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150 Jahre Kaugummi Kauen Sie für frischen Atem auch so gern Plastik?

Kagummi
Ob für frischen Atem oder aus reinem Kauvergnügen: Rund 10 Millionen Deutsche konsumieren laut Statista mehrmals die Woche Kaugummi
© Goffkein / Adobe Stock
Diese Fragen werden Sie mit Sicherheit verneinen. Allerdings tun wir das alle sehr viel öfter, als uns bewusst sein dürfte. Nämlich dann, wenn wir ein handelsübliches Kaugummi kauen. Das deutsche Startup FOREST GUM möchte der Umweltbelastung Kaugummi nun mit einer nachhaltigen Alternative entgegen treten. Wir haben mit ihnen gesprochen

Vor 150 Jahren, am 27. Juli 1869, erwarb der Amerikaner Amos Tyler das erste gewerbliche Schutzrecht für die klebrige Masse. Die Vorläufer des Kaugummis, wie wir es heute kennen, sind der Menschheit allerdings schon sehr viel länger bekannt. Die Skandinavier nutzten vor 9000 Jahren etwa Birkenharz und die Mayas Chicle, den milchigen Saft des Breiapfelbaums, um ihren Kautrieb zu befriedigen. Inzwischen besteht die verwendete Kaumasse aus einem Konglomerat aus synthetischen Stoffen und Erdöl. Doch das wissen die wenigsten. Zeit das zu ändern, entschied Thomas Krämer - und machte sich daran, ein unbedenkliches Kaugummi aus rein natürlichen Zutaten zu entwickeln. Mit FOREST GUM scheint ihm das gelungen zu sein. Im Interview verrät er, wie hoch die Umweltbelastung der handelsüblichen Kaugummis wirklich ist, und wie seine Vision für nachhaltig frischen Atem aussieht.

Was genau ist das Problem an herkömmlichen Kaugummis, wie wir sie kennen?

Thomas Krämer: Bei den meisten handelsüblichen Kaugummis wird als wichtigste Zutat schlicht Kaumasse angegeben. Darunter konnte ich mir erstmal überhaupt nichts vorstellen. Ich habe dann ein wenig nachgeforscht und herausgefunden, dass es wahrscheinlich einen Grund hat, warum diese Kaumasse nicht weiter aufgeschlüsselt wird, denn sie beinhaltet Erdölderivat und synthetische Aromen, Süßungsmittel, Weichmacher sowie Farbstoffe.

Grob gesagt, kauen wir also momentan Plastik für frischen Atem?

So ist es. Die Grundmasse wird aus Erdöl gemacht, und das ist tatsächlich nicht so appetitlich. Wenn man bedenkt, dass wir heutzutage genauestens darüber nachdenken, aus welcher Flasche wir trinken oder welche Gurken wir essen, um so wenig wir möglich mit synthetischen Schadstoffen in Berührung kommen, ist es nahezu grotesk, dass wir uns bedenkenlos ein Kaugummi in den Mund schieben. Das Problem ist nur, dass dies die wenigsten wissen oder bisher hinterfragt haben.

Thomas Krämer
Thomas Krämer ist der Gründer von FOREST GUM und machte die ersten Schritte zum nachhaltigen Kaugummi in seiner eigenen Küche. Bis es ihm schmeckte, hantierte er mit vielen verklebten Töpfen
© Johannes Ipfelkofer

Wurde Kaugummi schon immer chemisch hergestellt?

Soweit ich weiß, stellten die großen Hersteller erst nach dem Zweiten Weltkrieg, als das Kaugummi weltweit zum populären Genussmittel wurde, auf das chemische Verfahren um. Die lokale chemische Produktion war einfacher im größeren Stil möglich, als mit Rohwaren aus dem Regenwald zu arbeiten. Das ursprüngliche Kaugummi wurde beispielsweise aus Chicle gewonnen, dem Saft des Breiapfelbaums.

Sie verfolgen mit FOREST GUM einen gänzlich anderen Ansatz. Können Sie diesen bitte kurz skizzieren?

