolge glauben 6 Prozent der Befragten nicht, dass es den Klimawandel gibt. Und nur 15 Prozent von ihnen sind überzeugt, dass er ausschließlich durch den Menschen verursacht sei.

Während der Kollaps des Klimas durch Wetterkapriolen und -katastrophen in unser Bewusstsein dringt, wird die Kluft zwischen Wissen und Handeln immer größer. Doch nicht nur Regierungen und Weltklimakonferenzen versagen dabei, die größte Herausforderung der Gegenwart zu bewältigen. Sondern wir alle. Peter Carstens entlarvt in seinem Buch "Das Klimaparadox" die Ausreden und Rechtfertigungsmuster, mit denen wir uns selbst ausbremsen.
Die Psychiaterin und Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross identifizierte Ende der 1960er-Jahre verschiedene Stadien des Sterbeprozesses. Nach ihren Erfahrungen aus der Sterbebegleitung ist das Erste dieser Stadien die Leugnung. Wer etwa die Diagnose »Krebs« bekommt, wird spontan versuchen, die medizinisch gesicherte Erkenntnis abzuwehren: Es kann einfach nicht sein. Das Leugnen ist die naheliegendste und einfachste Art, die Realität zu verdrängen – eine ebenso spontane wie verständliche Reaktion. Doch während der Krebskranke ohne Konsequenzen für andere bis zum Schluss seine Krankheit leugnen kann, wird die Sache bei der Klimaerwärmung gefährlich, und zwar im ganz großen Maßstab. Denn jetzt ist Gefahr im Verzug – für Hunderte Millionen Menschen, für die ganze Biosphäre des Planeten. Und Leugnung zementiert nur unsere Untätigkeit.