Der Märzmorgen beginnt sonnig. Ein prüfender Blick durchs Fenster: Es wird nun schon wieder früher hell, der Himmel leuchtet zartblau. Die Winterklamotten dürfen also im Schank bleiben, endlich. Doch draußen dann: Kälte kriecht unter die Hosenbeine, die Finger frieren nach wenigen Minuten. Eine Mütze über den Ohren würde jetzt guttun.
"Besonders am Morgen unterscheiden sich im Moment die tatsächliche Lufttemperatur und die gefühlte Temperatur voneinander", sagt Gudrun Laschewski, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Medizin-Meteorologische Forschung beim Deutschen Wetterdienst (DWD).
Der DWD berechnet regelmäßig, wie sich die objektiv gemessene Lufttemperatur subjektiv für die Menschen anfühlt. Heraus kommt: die gefühlte Temperatur. Für den eigentlich so sonnigen Märzmorgen heißt das im Moment laut Laschewski: "Die Sonneneinstrahlung wirkt noch nicht so stark, wenn dann noch etwas Wind hinzukommt, treibt das die Wärme von der Körperoberfläche und der Morgen fühlt sich kälter an, als er eigentlich ist." Eben noch nicht nach Frühling, sondern immer noch nach Winter.
Der "Klima-Michel" ist 1,75 Meter groß, 75 Kilogramm schwer
Standardmäßig wird die Lufttemperatur in zwei Metern Höhe gemessen. Ob sich gemessene 15 Grad Celsius für Menschen aber auch tatsächlich wie 15 Grad anfühlen, hängt von weiteren Faktoren ab: Luftfeuchte, Wind, Strahlung und dem menschlichen Verhalten. All diese Parameter und noch weitere hat der Deutsche Wetterdienst in einem Wärmehaushaltsmodell zusammengefasst, es heißt "Klima-Michel-Modell". Dieses Modell hilft dem DWD einzuschätzen, wie belastend das Wetter in den verschiedenen Regionen Deutschlands für die Menschen ist.
Der "Klima-Michel" soll ein durchschnittlicher Mensch in Deutschland sein, 35 Jahre alt, 1,75 Meter groß, 75 Kilogramm schwer. Er geht zügig spazieren, etwa mit vier Kilometern pro Stunde. Und, so sagt es Gudrun Laschewski: "Er zieht sich intelligent an, immer so, dass er sich behaglich fühlt." Im Sommer trägt er also Sandalen, T-Shirt und kurze Hose. Im Winter greift er zu festen Schuhen, Mantel, Hose und Mütze.

Diesen "Michel" lässt der DWD in seinem Modell durch das Wetter des Tages spazieren. Nur wenn sich der Michel zufällig an einem schattigen Ort aufhalten würde und eine mittlere Luftfeuchtigkeit sowie Windstille herrschte, würde die gefühlte Temperatur wohl der Lufttemperatur ziemlich genau entsprechen.
Gefühlte Temperatur: Abweichungen von fünf Grad Celsius sind üblich
Doch meistens ist es anders. Dann sorgt zum Beispiel der Wind in einem ohnehin schon kalten Winter für einen zusätzlichen Fröstelfaktor. Oder eine hohe Luftfeuchtigkeit zur Mittagszeit im Sommer verhindert, dass der Schweiß auf der Haut der Menschen verdunsten kann. Die Folge: Der Körper kann sich nicht mehr selbst abkühlen. Es scheint unerträglich heiß zu sein, der Körper gerät in Hitzestress.
Die Hitzewarnungen des DWD im Sommer resultieren aus den Berechnungen mit dem "Klima-Michel-Modell". Abweichungen zwischen gemessener und gefühlter Temperatur von fünf Grad Celsius sind üblich.
Dem Klima-Michel-Modell des DWD liegen Dutzende Gleichungen zugrunde. Wie viel Wärme gibt der Mensch ab? Wie hoch ist seine Kerntemperatur, wie sehr schwitzt er? Auch das Wetter des vergangenen Monats fließt in die Rechnung mit ein. Hat sich der Körper eventuell schon an die Hitzewelle angepasst?
Für die kommenden Tage rechnet der Wetterdienst außer an den Küsten mit geringen Windgeschwindigkeiten. Die Lufttemperatur steigt, es sind wenig Wolken am Himmel, die Sonnenstrahlen können ihr Werk tun. Die Chancen stehen also gut, dass der Frühling sich bald nach Frühling anfühlt.