Genau, bei FOREST GUM werden wir nur mit natürlichen Zutaten arbeiten. Das ist das Versprechen an uns selbst, aber auch an die Leute, die das Produkt am Ende kaufen. Wir verzichten auf Plastik in der Kaumasse und besinnen uns stattdessen zurück auf Chicle. Wir nutzen keine künstlichen Aromen, Farbstoffe, Weißmacher oder Zucker. Natürlich ist auch unsere Verpackung plastikfrei. Ein schöner Nebeneffekt der Produktion ist, dass wir durch die landwirtschaftliche Nutzung der Breiapfelbäume in den Anbaugebieten dafür sorgen, dass der Wald erhalten und nicht abgeholzt wird. Da sich unser gesamtes Produkt binnen weniger Wochen wieder in seine natürlichen Bestandteile zerlegt, reduzieren wir entsprechend auch die Umweltbelastung, die durch Kaugummis hervorgerufen wird.

Können Sie diese Umweltbelastung beziffern?

580.000 Tonnen Kaugummi werden weltweit jährlich gekauft, gekaut und auch wieder ausgespuckt. Auf einem Quadratmeter Stadt kleben im Schnitt bis zu 80 ausgespuckte Kaugummis. Es braucht, wie bei anderen Plastikteilen auch, Jahrhunderte, bis sie sich komplett aufgelöst haben. Die Kommunen in Deutschland geben jedes Jahr etwa 900 Millionen Euro aus, um Kaugummi von den Gehwegen zu entfernen. Diese Summe ließe sich besser in Schulen oder andere Projekte investieren.

Forrest Gum
Den milchigen Saft des Breiapfelbaums, auch Chicle genannt, nutzten bereits die Maya
© FOREST GUM / Thomas Krämer

Wie nachhaltig darf ich mir den Abbau von Chicle vorstellen?

Die meisten Breiapfelbäume befinden sich in den Tropen- und Regenwaldgebieten von Zentralamerika. Sie wurden nicht extra für die Gewinnung von Chicle gepflanzt, sondern sind natürlicher Bestandteil des dortigen Ökosystems. Wenn man den milchigen Saft auf nachhaltige Art und Weise gewinnt, dann nimmt der Baum keinen Schaden. Nach jeder Ernte, bei der pro Baum im Schnitt sechs Kilo Chicle gewonnen wird, muss der Baum zwischen sechs und acht Jahren ruhen, bis er wieder beerntet werden darf. In der Zwischenzeit dienen sie weiter als wichtiger CO2-Speicher und Rückzugsort für Tiere.

Woher beziehen Sie die anderen Inhaltsstoffe für Ihr Kaugummi?

Natürlich hören wir nicht beim Chicle auf, sondern beziehen all unsere natürlichen Inhaltsstoffe aus verlässlichen Quellen, um nicht nur ein plastikfreies, sondern auch ein gut schmeckendes und unbedenkliches Kaugummi anbieten zu können.

Nehmen wir an, es gelingt den Kaugummimarkt grüner zu machen. Müssten die Regenwälder Zentralamerikas dann Monokulturen von Breiapfelbäumen weichen?

Ich habe das zwar noch nicht ausgerechnet, wie viel Tonnen Kaugummi wir mit bestehenden Bäumen produzieren könnten, aber bis der Zeitpunkt gekommen wäre, überhaupt darüber nachzudenken, müsste schon sehr viel nachhaltiges Kaugummi verkauft worden sein. Und da wir gerade am Anfang stehen, wage ich noch nicht, an einen solchen Erfolg zu denken. Aber selbst wenn er eintreten sollte, muss die Antwort nicht Monokultur sein. Ich sehe da viel mehr die nachhaltige Integration weiterer Breiapfelbäume in bereits bestehende Tropen- und Regenwälder.

Unterstützung für FOREST GUM

Damit FOREST GUM einem großen Publikum zur Verfügung stehen kann, brauchen Thomas und sein Team noch ein wenig Zeit. Aber bis dahin freuen sie sich über Online-Käufe.

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