Lesen Sie einen Auszug aus der neuen Ausgabe von GEOEPOCHE zum Thema "Rom - Die Geschichte der Republik":
Wenn der Himmel sich schwarz färbt und Donnergrollen die Vögel zum Verstummen bringt, flüchtet der Herrscher der Welt in ein tiefes, fest gefügtes Kellergewölbe. Augustus, der von den Göttern geliebt wird, ist von furchtbarer Angst vor Gewittern geplagt.
Das hat seinen Grund – Blitze scheinen ihn Zeit seines Lebens zu verfolgen. Einer schlug neben seinem Haus auf dem Palatin ein, was die Zeichendeuter als Hinweis verstanden, dass der Gott Apollo dort einen Tempel fordere. Ein zweiter, zehn Jahre später während eines Nachtmarsches in einer spanischen Provinz, verfehlte nur knapp seine Sänfte und tötete einen Fackelträger. Seither ergreift Augustus die Flucht, wann immer ein Gewitter aufzieht, und er trägt stets das Fell einer Mönchsrobbe bei sich, das vor Blitzen schützen soll.
Der mächtigste Mann Roms, zusammengekauert in einer dunklen Kellerecke, ängstlich ein Fell umklammernd: Das ist ein rührendes Bild von einem Menschen, der sonst so wenig Menschliches an sich hat. Denn Augustus trägt eine Maske, hinter der seine Leidenschaften verborgen liegen.
Augustus übt sich in Bescheidenheit und Selbstverleugnung
Er ist in allem maßvoll: macht sich nicht viel aus Luxus und Palästen, begnügt sich beim Essen mit Schwarzbrot, Sardellen und Feigen und trinkt kaum Wein. Von seiner zweiten Gattin trennt er sich wegen ihres angeblich ausschweifenden Charakters, und als seiner einzigen Tochter Ehebruch mit mehreren Männern vorgeworfen wird, verbannt er sie lebenslang aus Rom. Zwar pflegt er selbst viele Affären, aber nicht aus Lüsternheit, so heißt es, sondern um möglichen Verschwörungen der Ehegatten auf die Spur zu kommen.
Ein Mann ohne Gemüt und ohne Humor, höflich, aber nicht herzlich. Seine stärkste Eigenschaft ist, dass er niemals aufgibt. Mit dumpfer Hartnäckigkeit hat Augustus sich seinen Weg nach oben erkämpft, um dann scheinbar mühelos die Maske des Militärdiktators mit der des Friedenstifters zu tauschen. An der Macht halten kann er sich nur, weil er verbirgt, wer und was er wirklich ist.
Denn darauf fußt der Erfolg seiner Herrschaft. Während sein Adoptivvater Gaius Iulius Caesar ganz er selbst war – angriffslustig, direkt, hochfahrend –, übt Augustus sich in Bescheidenheit und Selbstverleugnung: Denn ein großes Maß Beherrschung braucht, wer mehr Macht besitzt als jeder andere, sie aber nicht zur Schau stellen darf.
Die Republik ist in Wirklichkeit längst abgeschafft
Caesar ist wenige Monate vor seiner Ermordung 44 v. Chr. nicht einmal aufgestanden, als der Senat zu ihm kam,
um ihn zu ehren – Augustus dagegen begrüßt an Sitzungstagen jeden Senator einzeln auf seinem Platz, lässt spitze
Bemerkungen regungslos über sich ergehen, ergreift bei Beratungen erst das Wort, wenn alle anderen gesprochen haben. Der Herrscher ist zum Schauspieler geworden: Der Allmächtige gibt die Rolle des Ersten Bürgers einer Republik, die in Wirklichkeit längst abgeschafft ist.
Die Wahrheit ist auf dieser Bühne, was der Schauspieler daraus macht. Und je besser er seine Kunst beherrscht, desto dreister kann er die Tatsachen von den Füßen auf den Kopf stellen. „Im Alter von 19 Jahren habe ich als Privatmann aus eigenem Entschluss und aus eigenen Mitteln ein Heer aufgestellt, mit dessen Hilfe ich den durch die Willkürherrschaft einer bestimmten Gruppe versklavten Staat befreite.“
So beginnt Augustus den Rechenschaftsbericht seiner Taten, die „Res gestae divi Augusti“. Am Ende seines
Lebens, aus einem Abstand von 55 Jahren, schildert er darin den Anfang seines Aufstiegs – und wie er das tut, ist atemraubend in seiner Unverfrorenheit.
Nachdem der „versklavte Staat“ von ihm befreit worden sei, schreibt er, habe ihn „der Senat unter ehrenvollen Beschlüssen in seine Reihen aufgenommen, wobei er mir konsularischen Rang bei den Abstimmungen zuerkannte. Ebenso verlieh er mir militärische Befehlsgewalt. Auf dass der Staat keinen Schaden nehme, sollte ich als Proprätor zugleich mit den Konsuln Sorge tragen. Das Volk aber wählte mich im selben Jahr zum Konsul, nachdem beide Konsuln im Krieg gefallen waren, und zum Triumvirn für die Wiederaufrichtung des Staates.“
Daran ist einerseits alles wahr und gleichzeitig doch alles falsch. Aber es belegt die Überzeugungskraft des Schauspielers Augustus – und die Bereitwilligkeit des Publikums, ihm zu folgen –, dass er seinen Bericht mit dem Eingeständnis beginnen kann, als Privatmann ein Heer aufgestellt zu haben.
Denn das ist in Rom nichts anderes als: Hochverrat.
Den vollständigen Text können Sie in der neuen Ausgabe von GEOEPOCHE zum Thema "Rom - Die Geschichte der Republik" nachlesen.
